In 33 Ausstellungen zeigt La Gacilly-Baden Photo 2020 unter dem Motto „Im Osten viel Neues“ hervorragende Bilderwelten. Wir waren erstaunt wieviel unterschiedliche Aspekte das Thema bietet: Sowohl zahlreiche Fotografen aus Osteuropa als auch aus dem Westen zeigten ihren Blick nach Osten.Großartig die beiden Ausstellungen von Gerd Ludwig, dessen Blick von Westen nach Osten in zwei Ausstellungen, „Moskau im Wandel“ und „Der lange Schatten von Tschernobyl“, gezeigt wird. Auch lokale Fotografie kam nicht zu kurz und wurde von den Fotografien der 13 Niederösterreichischen Schulen und der Landesinnung der Berufsfotografen Niederösterreich vorgestellt.
Oft ging es in der Datellung des Ostens darum, uns das Leben und die Gefühle der Menschen unser östlichen Nachbarn nahezubringen. Wie sind die Lebensumstände, was beinflusst den Fortgang der Geschichte, wie gestaltet sich der Alltag in unterschidlchen Regionen – wir waren von dem Blick in Welten, die uns zum größten Teil unbekannt waren, hingerissen. Hier ein Blick auf einige der vielen Ausstellungen:
„Die zentrale Frage meiner Arbeit ist die Frage nach dem Begriff der Nation“, erklärt Justyna Mielnikiewicz, die Weltbürgerin, in Polen geboren und Georgierin im Herzen, die diese beiden Nachbarn Russlands mit der Kamera studiert hat. Die Fotografin, die Mitglied der jungen Agentur MAPS ist, lebt in Tiflis und erhielt ein Eugene W. Smith Stipendium und war Gewinnerin des 2015 Aftermath Projects.
„Die russische Seele ist eine Erfindung von Dostojewski“, so Sergej Maximischin. Seit dem Ende der Sowjetzeit dokumentiert er mit seinen Aufnahmen die ganze Widersprüchlichkeit seines Volkes. „Russland ist ein Land ohne Decke und Boden“, wie er es gerne ausdrückt. „Genialität und Dummheit, Armut und Reichtum, Niedertracht und Edelmut, das Gute und das Böse – alles findet sich hier in maßlosen Ausprägungen. Es geht mir nicht darum, ein idyllisches Russland zu beschreiben. Ich ziehe es vor, die besorgniserregenden Aspekte zu zeigen: die Entstehung der Ultra-Rechten, Alkoholismus, Religion, Tschetschenien oder Macht.“
EIn Erlebnis der besonderen Art war für uns bei rund 30 Grad Hitze die Ausstellung „Leben in eisiger Kälte“. In der russischen Stadt Norilsk fällt das Thermometer im Dezember auf -40°C und es gibt an 130 Tagen im Jahr Schneestürme. „Dies ist die zweitgrößte Stadt nördlich des Polarkreises“, erklärt die Fotografin Elena Chernyshova. „Ein faszinierender Ort, wo die Polarnacht 60 Tage andauert.“ Sie beschreibt in faszinierenden Bildern den Alltag in der Stadt Norisk, die nur mit einem vom FSB, dem russischen Inlands-geheimdienst, unterschriebenen Pass zugänglich ist.
„Wir haben es uns angewöhnt, eine Fotografie nur in einem bestimmten Kontext zu sehen“, sinniert Alexander Gronsky. „Doch eine Fotografie hat ihr eigenes Gewicht, erfüllt ihren Zweck außerhalb dieses Kontextes. Eine gute Fotografie ist jene, die eine Frage aufwirft.“
In seinen Fotografien zeigt Gronsky Moskauer, die gemessen an unserem heutigen Standard, mit brutalen Lebensräumen zurecht kommen müssen: Wie können diese Familien ihre Sonntage in einem Park verbringen, hinter dem die Schornsteine eines Atomkraftwerks in den Himmel ragen? Der Künstler macht sich über unsere Vorurteile lustig und fragt, was ist Schönheit? Was ist Hässlichkeit?
„Eines Tages besuchte ich meine Großmutter, die in einer abgelegenen Stadt lebte, deren Existenz einst verschwiegen wurde“, erzählt Danila Tkaschenko. „An diesem Ort wurde die allererste sowjetische Atombombe entwickelt. In den 1960er-Jahren kam es zu einer nuklearen Katastrophe, die jedoch von den Behörden als Militärgeheimnis eingestuft wurde. Ich habe das erste Foto meines Projekts ‘Restricted Areas’ dort aufgenommen.“
Der Fotokünstler Tkaschenko wurde für seine Arbeiten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Er hat Orte besucht, deren Errichtung sich auf dem Glauben an den technologischen Fortschritt gründete. Geheime Städte, die auf keiner Karte verzeichnet sind. Monumente, die einst Symbole der Macht des Sowjetstaats waren.
„Als engagierte Fotografen berichten wir über menschliche Tragödien im Angesicht von Katastrophen und begeben uns auf gefährliches Terrain, obwohl wir wissen, dass damit Risiken verbunden sind. Uns treibt dabei die Verpflichtung, im Namen von stummen Opfern zu handeln. Meine Fotos sind jenen gewidmet, die bereit waren, ihr Leid öffentlich zu machen – beseelt von der Hoffnung damit beizutragen, Tragödien wie die von Tschernobyl zukünftig zu verhindern,“ äußert sich der berühmte National Geographic Fotograf Gerd Ludwig, der Tschernobyl in den vergangenen 25 Jahren mehr als zehnmal besucht hat und tiefer als jeder andere Fotograf in den Reaktor vorgedrungen ist. Das Motiv zeigt ein Mädchen, die in ihrem rechten Auge das Warnzeichen vor Radioaktivität als Kontaktlinse trägt.
