Was ist besser als eine Leica? Ganz einfach: zwei Leica Kameras! Wir hatten gleich vier Leica Modelle im Super-Kompakt-Kit für unseren Langzeiterfahrungsbericht als ständige Begleiter dabei. Wie sehr diese kompakte Kombination aus der spiegellosen Leica CL mit APS-C-Sensor und dem Smartphone Huawei P20 Pro mit seiner noch höher auflösenden Leica Triple Kamera zu neuer fotografischer Kreativität und außergewöhnlichen Bildern in höchster Qualität verhelfen kann, hätten wir uns zu Beginn des Test kaum vorstellen können. Deshalb fiel die Trennung am Ende auch besonders schwer. Für mich ist die Leica CL zusammen mit der ersten von Fujifilm entwickelten und gefertigten digitalen Leica Digilux 4.3 (1998)die Schönste im Portfolio der Leica Camera AG.
Das Dream-Team für die Reise: Leica CL plus Huawei P20 Pro
oder vier Leica Kameras für alle Fälle.
Selten konnten wir es uns bei einem Langzeit Erfahrungsbericht so leicht gmachen wie diesmal: Die kleine, lederne Fototasche mit drei Objektiven und das im Vergleich zu anderen Smartphones großzügiger gebaute Huawei P20 Pro in der Jacken- oder Hosentasche haben uns auf unseren fotografischen Exkursionen kaum belastet. Auf ein Stativ, das mit Sicherheit unsere Erfahrungen gerade bei bestimmten Aufgaben noch positiver hätte ausfallen lassen, haben wir aus Mobilitätsgründen verzichtet. Ich bin aber sicher, dass beispielsweise ein NOVOFLEX TrioPod in der kleinsten Version, und oder ein Gimbal wie das Feiyutech 6 Plus von HapaTeam die gestalterischen Möglichkeiten nochmals erweitert hätten.
Doch bringen wir die Sache gleich zu Beginn erst einmal auf den Punkt, den roten natürlich mit dem Leica Logo, der gerade auf der klassisch schönen Leica CL mit ihrem minimalistisch klaren Design besondere Aufmerksamkeit bewirkt. Vor allem bei foto-affinen Menschen ist das Leica Logo der Punkt, an dem Sehnsüchte wach werden und der sie dazu bewegt, mit wildfremden Menschen in Kontakt zu treten. Aber auch schon der schlichte Leica Schriftzug auf dem Huawei Smartphone hat dazu geführt, dass unbekannte Menschen spontan das Gespräch mit uns suchten, um uns ihre Leidenschaft für die Fotografie zu gestehen.
Leica CL mit Super-Vario-Elmar-TL 1:3.5-4.5/11-23 ASPH.,
1/640 Sekunde, f/5,6 bei ISO 100 und Mehrfeldmessung.
Die Begeisterung ließ jedoch häufig schlagartig nach oder schlug auch in versteckten Neid um, als wir gestehen mussten, dass alles nur geborgt und von den Herstellern leihweise für unseren Test zur Verfügung gestellt worden war. Ja mitleidige Blicke trafen uns, als wir gegen Ende unseres Testes nach manchen längeren Gesprächen vertraulich zugaben, dass auch die Leihfrist schon um Einiges überschritten sei und wir nur noch wenige Tage das Glück hätten, mit dem kompakten Leica Kit zu fotografieren.
Diesen speziellen sozialen Aspekt im Image einer Marke scheinen besonders in der Imaging Branche nur wenige Hersteller erkannt und noch weniger verfolgt zu haben. Im Schönheitswettbewerb der Kameras fallen einem von den aktuellen Vertretern nur noch die PEN F von Olympus oder die Fujifilm X-Modelle ein.
Nun aber zu den technischen Merkmalen und der Handhabung, mit denen Anwender schnell und komfortabel zu qualitativ hochwertigen Fotografien und Filmen kommen sollen. Hier stand und steht bei Leica traditionsgemäß der Anspruch an die Bildqualität vor einer komfortablen Bedienung. Die Konzentration auf das Wesentliche, scheint sich bei der Leica CL nicht schwerpunktmäßig auf die Ergonomie zu beziehen. So hätten wir uns für bestimmte Aufgaben beim Fotografieren von schwierigen Standpunkten zum Erzielen ungewöhnlicher Perspektiven ein schwenkbares Display oder/und einen schwenkbaren Sucher gewünscht.
Aunfahme mit Leica CL und Apo-Vario-Elmar-TL 1:3.5-4.5/55-135 ASPH.
mit 1/1000 Sekunde, f/5,6 bei ISO 200 und Mehrfeldmessung.
