„Die Fotos, die ich nicht gemacht habe, sind die die am meisten wehtun“, erzählt Letitia Battaglia, über Situationen, wo sogar sie nicht in der Lage zur Kamera zu greifen.
Lange regierte die Mafia auf Sizilien ungehindert, ihre Verbrechen waren für die Welt unsichtbar. Das änderte sich erst in den 1970er-Jahren, als Letizia Battaglia als erste Fotojournalistin Italiens die brutalen Morde und den tiefgreifenden Einfluss der Mafia zu dokumentieren begann. Es ist von Anfang an eine gefährliche Mission.
Die Schwarzweiß-Bilder zeigen von Kugeln durchbohrte Körper, schreiende Witwen, Krieg spielende Kinder. Ihre Aufnahmen, die sie für die kommunistische Tageszeitung L’Ora in Palermo machte, wirken zeitlos und haben bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren. Als „fotografa militante“ wird sie aktiv gegen die Cosa Nostra kämpfen; von 1985 bis 1996, zur Zeit der spektakulären Anti-Mafia-Prozesse der Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, geht Battaglia als Grüne in die Politik.
Mit „Shooting the Mafia“ erzählt die preisgekrönte Filmemacherin Kim Longinotto, eine der namhaftesten britischen Dokumentarfilmerinnen, die Emanzipationsgeschichte einer politisch denkenden und handelnden Frau aus dem Süden Italiens, einer Gegend, die für viele Deutsche ein verklärtes Sehnsuchtsland ist.
attaglias Geburtsort war Palermo, aber sie wuchs bis zum achten Lebensjahr in Triest auf. Die Rückkehr in die sizilianische Hauptstadt war für sie ein Schock, da ihr Vater sie nachmittags nach der Klosterschule zu Hause einsperrte. Nach den damaligen Traditionen durften Mädchen in Palermo nicht im Freien spielen.
Um alldem zu entkommen, heiratete sie bereits mit 16 Jahren. Der Ehemann war Erbe einer regionalen Kaffeeröster-Fabrikantenfamilie. Sie brachte drei Töchter zur Welt. Der Wunsch zu studieren wurde ihr verwehrt. Nach fünfzehn Jahren als „den Traditionen angepasste Ehefrau“ erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, einen psychisch bedingten Herzinfarkt. Weder Ärzte noch Psychotherapeuten konnten ihr helfen, bis sie sich einer Psychoanalyse unterzog und beschloss, ihrem Leben eine radikale Wendung zu geben. Sie verließ ihren Gatten und nahm die Kinder mit.
Laetitia Bataglia wurde am 5. März 1935 geboren.Obwohl ihre Fotoarbeiten ein weites Spektrum des sizilianischen Lebens zeigen, ist sie vor allem bekannt für ihre herausragenden Bilder über die Mafia.
Battaglia ging nach Mailand und begann dort zunächst als Kulturkorrespondentin für die linke Tageszeitung L’Ora zu schreiben. Zum Fotografieren kam sie, weil Fotos gefordert wurden. In den 1970er Jahren traf sie Franco Zecchin, der deutlich jünger war, aber in den folgenden 19 Jahren sowohl ihr Arbeits- als auch Lebenspartner wurde. Drei Jahre später kehrte sie als Chef-Fotografin und Reporterin für L’Ora mit ihm nach Palermo zurück. Von 1974 bis 1990, als die Tageszeitung aus ökonomischen Gründen aufgeben musste, folgte eine arbeitsreiche Lebensspanne im Dienst des Fotojournalismus.
Dies war in Palermo die Zeit der blutigsten Mafiakriege um die Vorherrschaft unter den verschiedenen Clans der Cosa Nostra. Noch in der Dunkelkammer hörte die Journalistin den Polizeifunk ab und war immer eine der Ersten am Schauplatz der Schießereien. Zeitweise gab es beinahe jeden Tag mehrere Tote, manchmal fünf verschiedene Fälle am gleichen Tag.
Battaglia schuf damals rund 600.000 stets Schwarzweißbilder. Sie dokumentierte die internen Kriege der Banden ebenso wie ihre Durchdringung und Wirkung auf die Zivilgesellschaft. Battaglia und Zecchin lieferten den internationalen Medien die repräsentativen Bilder der Mafia-Gewalttaten. Sie empfand sich manchmal wie ein bewegliches Leichenschauhaus. „Suddenly I had an archive of blood“ äußerte sie in einem Interview.
Dennoch sind ihre Aufnahmen niemals Paparazzi- oder Sensationsfotos, sondern halten in ihrer Komposition und Durchdachtheit den Ansprüchen hoher, künstlerischer Qualität stand.]Die Verleihung renommierter, internationaler Fotografenpreise belegen dies.
Battaglia setzte sich auch in der Umwelt- und Kommunalpolitik ein. Für ein paar Jahre wechselte sie hauptberuflich in die Politik, weil sie ihr Anliegen „eines von der Mafia befreiten Italiens“ damit besser voranbringen zu können glaubte. Sie war unter im Stadtrat Palermos tätig und Abgeordnete der Anti-Mafia-Partei La Rete.
Nebenbei war Battaglia als Unternehmerin aktiv mit dem eigenen kleinen Buchverlag Edizioni della Battaglia, in dem sie andere Fotografen und Autoren publizierte. Sie war zudem Mitbegründerin einer feministischen Monats-Zeitschrift namens Mezzocielo.