Nobertt Rosing mit seiner analogen Leica Ausrüstung.
dasfotoportal.de (dfp): Herr Rosing, die Überraschung war perfekt: Jahr für Jahr organisieren und präsentieren sie während des Fotofestivals horizonte Zingst Vorträge von Fotografen in modernster Digitaltechnik. Jetzt haben sie angekündigt, am Stammsitz ihrer Lieblingsfotomarke Leica in Wetzlar einen echten „Diavortrag“ mit Analogprojektion halten zu wollen. Wieso das denn?
Norbert Rosing (NR): Anders als Viele glauben, hat das bei mir keineswegs nur mit Nostalgie zu tun. Ich habe immer darauf geachtet, das beste Werkzeug für meine Fotografie zu nutzen. Das hat mich letztendlich auch zu Leica gebracht. In analogen Zeiten war das für mich das Beste, was es gab und heute in der Digitaltechnik, die ich selbstverständlich auch intensiv nutze, ist Leica das in vieler Hinsicht ebenfalls. Trotzdem gibt es für mich weder eine ideale Kamera noch ein optimales Präsentationsverfahren. Ich versuche – natürlich auch abhängig von den mir zur Verfügung stehenden Mitteln – stets passend für die fotografische Aufgabe das am besten geeignete Handwerkszeug zu finden und einzusetzen. Viele meiner besten Bilder sind analog auf genommen. Wenn ich dann in mein Archiv eintauche, um sie heute digital für meine Vorträge zu nutzen, fällt mir immer wieder die spezielle Charakteristik, durch die sie sich von den aktuellen, digitalen Fotos unterscheiden, auf. Gleichzeitig begegne ich immer mehr jungen Menschen, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind und die analoge Fotografie als neues Medium für sich entdecken, das sie begeistert. Speziell diesen Menschen möchte ich gern die besondere Faszination der analogen Fotografie und Projektion nahe bringen.
Für ein einzelnes Dia rechnet Norbert Rosing mit
Materialkosten von ca. einem Euro.
dfp: …die sich wodurch äußert?
NR: Natürlich könnte ich jetzt sagen, das Klicken, Klackern oder Ploppen beim Diatransport. Das löst vielleicht bei mir eine gewisse Nostalgie aus. Für junge Menschen ist das möglicherweise eher störend. Aber es ist eine Störung, die sie für das Erlebnis dieser speziellen Farbigkeit, Individualität und Faszination der analogen Diafotografie wohl in Kauf nehmen. Dias kommen einfach anders rüber. Ob das besser oder schlechter ist, kann ja jeder für sich entscheiden. Auf alle Fälle ist es anders. Ich wurde nach vielen meiner Vorträge immer wieder gefragt, woher die besondere Farbgebung mancher Bilder in meiner Präsentation käme. Meist ging es dabei um gut gescannte Dias. Die Folgefrage war dann stets: Wann machen Sie denn mal wieder einen echten Diavortrag?
dfp: …gute Frage…
NR: …die schnell beantwortet ist: Ende September habe ich im Rahmen der Leica Experience Days im Leica Store Wetzlar zwei Vorträge aus echten Dias mit Leica Pradovit Diaprojektoren zum Thema „Norbert Rosing 30 Jahre Leica Fotografie“ gehalten. Die Bilder zeigen einen Querschnitt meiner analogen Arbeiten der letzten 30 Jahre aufgenommen mit Leica Kameras und Objektiven. Zur Vorführung kamen zwei Karussell-Magazine mit jeweils 80 Dias. Der Eintritt war frei und das Ganze war ein Experiment im Rahmen des Schwerpunktthemas „Analoge Fotografie“, die ja für Leica auch heute noch eine wichtige Rolle spielt. Ich war überrascht, wie gut das ankommt. Auf alle Fälle halte ich ihn am 24.5. 2020 beim Umweltfotofestival horizonte in Zingst in der Multimedia Halle noch einmal.
Ehefrau Elli Rosing am Leuchttisch bei der Bildauswahl.
dfp: Spielt für Sie denn auch der Nimbus einer Marke und das Design bei der Wahl ihres Equipments eine Rolle?
NR: An erster Stelle steht natürlich immer die Frage: Wie gut eignet sich eine Kamera, ein Objektiv oder ein Zubehör für die Bewältigung einer Aufgabe, sprich zur Realisierung eines bestimmten Fotos. Da stehen Leistungsfähigkeit, Qualität und Handling im Vordergrund. Aber selbstverständlich spielt es auch eine Rolle, wie gern ich ein Gerät in die Hand nehme. Da haben die Produkte der Marke Leica schon eine besondere Anziehungskraft für mich.
dfp: Inwiefern beeinflusst die Technik den Stil von Fotografen?