Eine Leica in der Hand zu halten ist, wie wir oben beschrieben haben, für Viele ein besonderes Erlebnis. Was wir daran vor allem besonders fanden, war die animierende Wirkung, die Motivation, damit fotografieren zu wollen und den Wunsch, sich kreativ mit ihren technischen Möglichkeiten für ein gutes Bild auseinanderzusetzen. Die Leica CL entpuppte sich im Laufe des Kennenlernens als eine Kamera, die den Ehrgeiz ihrer Anwender weckt, sich intensiver mit ihr zu beschäftigen und ihre Möglichkeiten den individuellen Gestaltungszielen oder Aufgaben anzupassen. Dazu gehört beispielsweise das hybride Steuersystem, das die Bedienung mit analogen auf der Kameraoberseite angeordneten Einstellrädern und –tasten mit der digitalen Touchscreen-Bedienung kombiniert. Anwender können auch durch wiederholten Druck auf die Menütaste links unten auf der Kamerarückseite schnell durch die fünf Seiten des Einstellmenüs blättern und dann mit den zwei Einstellrädern auf der Oberseite die Optionen wählen und mit den Tasten bestätigen. Wer sich tiefergehend in dieses System einarbeitet, wird es schätzen, dass sich Tasten und Einstellräder zum Aufrufen bestimmter Einstellung individuell belegen lassen. So ist es beispielsweise möglich, eine der Tasten für den schnellen Aufruf der ISO Einstellung zu nutzen, die sich dann direkt mit dem dafür gewählten Einstellrad aufrufen lässt. So sind je nach individueller Vorliebe oder den vorherrschenden Aufgaben Räder und Tasten nahezu beliebig programmierbar, falls einem die für uns intuitiv erfassbare Grundeinstellung nicht optimal erscheint.
Dazu einige Beispiele: Bei der Einstellung der Aufnahmeparameter über die Menüsteuerung der Leica CL gibt es zwei Möglichkeiten: Das Hauptmenü oder das Favoritenmenü. Während das Hauptmenü bis zu 37 Menüpunkte auf fünf Menüseiten umfasst, besitzt das frei belegbare Favoritenmenü nur 15 Punkte auf maximal fünf Seiten. Wurde im Favoritenmenü auch nur ein Punkt eingestellt, so wird die erste Seite dieses Menüs bei Druck auf die Menütaste zuerst aufgerufen, so dass auf diesen Punkt schnell und sofort zugegriffen werden kann. Um schnell auf das Hauptmenü zu gelangen, ist diese Option in der untersten Zeile der maximal acht Punkte umfassen Menüseite zu finden und durch Navigation per Einstellrad und Bestätigung durch die Einstell- bzw. OK-Tasten schnell zu erreichen.
Die Leica CL bietet zwei Optionern für die Navigation durch die Menüsteuerung:
das Favoriten- und das Hauptmenü.
Die Eistellräder mit ihren geriffelten Rädern lassen sich durch ihre Rastschritte bequem und schnell verstellen, verfügen aber über keine Skalen und Kennzeichnungen. Auch für die Bedeutung der Tasten innerhalb der Räder gibt es keine Kennzeichnung. Allerdings ergibt sie sich mehr oder weniger intuitiv sowie schnell durch ‚Try and Error. Die einzige Kennzeichnung auf der Oberseite der Kamera ist ein kleiner roter Punkt, der unter der Nase des Einschalthebels verschwindet, wenn die Kamera eingeschaltet wird. Da sie sich auch versehentlich verstellen lassen und so vielleicht zu Aufnahmefehlern führen könnten, lassen sie sich für bestimmte Situationen auch sperren. Die aktuellen Voreinstellungen sind aber über das kleine Schulterdisplay zwischen den Einstellrädern ablesbar. Sie lassen sich auch im Sucher oder auf dem Display einblenden, wo sie sich kontrollieren lassen. Praktisch ist auch bei der Menüsteuerung, dass rechts in der Anzeige der variablen Menüpunkte die voreingestellten Werte angezeigt werden und man auf einem Blick erkennen kann, ob eine Aktion erforderlich sein kann oder nicht.
Als sehr komfortabel erwies sich für uns auch die Gestensteuerung, die sich vor allem in der Wiedergabefunktion bim Blättern durch die Aufnahmen aber auch zur Bestimmung des AF-Punktes und zum Auslösen der Kamera bewährt hat.
Mischlicht und hohe Kontraste meistert die Leica CL prolemlos.
