Künstlerbrunch in der Galerie Nischke in München mit
Vertretern zeigenössischer Fotografie aus Japan.
Sonntagmorgen in der Galerie Nischke im Münchner Szeneviertel um den Gärtnerplatz: Der Gastgeber Michael Nischke und seine Familie hatten zum Künstlerbrunch geladen. Die Gäste: drei aufstrebende Fotografen aus Tokio mit ihrem Galeristen, Verleger und Förderer sowie eine exklusive Gruppe aus Journalisten, Kuratoren, Verlegern und Galeristen aus München. Die Atmosphäre neugierig, entspannt. Die Eigenpräsentation der drei Künstler engagiert, uneitel, selbstbewusst. Letzteres mit Fug und Recht, denn was die drei ihrem Publikum zeigten, waren außergewöhnliche Arbeiten mit einer einzigartigen Sehweise auf ihre und unsere Welt.
Photographer Hal
Auch in Europa nicht nur Insidern bereits bekannt dürfte Haruhiko Kawawguchi unter dem Künstlernamen photographer Hal sein. Sein Thema: Kommunikation, Nähe, Intimität. Seine Werke verdichten das Thema schon physisch, indem er seine Motive, auch Personen und Paare einschweißt und für einen kurzen Augenblick auch vakuumisiert.
Johnnie & Kafka, Foto Photographer Hal.
„Augenblicklich arbeite ich an einer Serie, mit der ich der Porträtfotografie eine neue Dimension geben möchte“, erklärt er seine Pläne. „Dabei möchte ich das herausfordernde allumfassende Thema ‚Menschheit‘ durch das Thema ‚Liebe‘ definieren.“ Seine aktuellen Arbeiten fasst er unter dem Motto „Flesh Love All“ zusammen. Dafür steckte er nicht nur Personen in Vakuumverpackungen, sondern auch ihre nähere Umgebung. Dabei sieht er in der ‚photographic location‘ die wichtigste Aussage über seine Modelle.
Gruppen- und Einzelausstellungen seiner Werke waren in Galerien, auf Fotokunstmessen und bei Fotofestivals in Tokio, Paris, Arles, London, Melbourne oder Taiwan, um nur einige zu nennen, zu sehen.
Keiju Kita
Ganz das Gegenteil von Haruhiko Kawaguchi sind die zurückgenommenen Schwarzweißarbeiten von Keiju Kita. Der Absolvent der Wissenschaftlichen Fakultät der Universität von Shizuoka und der Visual-Techno Academy in Tokio belegte ergänzend einen Kurs für Fotografie an der Kyoto Universität für Kunst und Design. Sein Motto ist ein Zitat von Paul Klee, der später auch am Bauhaus lehrte und einmal gesagt hat: „Kunst besteht darin, Unsichtbares sichtbar zu machen.“
AA +A, Foto Keiju Kita.
Das Konzept seiner Fotografie sieht er in dem Bemühen, die unsichtbare Energie zu visualisieren. Das unterstrich er in München mit der Präsentation von zwei seiner Bildserien mit den Titeln „Màni“ und „AA+A“. „Màni“ ist der Name einer nordischen Gottheit des Mondes Und „AA+A“ steht für die auf der ganzen Welt von nahezu allen Menschen genutzte und bekannte Batterie vom Typ AA.
Nach einem Desaster als Folge eines Stromausfalls begann Keiju Kita sich für Straßenlaternen als Motiv für seine Fotografie zu interessieren. Wenn ich zu ihnen bei Tag aufschaute, blickten sie mich an wie Totenmasken“, sagt er. „Ein Eindruck der sich mir aufdrängte und der mich unwiderstehlich anzog. Ich begann sie zu fotografieren, wie Porträts, in die ich Personen, die mich in meinem Leben besonders beeinflusst haben, mit einbezog: Familie und Freunde, Menschen, die mir geholfen haben und Leute an die ich einst mein Herz verschenkt habe.“
Gonta aus der Serie Màni von Keiju Kita.