NR: Das sehe ich ganz deutlich bei meiner Aufgabe, die Vorträge für die Multivisionsschauen beim Umweltfotofestival „horizonte Zingst“ zu finden und vorzuschlagen. Da kommen heute von der Aufnahme bis zur Zusammenstellung der Beiträge und der Präsentation völlig neue Techniken zum Einsatz, die ganz andere Sehweisen ermöglichen und total andere Erlebnisse vermitteln. Ob sich das nun in einer immer häufiger genutzten Mischung von Steh- und Bewegtbildern also von Foto und Video ausdrückt, ob es um atemberaubende Luftaufnahmen mit Drohnen geht oder um 360° Video-Sequenzen, die den Betrachter in ihren Bann ziehen und mitreißen. Da gibt es dramatische Unterschiede. Das sagt allerdings von vornherein wenig über die Qualität aus. Ein, sagen wir einmal salopp, mit altmodischen Mittel erstellter Vortag kann durchaus genauso spannend sein, wie ein mit modernster Technik und überraschenden, visuellen Überraschungen vollgestopfte Präsentation mit einem Gewitter an nie gesehenen Effekte.
Norbert Rosing mit seiner analogen Leica R.
dfp: Gibt es ihrer Meinung nach so etwas wie eine Renaissance der analogen Fotografie?
NR: Eine Renaissance ist sicherlich übertrieben. Aber es gibt immer Menschen, die gern an liebgewonnener Technik festhalten. Ich selbst liebe zum Beispiel Vinyl Schallplatte, die seit einiger Zeit wieder bei einer bestimmten Klientel in Mode gekommen sind. Nicht ganz so sehe ich das bei der Analogfotografie, die nach wie vor ihre Anhängerschaft und auch einen ganz speziellen Reiz hat. Für mich ist sie ein anderes, ganz eigenes Medium für bestimmte Bildaussagen, das ich nach wie vor sehr gern nutze. Aber lassen Sie mich ein ganz persönliches Erlebnis zum Thema Analogfotografie erzählen: Im letzten Winter habe ich im Harz fotografiert. Dabei musste ich den Film wechseln. Als ich die Rückwand meiner Leica R öffnete, haben das zwei junge Fotografen neben mir gesehen und kamen zu mir rüber und fragten: Was machen Sie denn da. Sie machen ja die Kamera kaputt, wenn die die Rückwand aufmachen. Da habe ich denen erklärt, dass ich mit Film fotografiere. Das fanden die beiden total spannend. Sie haben ihr Motiv, Motiv sein lassen und nur noch mir zugeschaut. Digital fotografiert heute praktisch jeder und viele, die den Film wieder entdecken, wollen sich auch nur von der Masse der Fotografen abheben und einen eigenen Stil entwickeln. Menschen sind immer auf der Suche nach dem Neuen. Für viele ist in diesem Fall das Alte das Neue.
dfp: Für gestandene Analogfotografen wie Sie wird dieses Genres wohl nicht mehr viel Neues bringen?
NR: Nein, neue Filmtypen wird es wohl nicht mehr geben. Die Filmentwicklung ist komplex und das Fotografieren auf Film sehr teuer geworden. Allein ein Dia, fertig gerahmt auf dem Leuchttisch, kostet mich einen Euro.
Norbert Rosing setzt auf teures Equipment, weil der
Wertverlust dieser Geräte geringer ist.
dfp: Nun war Fotografieren für Sie immer teuer. Wie ihr Vortrag ja sagt, fotografieren Sie seit 30 Jahren mit Leica, einer Marke, die nicht gerade für ihre niedrigen Preise bekannt ist.
NR: Ich habe immer mit teuren Marken fotografiert, weil mir die billigen letztendlich zu teuer waren!
dfp: Wie das denn?
NR: Ich fotografiere wie gesagt seit 30 Jahren mit Leica R und neuerdings auch mit M Kameras. Die Objektive haben bis heute so gut wie keinen Wertverlust. Die Kameras schon. Gerade die Spezialobjektive, die ich von Leica besitze, nutze ich heute noch, zum Teil auch an meinen Digitalkameras. Dadurch ist das Geld, das ich immer wieder in hochwertige Objektive investiert habe, praktisch immer noch da. Wenn ich heute meine R-Ausrüstung verkaufe, würde ich immer noch mindestens 50 Prozent des damaligen Kaufpreises erzielen. Für die Spezialobjektive mindestens den Kaufpreis. Das gibt es bei keiner anderen Firma.
dfp: Aber allein wirtschaftliche Überlegungen können ja wohl nicht ausschlaggebend gewesen sein?
