Professor Dr. Karl Steinorth, der legendäre Pressesprecher der einstigen Kodak GmbH und früher Influencer des zu seinen Zeiten noch als Photoindustrieverband tagenden PIV, hätte es in seiner bekannten, direkten Art wohl als Knochenbeilage bezeichnet, den Vortrag von Ulf Schreurs, General Manager Digital Imaging Sony Deutschland GmbH, zur Zukunft des Kameramarktes.
Ulf Scheurs, General Director Digital Imaging, Sony Deutschland GmbH,
sieht die Zukunft der Kameras bei den spiegellosen Vollformatmodellen.
Als Sponsor des Dinners am Abend in der spektakulären Event-Location Elbpanorama war es wohl sein gutes Recht anzuführen, dass der Königsweg oder wie es die Veranstalter nannten „Marketing Innovation Track“ am Beispiel von Marktrends und Innovationen im Kameramarkt“ offenbar nur über das spiegellose Vollformat –natürlich in Form von Sony Kameras führt. Die Hersteller von Vollformaterfolgskameras im Spiegelreflexsegment und die Anbieter erfolgreicher Kameramodelle mit kleineren Sensoren von Canon, Olympus oder Panasonic nahmen es gelassen. Schließlich mussten sie ja nicht zahlen. Das anschließende Networking im Penthouse Elb-Panorama bot Entschädigung genug.
Blick von der Terasse des Penthouse, Elb-Panorama, Ort des Networking Dinners
für die PIV Mitglieder.
Gleich am nächsten Morgen beim Branchentalk ging es munter weiter. Wie kaufen moderne Konsumenten künftig ein und wie kann der stationäre Fachhandel die Chancen der Digitalisierung nutzen, um sein Geschäft mit kanalübergreifenden Einkaufserlebnissen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen? Mit neuen Erkenntnissen aus der Handels- und Marktforschung zeigten Fachleute vor rund 100 Gästen beim PIV Branchentalk unter dem Motto „Handel und Konsument – Zukunft im digitalen Wandel erfolgreich gestalten“, praxisnahe Perspektiven auf. Die folgenden drei Thesen zur Zukunft des Handels fassen die Expertenmeinungen zusammen.
These 1:
„Nicht noch mehr Online-Aktivitäten, sondern die Verzahnung der Kanäle ist der Schlüssel zur Zukunft des Handels.“
Aus Sicht von Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer IFH Institut für Handelsforschung GmbH, Köln, bleibt Online-Shopping noch auf Jahre hinaus der Wachstumsmotor im Handel. Doch wollen Händler mit Wurzeln im stationären Geschäft an diesem Boom teilhaben, sollten sie nicht den ungleichen Wettbewerb mit dominierenden Webplattformen wagen, empfiehlt Kai Hudetz. Stattdessen plädiert der Handelsforscher für eine stärkere Kombination von Online- und Offline-Aktivitäten.
Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer, IFH Institut für Handelsforschung, Köln.
„Die Zukunft gehört denen, die ihre Kanäle optimal verzahnen. Dazu müssen Händler ihren Kunden aber die Mehrwerte ihrer kanalübergreifenden Maßnahmen begreiflich machen“, betont er. Er sieht den sogenannten Multichannel-Kauf als das am weitesten verbreitete Verhaltensmuster. Das heißt, dass die meisten Kunden sich online informieren, aber offline kaufen oder umgekehrt. Immerhin kaufen 24 Prozent aller Verbraucher noch traditionell im Ladengeschäft und weitere 56 Prozent shoppen nur selektiv im Internet. Stationäre Händler können davon profitieren, indem sie Angebote für den Cross-Channel-Kauf (online informieren, reservieren oder kaufen, danach offline abholen) forcieren. Doch dafür müssten Cross-Channel-Angebote noch verständlicher und breiter kommuniziert werden als bisher. Außerdem sieht Kai Hudetz das Verkaufspersonal künftig noch stärker in einer Rolle als „Influencer“, die auf Augenhöhe widersprüchliches Internetwissen belesener Kunden durch kompetente Entscheidungshilfe kanalisieren. Hudetz sieht in Amazon, dem Schreckgespenst vieler Händler, nicht so sehr die Plattform der gegenüber der Handel zu bestehen hat, sondern einen beispielhaften Content-Anbieter, der interessierte Fotokunden erstklassig informiert. Aber, so relativierte er mit einem Zitat des einstigen Boxweltmeisters George Forman, die Erfolgsaussichten seiner Strategien selbstkritisch: „Jeder hat einen Plan, bevor einen voll auf die Zwölft bekommt“.
These 2:
„Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss den Kunden oder dem Unternehmen einen konkreten Mehrwert bieten.“
Laut Karin Wunderlich, Shopper Marketing Evangelistin, gmvteam GmbH, Düsseldorf, bietet die Digitalisierung für Handelsunternehmen nur bei gezieltem Einsatz eine Perspektive auf nachhaltigen Erfolg.
