Marc Levoy, Professor mit der an der Stanford University entwickelten, Open Source programmierbaren Frankencamera.
Foto: Linda Cicero/Stanford News Service
Unter der Bezeichnung „Computational Photography“ rüsten Informatiker, Physiker und Imaging Experten auf der ganzen Welt zum Sturm auf die letzten Grenzen der klassischen Fotografie. Innovative Signalerfassungsmethoden, neue Algorithmen zu ihrer Auswertung und intelligente Präzisionssteuerungen für alle Aufzeichnungsprozesse versprechen schon bald nicht nur Aufnahmefehler praktisch unmöglich zu machen sondern auch bisher wegen ungünstiger Bedingungen für unmöglich gehaltene Fotos in optimaler Qualität zu erzeugen.
Was ist Computational Photography?
Computational Photography ist eine relativ junge Erweiterung der Fotografie, die erst durch die Digitaltechnik möglich wurde und die bisherigen optischen und physikalischen Grenzen der Bilderstellung herkömmlicher Kamerasysteme zu sprengen verspricht. Sie wird durch den Fortschritt der Sensor- und Prozessortechnik gestützt und basiert überwiegend auf den von Informatikern geschaffenen Algorithmen für die Steuerungs- und Datenverarbeitungsprozesse der Bildaufzeichnungs-, Bildverarbeitungs- und Bildwiedergabesysteme. Das junge Forschungsgebiet der Computational Photography ist fachübergreifend und umfasst Erkenntnisse der Informatik, Computergrafik und Prozesssteuerung ebenso wie die der Sensorik oder Optik.
Einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Computational Photography ist Professor Dr. Hendrik Lensch vom Institute of Media Informatics der Universität Ulm, der bereits an der Entwicklung der berühmten Frankencamera an der University of Stanford in der Gruppe um Marc Levoy als Visiting Professor beteiligt war. Von Marc Levoy, Professor für Computer Science und Electrical Engeneering wurde auch der Begriff „Computational Photography“ für die Verwendung von Verfahrenstechniken und intelligenten Algorithmen zur Optimierung und Erweiterung der Möglichkeiten der Digitalfotografie geprägt. Die dort entwickelte Open Source Plattform ‚Frankencamera‘ für Digitalkameras könnte es ermöglichen, Aufnahmesysteme durch Dritte für bestimmte Anwendungen zu programmieren, sprich mit speziellen Apps für spezifische fotografische Aufgaben auszustatten.
Denkbar wäre zum Beispiel, wie die Stanford Daily am 6. Januar 2011 schrieb ein App-Store, ähnlich wie für das iPhone für Kameras.
Bildoptimierungen, wie sie die Computational Photography beispielsweise durch derartige Mnianwendungen ermöglichen könnte sind Aufnahmen mit speziellen Kontrasteigenschaften, etwa für HDR-Fotos. Aber auch Panorama-Bilder und Fotos mit durchgehender Schärfe von vorn bis hinten lassen sich mithilfe dieser Verfahren realisieren. Fehlt ein Weitwinkelobjektiv, wird einfach die Kamera wie ein Pinsel über das gewünschte Motiv geschwenkt und schon erhält der Fotograf als Ergebnis ein aus zahlreichen Einzelaufnahmen zusammengesetztes Mosaik. Viele dieser Optimierungen lassen sich mit Bildbearbeitungsprogrammen auch heute schon realisieren und waren auch unter dem einschränkenden Begriff „Multi-Shot-Techniken“ bekannt.
Auch Kameras, die aus einer Serie von Bildern automatisch nur das schärfste speichern werden bald schon keine Seltenheit mehr sein. Kameras, die Aufnahmen mit unterschiedlich langen Belichtungszeiten erfassen und die Kurzzeitbelichtung für die Erzeugung der Schärfe und die Langzeitbelichtung für bessere Farbwiedergabe in einem zusammengesetzten Bild verwenden, sind längst kein Science Fiction Thema mehr.
Kameras, ob integriert in anderen mobilen Geräten oder als eigenständige Aufnahmesysteme sind die am häufigsten mitgeführten Computer überhaupt. Forschern wie Marc Levoy oder Hendrik Lensch war es deshalb unverständlich, dass dieses geschlossene Systeme waren, für die sich keine zusätzlichen Anwendungen programmieren ließen. Deshalb wurde von ihnen die Frankencamera Plattform entwickelt, die nun auch an andere Universitäten weitergegeben werden soll, um die Entwicklung von API zu beschleunigen.
Dioe von Professor Marc Levoy entwickelte, programmierbare, Open Source Frankencamera.
Foto: Stanford University News Services
Unterstützt wurden die Forscher der Stanford University bei der Entwicklung ihres Open Source Betriebssystems für Kameras und Camphones von den Firmen Adobe, Nokia, Kodak und HP. Obwohl das Frankencamera System mit der Absicht entwickelt wurde, Algorithmen für die Bilderfassung, -bearbeitung und –ausgabe zu entwickeln, betrachten die Entwickler es nicht spezifisch als die Zukunft der Kameraindustrie. Vielmehr hofft man die die Industriepartner dazu zu bewegen, ihre Kameraschnittstellen zu öffnen, um weiteren Partnern die Möglichkeiten zu geben, die Kameras durch Zusatzanwendungen für ihre Bedürfnisse aufzurüsten. Während dies inzwischen bei den Smartphones bereits zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, hinken die Kamerahersteller in diesem Bereich noch deutlich hinterher. Zwar haben viele Techniken der Computational Photography bereits in den Kameras mit geschlossenen Systemen Einzug gehalten, von Dritten programmierbare Kameras lassen allerdings noch auf sich warten.