Der AF-Modus der Kamera kann so umprogrammiert werden, dass über Taste und Eistellrad direkt und schnell auf die diversen automatischen Fokussierarten zugegriffen werden kann. Die Leica CL fokussiert unserem Empfinden nach sehr schnell, wobei die Geschwindigkeit natürlich auch vom verwendeten Objektiv abhängt. Uns standen für unseren Praxisbericht die Festbrennweite Leica Elmarit-TL 1:2.8/18 ASPH. (ca. 28 mm äquiv. KB) sowie die beiden Leica Vario-Objektive Super-Vario-Elmar-TL 1:3.5-4.5/11-23 ASPH (ca. 17-35mm äquiv. KB) und Leica APO-Vario-Elmar-TL 1:3.3-4.5/55-135 ASPH. (ca. 83-200 mm äquiv. KB) zur Verfügung. Da die Bildqualität selbst bei sehr hohen ISO-Werten noch immer akzeptabel bis sehr gut war, spielte die relativ normale Lichtstärke für uns keine Rolle. Auch das Bokeh beim Fotografieren mit dem Telezoom war sehr angenehm mit einem sanften Verlauf. Auf ein besonders kompaktes Volumen schrumpfte unsere Ausrüstung, wenn wir uns auf das Huawei P20 Pro und die Leica CL mit dem Elmarit TL 1:2,8/18 mm beschränkten. Dann stand uns mit dem Smartphone zwar auch nur ein zweites Weitwinkel und einer Brennweite von etwa 27-mm-zur Verfügung. Aber es gibt im Huawei Pro mit seiner Triple-Kamera ja noch das Tele mit etwa 80 mm Porträtbrennweite und 8 Megapixel zur Verfügung.
Doch das Smartphone hatte innerhalb der Ausrüstung eine weitaus wichtigere Funktion als die einer Zweitkamera: Es fungierte als kabellose Fernbedienung beispielsweise bei bodennahen Aufnahmen und diente so ersatzweise als dreh und klappbarer Monitor, wenn es mit einer Halterung in den Blitzschuh gesetzt wurde. Es ermöglichte Gruppenaufnahmen bei der auch der Fotograf mit auf dem Bild sein kann und machte Langezeitaufnahmen ohne Stativ möglich, bei denen die Kamera einfach auf einen stabilen Untergrund gestellt wurde.
Viel wichtiger aber noch ist die Kommunikation mit der Außenwelt, die das Huawei P20 Pro in Kombination mit der Leica CL App sichert. An dem großen, hochauflösenden Smartphone Display lassen sich die kabellos empfangenen Aufnahmen der Leica CL hervorragend bearbeiten und dann auch sogleich in die Social-Media Welt übertragen. In diesem Moment kommt auch die Back-Up Funktion der Leica CL zum Tragen. Volle Speicherkarten und verpasste Aufnahmen gehören mit dieser Kamera schlichtweg der Vergangenheit an, weil sich diee Dateien auf das Smartphone und weiter in die Cloud oder direkt auf einen externen Speicherplatz im verfügbaren Netzwerk übertragen lassen. Und das, obwohl die Kamera außer dem Speicherkartenfach, auf Schnittstellen wie USB oder HDMI voll und ganz verzichtet. Das Leica Motto: ‚Die Konzentration auf das Wesentliche‘ wurde hier auf die Spitze getrieben. Die WLAN Schnittstelle ist die einzige Kommunikationsmöglichkeit mit der Außenwelt. Das reicht auch völlig aus, wie uns die tägliche Praxis gelehrt und bestätigt hat.
Fotografiert mit dem Super-Vario-Elmar-TL 1:3.5-4.5/11-23 ASPH.
bei 23,0 mm Brennweite (äquiv. zum 35 mm Kleinbild)
mit 1/640 Sekunde bei f/4,5 und ISO 160.
Das ist auch der Grund, warum eventuelle Updates per Speicherkarte auf die Kamera überspielt werden müssen, eine Kabelverbindung zu externen Geräten wie einem PC und das Internet ist nicht vorgesehen.
Apropo Firmware Update: im Juni – also mitten während unserer Tests – hat Leica die Version 2.0 der CL Firmware veröffentlicht. Selbstverständlich kostenlos. Im Gegensatz zu dem großen Sprung in der Versionsbezeichnung war die Liste der Funktionserweiterungen und Optimierungen eher kurz. Doch dafür umso effektiver. Die wichtigste Neuerung war gleichzeitig auch die größte Herausforderung an die Anwender. Gemeint ist die freie Wahl der Einstellrad-Belegung in den Belichtungsmodi P, S, A und M. Damit lässt sich festlegen, mit welchem Einstellrad sich in welchem Modus, welche Parameter verstellen lassen. Das klingt zunächst harmlos, spielt aber für die Ergonomie der Kamerabedienung eine wesentliche Rolle, weil sich damit auch die Anzeigen auf dem Schulterdisplay entsprechend zuordnen lassen. Wird beispielsweise die Verschlusszeit auf dem Display links angezeigt, macht es auch Sinn, das linke Einstellrad für die Verschlusszeitenwahl nutzen zu können.