NR: Nein, ein sehr wichtiges Argument für mich war neben der hohen Lichtstärke, Schärfe und der gesamten Abbildungsleistung, die durch gehende konstante Farbgebung der Wechselobjektive. In meinen Vorträgen war anders als bei Fotografen anderer Marken nie ein Farbsprung zu sehen weil ich für eine Bildserie das Objektiv gewechselt habe.
dfp: Das muss heute in der Digitalfotografie auch nicht mehr sein, da lässt sich durch Farbmanagement oder sogenannte Look-up Tables schnell und einfach ein einheitlicher Farbstil erzeugen.
NR: Das stimmt, aber wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich meist auch digital so fotografiere, wie ich analog fotografiert habe. Ich mache kaum etwas in der Nachbearbeitung, Ich mache keine Ausschnitte, nutze keine digitalen Filter sondern versuche, dass auch meine digitalen Bilder fertig aus der Kamera kommen.
Extreme Temperaturen – eine der größten Herausforderungen
für Fotografen und das Equipment .
dfp: Was sind denn für Sie die entscheidenden Änderungen in ihrem Spezialgebiet der Naturfotografie?
NR: Die äußern sich für mich weniger in fototechnischen Veränderungen als in den sich ändernden Bedingungen in der Natur. Früher war es nötig das Verhalten der Tiere genauestens zu studieren und zu kennen. Da habe ich mich auf den Wissensschatz der Inuit gestützt, um herauszufinden, wo welche Tiere zu welcher Jahreszeit standen. Heute, wo Wissenschaftler mit Funkhalsbändern die Bewegungen der Tiere verfolgen, schauen die Guides auf ihren Laptop, um herauszufinden, wo sich das Leittier befindet und dann fährt man dahin. Wer heute irgendwo auf der Welt ein Rudel oder eine Herde von Wildtieren fotografieren möchte, wird das kaum tun können, ohne dass er auch ein paar Tiere mit Radio Collar (Funkhalsbändern Anm. der Redaktion) mit auf dem Bild hat. Das ist in den Abbildungen der großen Naturzeitschriften immer häufiger zu erkennen.
Warten können; eine der Grundtugenden von Naturfotografen.
dfp: Ein beliebtes Genre in der anspruchsvollen Fotografie, vor allen bei den Fotokünstlern, sind Schwarzweißaufnahmen, die Sie ja auch wieder für sich entdeckt haben. Überraschenderweise fotografieren Sie hier nicht auf Film, sondern setzten beispielsweise für Ihr letztes Schwarzweißbuch „Wildnis“ ausschließlich die digitale Leica M Monochrome ein. Warum?
NR: Das zeigt doch deutlich, dass es mir nicht um analog oder digital geht, sondern um das für mich am besten geeignete Werkzeug zur Bewältigung einer Aufgabe. Eine bessere Qualität als sie die Aufnahmen einer Leica M Monochrome liefert, ist mir noch nicht begegnet.
dfp: Worin äußert sich die?
NR: Das sind die überragende Schärfe, der präzise steuerbare Kontrast und die einzigartige Abstufung der Tonwerte.
dfp: Viele Fotografen empfinden das Fotografieren mit M-Kameras – seien sie nun analog oder digital – als umständlich. Einige kommen auch mit der Scharfstellung über das Messsuchersystem nicht klar?
NR: Das geh mir auch so. Aber für mich sind die Ergebnisse einfach unschlagbar. Zudem muss man wissen, dass die sicherste Methode die Scharfstellung über das Display ist.
dfp: Das ist einfach gesagt. Aber wie soll das bei gleißendem Sonnenlicht gehen?
NR: So eine Situation hatte ich im letzten Winter beim Fotografieren im Grand Canyon, wo das vom Schnee reflektierte Sonnenlicht eine präzise Scharfstellung nahezu unmöglich machte. Dahaben wir uns aus dem Restaurant unseres Hotels ein paar schwarze Servietten geben lassen. Die haben wir zusammengenäht und uns wie früher beim Fotografieren mit einer Plattenkamera über den Kopf gehängt. Der Aufwand war es wert. Die Bilder sind super geworden! Manchmal ist für eine gute Aufnahme eben mehr erforderlich als die beste Kamera!
dfp: Herr Rosing, herzlichen Dank für das Gespräch!