Straßenarbeiter im Ruhrgebiet, um 1928, Silbergelatineabzug, 28,7 x 20,1 cm,
Bayerische Staatsgemäldesammlungen,
Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne. 2014
erworben aus der Sammlung Lothar Schirmer, München
© Die Photographische Sammlung, SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv,
Köln Sk VG Bild-Kunst, Bonn 2014
August Sanders epochaler Portrait-Zyklus »Menschen des 20. Jahrhunderts« zählt zu den Inkunabeln der Fotografiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Sanders eindrückliches Bild der deutschen Gesellschaft, entstanden in den dramatischen Jahrzehnten zwischen Weimarer Republik und unmittelbarer Nachkriegszeit, hat nicht nur Künstler, Literaten und Philosophen seiner Zeit fasziniert, sondern bildete zugleich aufgrund seiner soziologischen Motivation, der seriell-typologischen Vorgehensweise und dem streng dokumentarischen Anspruch eine wichtige Referenz für das künstlerische Selbstverständnis zeitgenössischer Fotografen wie Bernd und Hilla Becher.
August Sande, Der Rhein bei Boppard, Osterspey, 1938, 22,9 x 29,3 cm
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne.
2014 erworben aus der Sammlung Lothar Schirmer, München
© Die Photographische Sammlung, SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln,
VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Bereits in den frühen 1970er Jahren begann der Verleger Lothar Schirmer Handabzüge von August Sander (1876-1964) aus dem Nachlass zu erwerben, der seinerzeit unweit von München von dessen Sohn Gunther betreut wurde. In wenigen Jahren gelang es Lothar Schirmer nicht nur, ein beeindruckendes Konvolut originaler Bildnisse aus Sanders berühmten Portraitwerk zusammenzutragen, darunter Meisterwerke wie die Westerwälder Bauern, die im streng neusachlichen Stil gehaltenen Bildnisse des Künstlers Heinrich Hoerle oder des Architekten Hans Poelzig als auch der legendäre »Handlanger«, sondern darüber hinaus eine seltene Gruppe weniger bekannter Rheinlandschaften und Köln-Veduten aus den 1930er Jahren. Gerade die beiden zuletzt genannten Werkkomplexe belegen nachdrücklich, dass sich Sanders Vision eines ebenso authentischen wie wahrhaftigen Zeitbildes nicht nur auf den Menschen in seinem sozialen und gesellschaftlichen Gefüge beschränken wollte, sondern dessen unmittelbare Umgebung, die Landschaft wie den urbane Lebensraum, mit einbezog – ein Aspekt, der in der posthumen Würdigung des vor 50 Jahren verstorbenen Fotografen lange wenig Beachtung fand.
Mit dem Erwerb dieses in Qualität und Zusammensetzung einzigartigen Konvoluts erfährt die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne einen substantiellen Zugewinn. Die Fotografien von August Sander bereichern nicht nur die im Aufbau befindliche Sammlung klassischer Fotografien, in der bereits Karl Blossfeldt (1865-1932), ein weiterer stilprägender Fotograf aus der Frühzeit des 20. Jahrhunderts, mit einem umfangreichen Konvolut von Pflanzenportraits prominent vertreten ist. Sondern sie stellen gleichermaßen eine kongeniale Ergänzung zu den Beständen der seit 2010 an der Pinakothek der Moderne ansässigen Stiftung Ann und Jürgen Wilde dar, als auch zu herausragenden Positionen im Bereich der zeitgenössischen Fotografie, wie sie in der Siemens Fotosammlung als auch der Allianz Sammlung vertreten sind.
Mit besonderer Freude konnten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen darüber hinaus die großzügige Schenkung von zwei kapitalen Werken der zeitgenössischen Fotografie aus der Sammlung Lothar Schirmer entgegennehmen, eine 15-teiligen Typologie von Bernd und Hilla Becher sowie das Museumsbild »Selbstporträt, Alte Pinakothek« von Thomas Struth. Alle Werke waren im Frühjahr diesen Jahres in der Ausstellung »Menschen vor Flusslandschaft. August Sander und die Fotografie der Gegenwart aus der Sammlung Lothar Schirmer« zu sehen.