Installation von Propfessor Ottmar Hörl im Schlosspark Nymphenburg in München.
Aufgenommen mit dem Super-Vario-Elmar-TL 1:3.5-4.5/11-23 ASPH.,
bei 15,0 mm Brennweite (äquiv. 22,0 mm beim 35 mm Kleinbild)
und 1/640 Sek bei f/5,0 und ISO 100.
Viele APS-C-Kameras verwenden Sensoren des gleichen Herstellers. Obwohl Leica, wie die meisten anderen auch, darüber keine offiziellen Angaben macht, wird es sich – wie die Spezifikationen erwarten lassen – auch hier um einen Standardsensor handeln. Was keineswegs heißen muss, das er zu Standardergebnissen führt. Auch der Maestro Prozessor wird in der gleichen Halbleiterschmiede gekauft, wo sich auch der Wettbewerb eindeckt. Was den manchmal gar nicht so kleinen Unterschied macht sind die individuellen Algorithmen die jeder verwendet, um die erfassten Daten zu entwickeln. Die knackige Schärfe verdankt Leica dabei dem Verzicht auf einen Tiefpassfilter, der mit der Gefahr eines stärkeren Moiré-Effekts erkauft wird, die spezielle, klare Farbgebung der Bearbeitung durch den Maestro Prozessor. Welche Software Lizenzen Leica wofür nutzt, kann zum Teil in den Kamerainformation auf der Seite 5 des Hauptmenüs nachgelesen werden. Als einer der wenigen Herstelle verwendet Leica das von Adobe entwickelte und von einer Vielzahl von Bildbearbeitungsprogrammen nutzbare DNG Format für die RAW-Daten Aufzeichnung.
Skulptur in München am Wittelsbacher Platz zum 25. Jubiläum der Straßenzeitschrift ‚Biss‘.
Fotografiert mit Super-Vario-Elmar-TL 1:3.5-4.5/11-23 ASPH., bei 20,0 mm
Brennwweite (äquiv. 29,0 mm beim Kleinbild) mit 1/400 Sek bei f/5,6 und SO 100.
Wir haben grundsätzlich die Möglichkeit der parallelen Aufzeichnung beider Formate genutzt, um die Unterschiede ausmachen zu können. Dabei deckte sich die JPEG-Umwandlung durch die Kamera in den meisten Fällen weitgehend mit unserem persönlichen Geschmack. Bei höheren ISO-Werten – sprich ab etwa ISO 6400 – haben wir allerdings im Adobe DNG-Konverter selbst eingegriffen, um das Rauschen – meist auf Kosten der höchstmöglichen Schärfe – stärker zu mindern.
Einzigartig komfortabel und individuell programmierbar: Die Navigation
mithilfe der Einstellräder und deren innenliegendenden Tasten.
Fazit
Die Leica CL ist eine anspruchsvolle Kamera, die selbst auch an den Anwender Ansprühe stellt, wenn er ihre vielen kreativen Möglichkeiten voll ausschöpfen möchte. Sie ist konsequent auf eine exzellente Bildqualität in einem kompakten, minimalistisch gestalteten Gehäuse ausgelegt. Sie ist ausreichend schnell für die Street- und Actionfotografie aber trotz der 8 Aufnahmen pro Sekunde für Sportfotografen vielleicht nicht unbedingt die erste Wahl. Als Reisekamera und auch durch ihre WLAN-Funktion mögliche, einfache Verbindung mit dem Smartphone sowie die Bedienung per App und die praktische Back-up-Funktion sammelt sie – nicht zuletzt auch wegen ihrer kompakten Größe und dem geringen Gewicht wichtige Pluspunkte. Die 4K-Videofunktion haben wir nur selten genutzt. Doch wir sind sicher, dass für viele Fotografen – nicht zuletzt auch Reisefotografen – dieses Feature immer wichtiger wird. Wir haben uns von dieser Kamera als ständige Begleiterin nur ungern wieder getrennt. Die Leica CL verkörpert wie kaum ein anderes Leica-Modell schon wegen ihrer Formgebung die DNA von Oskar Barnacks Ur-Leica – eine Eigenschaft, um nicht zu sagen einen Zauber, der oder dem sich nur wenige fotoaffine Menschen ganz entziehen können. Wir werden sie vermissen!