Karin Wunderlich, Shopper Marketing Evangelist,gmvteam GmbH, Düsseldorf.
„Digitalisierung ist vor allem als Chance zu verstehen, die Infrastraktur des Unternehmens zu modernisieren.“ Wer das Potenzial digitaler Lösungen für sich prüft, solle lieber seine Stammdaten zeitgemäß managen und versprengte Datensilos zusammenführen anstatt effektvoll aber kopflos in eine eigene Shopping-App zu investieren. Digitale Angebote, an Kunden adressieren, seien nur dann sinnvoll, wenn sie nachweislich ein Alltagsproblem lösen und für ein bequemeres Kundenerlebnis sorgen. Als zukunftsweisendes Beispiel nannte Karin Wunderlich, Händler, die ihren Kunden ermöglichen, Terminvereinbarungen durch smarte Sprachassistenten mit Künstlicher Intelligenz vorzunehmen. Intern schaffen digitalisierte Prozesse die Vorausetzung für neue Arbeitsweisen mit kleinen agilen Teams, die bei Herausforderungen selbstverantwortlich und schnell zu Lösungen kommen. Wenn Software Routinevorgänge vereinfacht oder beschleunigt werden, bleibt zudem mehr Zeit für wichtigere Aufgaben – dem Kundenkontakt zum Beispiel.
Auf die Frage, wie denn dieser durch die gewonnene Zeit intensivierbare Kundenkontakt optimiert werden könne, verwies Karin Wunderlich auf das Erlebnismarketing, auf Aktionen, die Begeisterung für das Medium Fotografie wecken können wie auch auf Workshops. Der Fragesteller Olaf Kreuter, Marketing Leiter bei Olympus war es zufrieden. Denn genau diese Aktivitäten sind seine Spezialität. Seit Jahren glänzt Olympus mit seinen Playground-Aktionen, seiner Unterstützung und seinen Partnerschaften mit Fotofestivals und Institutionen wie dem BFF (Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter) oder dem Fotografie Forum Frankfurt, dem Museum für Fotografie Amsterdam oder dem Haus der Photographie Deichtorhallen Hamburg.
These 3:
„Smarte Kunden wollen nicht mit noch mehr Faktenwissen, sondern mit Emotionen überzeugt werden.“
Frank Rehme, Geschäftsführer, gmvteam GmbH, Düsseldorf, der sich selbst gerne als Innovator, Entrepreneur und Morgenmacher bezeichnet betrachtet neue, innovative Instrumente wie das Neuro-Marketings und Content-Marketing als die große Chance für den stationären Handel, sich auch künftig einen festen Platz in den Köpfen und Herzen der Kunden zu sichern.
Frank Rehme, Geschäftsführer, gmvteam GmbH, Düsseldorf.
„Niemand verliebt sich in Fakten. Emotionalisierung und Storytelling sind der Schlüssel“, plädiert der Unternehmensberater für einen Perspektivwechsel in den Off- und Online-Aktivitäten des Fotohandels. So ermöglichen moderne Produktpräsentationen, die technische Informationen mit multisensorischen Eindrücken zu verbinden, ein Erlebnis, das reine Webplattformen nicht bieten können. Die fachliche Kompetenz des Handels verliert zwar nicht an Bedeutung, bedarf jedoch einer zeitgemäßen Vermittlung, ist Frank Rehme überzeugt. Influencer-Kooperationen mit Podcast-Produzenten, die einer großen Internetgemeinde fotografisches Vokabular verständlich erklären, beurteilt Frank Rehme, in dieser Hinsicht als ein unterschätztes Instrument mit großem Potenzial.
Wie die Experten in ihren Referaten bestätigten, ist der stationäre Fachhandel für die Zukunft und die fortschreitende Digitalisierung gut aufgestellt.
Christian Müller-Rieker, GEschäftsführer, PIV.
„Der PIV Branchentalk hat nicht nur die vielfältigen Chancen der Digitalisierung aufgezeigt, sondern auch die Zukunftsfähigkeit des stationären Handels unterstrichen. Alle Experten sind sich einig, dass das Einkaufsverlebnis vor Ort bei vielen Konsumenten weiter hoch im Kurs steht. Sich mit Fachpersonal von Angesicht zu Angesicht austauschen zu können, bleibt eine Spezialiät des klassischen Ladengeschäfts“, resümiert Christian Müller-Rieker, Geschäftsführer Photoindustrie-Verband e.V. (PIV). „Daher sind wir sehr zuversichtlich, dass der Fotohandel auf allen Kanälen auch in Zukunft eine starke Säule der Imaging-Industrie darstellt.“