Wie extra für das in große wundervoll gepflegte Parks gelegene Baden geschaffen sind die poetischen Bilder der Künstlerin Maia Flore. „Es ist ein von Grund auf erschaffenes Universum, in dem ich die Fotografie einsetze“, beschreibt die Autorin und Künstlerin Maia Flore ihre Herangehensweise. „Aber am Ende erscheint alles eher wie ein Gemälde oder eine Collage. Es ist eine Ideensammlung. Ich sammle Fotografien, die ich dann zusammensetze, um sie zu einem Teil meines Universums zu machen, irgendwo zwischen Phantasie und Wirklichkeit.“
Kaum Jemand, der sich nicht von der faszinierenden Unterwasserwelt betören ließe. Entstanden sind die traumhaften Bilder in der Zusammenarbeit zwischen Franck Seguin, dem leitenden Fotoredakteur der Zeitschrift l’Equipe, und Guillaume Néry einem der weltbekanntesten Apnoetaucher. Ihre fotografischen Streifzüge durch die Meere sind ein Aufruf, den Planeten zu schützen und ein Versuch, die Öffentlichkeit auf die Verletzlichkeit der Ozeane aufmerksam zu machen.
Einen Blick in die ehemalige DDR bietet die Ausstellung Ute Mahler, Werner Mahler und Sibylle Bergemann im Kaiserhaus Garten. Diese drei Fotografen waren das Herz der Fotografie im Osten und stilprägend. Ute und Werner Mahler vermitteln mit ihren Motiven ein intensives Porträt von Ostdeutschland. Das Paar gehört zu den Gründern der angesehenen Bildagentur Ostkreuz. 2000 ist Ute Mahler Professorin für Fotografie, Werner Mahler leitet als Geschäftführer die Agentur.
Auch Sibylle Bergeman, die vor zehn Jahren verstarb, gehörte zu den Gründern von Ostkreuz und fotografierte intensiv für „Sibylle“ die wichtigste Frauenzeitschrift der DDR. Ihr fotograischer Nachlass ist mehr als beeindruckend. Er wird heute von ihrer Tochter Frieda von Wild gemeinsam mit Enkelin Lily und der Loock Galerie verwaltet. Bei einer Abendveranstaltung in Baden sprach Frieda von Wild einfühlsam über die Bilder ihrer Mutter und die Fotografie in Ostdeutschland – ein bemerkenswerte Satz von ihr „Wir haben hinter der Mauer gewohnt, aber nicht hinter dem Mond“.
Kunst macht hungrig und durstig und was wäre Österreich ohne Café Besuch? Direkt neben den Ausstellungen im Kaiserhaus Garten lockt das Cafe mit einer großen Eiskarte und himmlischen Törtchen. Dann noch ein kleiner Blick in die Vergangenheit Badens, in der Spargassepassage erinnern die historishcen Bilder von Anton Schiestl an das Baden vor 100 Jahren.
Jedes Jahr verschwinden Weltweit 13 Millionen Hektar Wald. Der Kampf zur Rettung der Wälder auf unserem Planeten findet auch mitten in Europa wie zum Beispiel in Rumänien und Polen statt. Die Fondation Yves Rocher, ein engagierter Partner mehrerer Organisationen wie dem WWF in Ungarn, beauftragte Guillaume Herbaut, einen treuen Weggefährte des Festivals und Fotojournalist, diese tragischen Gebiete in Osteuropa aufzusuchen. Dies sollte die weltweite Initiative der Fondation, bis 2020 100 Millionen Bäume zu pflanzen, dokumentieren.
Zuletzt eine unserer Lieblingsausstellungen – #DUBISTKUNST im Dobelhoffpark. Jeder Mensch kann ein Künstler sein, hat Joseph Beuys einmal gesagt und damit den Dichter Novalis zitiert. Unter dem Titel „#dubistkunst“ rief der „kulturMontag“ gemeinsam mit Albertina, Belvedere, Kunsthistorisches Museum, Lentos und MUMOK ganz Österreich zum schöpferischen Mitmachen auf. Erstaunlich wieviele gut Ideen dabei herauskamen,
Ob Albrecht Dürers weltberühmter Hase oder Peter Paul Rubens dramatische Darstellung „Das Haupt der Medusa“. Die Nachbildungen von -Gemälden, Skulpturen oder Performances von Klassikern der Kunstgeschichte sorgen für Furore. Kunsthistoriker kennen diese Praxis unter dem Fachbegriff „Tableaux vivants“, also „Lebende Gemälde“. Das Nachstellen berühmter Bilder mit echten Personen war schon in der Renaissance- und Barockzeit ein echter Party-Hit. Auch in der zeitgenössischen Fotografie – siehe David LaChapelle oder Cindy Sherman – erfreut sich diese Methode reger Beliebtheit.
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Großer Dank gebührt für dieses Festival dem Initiator Lois Lammerhuber und seinem Team. Er hat es mit dem Festival fertig gebracht einen neuen Hotspot der Fotografie zu etablieren, dessen Besuch für Fotografen und Fotobegeisterte ein fester Termin im Jahresfotokalender ist.