Ganz anders ging Keiju Kita für seine Bildserie „AA+A“ vor. In einer Zeit geprägt von Unsicherheit, Grenzen, ethnischen Unterschieden und sich bekämpfenden Religionen suchte er nach der größten Gemeinsamkeit, nach einem Symbol für Kraft und Energie, das möglichst jeder Mensch kennt und versteht. Das ist für ihn die Mignonzelle vom Typ AA. Das „+A“ steht für „Anima“ (lat. Seele) und soll symbolisieren, dass er in diese Bilder seine Seele mit eingebracht hat, um zu beweisen, dass sich bei allen Unterschieden immer Gemeinsamkeiten finden lassen, die das Leben auf der Erde lebenswert machen. Die farbigen Muster, in die er die bekannte Forme der AA-Batterien hüllte, repräsentieren eine Mischung aus dem ursprünglichen Produktdesign, das er später über eine Softwarefunktion der elektrischen Entladungskurve der Batterien angepasst hat. Die meisten werden in den Bildern die Batterie wiedererkennen. Einige, so hofft Keiju Keita werden auch erfahren, das Kraft und Energie Gemeinsamkeiten sind, die das Trennende überwinden können.
keijukita.com
Yoshiyuki Oki
Die beiden Werke, die Yoshiyuki Oki in München präsentierte waren „Qualia“ und „On the frog and his life“. Die Bildserie, die der Fotograf unter dem Titel „Über den Frosch und sein Leben“ präsentiert kann als so etwas wie eine Initialzündung für sein gesamtes fotografisches Konzept gesehen werden. „Ich habe als kleiner Junge den toten Frosch beim Spielen gefunden. Er war vertrocknet und kaum größer als eine Fingerkuppe. Zuhause packte er das Fundstück in eine Schachtel, in der er weiteres unnützes Zeug aufbewahrte. Jahrzehnte später fiel ihm die Schachtel wieder in die Hände. Vom Frosch war nur noch das Skelett übrig geblieben, dessen Schönheit den Künstler faszinierte.
„On the frog and his Life“ von Yoshiyuki Oki.
„Ich fühle mich von kleinen alltäglichen Dingen angezogen“, erzählt Yoshiyuki Oki. „Doch mit der Kamera sehe ich in der Regel nur die Oberfläche eines Objekts. Doch wenn ich dann das Foto betrachte, spüre ich, was ich beim Betrachten des Motivs gefühlt habe, das bereitet mir Freude und Überraschung. Solche Bilder suche ich.“
Auch bei der Bildserie „Qualia“ geht es ihm um den subjektiven Erlebnisgehalt seines mentalen Zustandes beim Erleben eines Motivs oder Bildes.
Obwohl solche Gefühlszustände auch verbal in Form von Poesie beschrieben werden können, lassen seiner Meinung nach Bilder, mit denen er beispielsweise den Klang eines Wasserfalls, der von den Bergen rundum als Echo wahrgenommen wird, oder auch der Geruch eines Regentages den er einfangen möchte, weit größere Interpretationsmöglichkeiten für den Betrachter zu. Das ist sein erklärtes Ziel: Ihm geht es nicht darum eine klare Botschaft zu senden, sondern vage Stimmungen mit seinen Bildern zu erzeugen, die jeder seiner individuellen Interpretation unterzeihen soll.
Wasserfall aus der Serie Qualia von Yoshiyuki Oki.
Je vielfältiger das Seherlebnis der Betrachter, desto näher sieht er sich diesem Ziel.
Die drei zeitgenössischen japanischen Fotokünstler haben trotz unterschiedlicher Bildsprachen und künstlerischen Ansätze ein Ziel: Die Fotografie Medium zu nutzen, auf hohem Niveau die Freude an der Vielfalt als Basis für ein verbindendes Kunsterlebnis zu mehren.
Galerei Tosei http://www.tosei.sha.jp