![](/_eigene_dateien/News/Kultur2013/09_September-13/Shanghai_360.jpg)
In diesem Spätsommer kann man Großstadtfotografie in einer völlig neuen Dimension erleben: Anstatt von außen auf flache Bilder zu schauen, können Betrachter nun im wahrsten Sinne des Wortes in die Bilder (und damit die gezeigten Städte) eintauchen. Möglich machen dies Panorama-Rotunden, wie sie im 19. Jahrhundert entstanden. Diese Technik wird nun mit hochauflösenden, digital zusammengesetzten Großbildern neu belebt von dem deutschen Fotokünstler HG Esch, dessen einmalige Stadt- und Architekturfotografie schon in den Zyklen „Cities Unknown“, „Mega-Cities“ und „Cities and Structure“ viele Betrachter für die Faszination, die von den großen Städten unserer Zeit in aller Welt ausgeht, sensibilisiert hat. Im Spätsommer 2013 ist mit Shanghai eine Metropole in einer Foto-Rotunden zu sehen, deren Skyline symbolisch für das Stadtwachstum des 19. und des 20. Jahrhunderts steht.
Die Skyline von Shanghai wird in New York während der Shanghai-Woche (16.-21.9.) direkt vor dem Rockefeller Center präsentiert (Eröffnung am 19.9.). Die faszinierende Aufnahme der boomenden Skyline von Shanghai wurde vom Jin Mao Tower aus fotografiert. Dieser markante Turm dient sonst als Fixpunkt in der Skyline des Neubauviertels von Pudong am anderen Ufer des Huangpu-Flusses. In der 360-Grad-Aufnahme ist er dennoch sichtbar: In der Spiegelung des benachbarten World Financial Centers.
Zum Ausstellungsort:
Für HG Eschs Großstadtfotografie gibt es keinen geeigneteren Ausstellungsort in New York als das Rockefeller Center in Manhattan. Das städtebaulich einmalige Ensemble aus 21 Hochhäusern von John D. Rockefeller im Art-Déco-Stil wurde 1931 nach Entwurf von Raymond Hood gebaut. Als neuer Typus urbaner Architektur im Zentrum der Metropole. Die Rotunde wird direkt vor den weißen Kalkstein-Fassaden des General Electric Buildings aufgestellt, das sowohl das höchste als auch das bekannteste Gebäude des Rockefeller Centers ist – vor der weltberühmten Prometheus-Statue an der Lower Plaza, die im Winter als Eislaufbahn und im Sommer als Konzertplatz genutzt wird. Unterstützt wird das Projekt von der Firma Tishman Speyer Properties, die das Rockefeller Center 1999 erwarb. Mit-Initiator sind die Leica Galerie Salzburg das Information Office of Shanghai.
Das entrahmte Bild – Zur Kultur des Panoramas
Walter Benjamin hat Panoramen einst treffend als „Aquarien der Ferne und Vergangenheit“ bezeichnet. Dass HG Esch ausgerechnet die Schönheit und Hässlichkeit der großen Städte der Welt ungeschminkt in seinen Panoramen zeigt, ist ein interessanter Zirkelschluss der Geschichte: Denn die Kultur der Panoramen (gr. „pan-horama“, All-Sicht) ist ein kulturelles Phänomen des aufkommendes Bürgertums in den schnell wachsenden Städten des 19. Jahrhunderts. Zwischen Kunst, Unterhaltung und Wissenschaft angesiedelt, boten die Panoramen einem urbanen Massenpublikum bleibende Eindrücke von Landschaften und Ereignissen. Die kolossalen Rundbilder unterhielten das Publikum bald in allen größeren Städten Europas. Panoramen gelten als populäre Unterhaltungsform als erstes optisches Massenmedium. Die Urbanisierung förderte die Neugierde der Bürger auf die Orte und Ereignisse der weiten Welt. Es war eine Reise mit den Augen an unbekannte Schauplätze. Durch ihren Realismus sind Panoramen für jeden verständlich. Während der Blick des Betrachters rundum frei über die ihn umgebende Leinwand gleiten kann, stellt sich für den Besucher die perfekte und verblüffende Illusion ein, er sei an den dargestellten Ort versetzt worden. Panoramen gelten als „demokratische“ Kunstform, weil sie unzählige Augpunkte und damit Betrachterstandpunkte erlauben (sog. „Poly-Perspektive“). Die Kultur der Panoramen gilt als Vorläufer des modernen Kinos, weil sie die Anteilnahme an unbekannten Orten und Ereignissen ermöglichte.
Das Vergnügen des Sehens
HG Eschs Zylinder bieten Betrachtern eine Plattform in der Mitte der Rotunden, sind aber nach oben geöffnet. Das Besondere an diesem intensiven Bild-Erlebnis ist die immersive Umgebung: Man kann in die Bilder förmlich eintauchen und dank der hohen Auflösung selbst kleinste Details entdecken. Das Bild wird am Computer zusammengefügt und auf große Metallbahnen gedruckt. Die langen Bildstreifen ergeben eine 360°-Rundumsicht. Beim Panorama fallen alle Betrachterstandpunkte gegenüber dem Horizont in eins; durch die Kreisform ergeben sich unendlich viele Brennpunkte der Betrachtung. Der Eindruck ist unmittelbar, umfassend und täuschend echt. Der Besucher kann den Blick so schweifen lassen, als befände er sich am Ort des Geschehens, mitten im Hochhauswald von New York-Manhattan und Shanghai-Pudong!
Die Rotunden-Bilder von HG Esch sind aus 60 Aufnahmen (je 20 nebeneinander und drei übereinander), die innerhalb kürzester Zeit aufgenommen wurden, zusammengesetzt.
Weltweit wachsen in galoppierendem Tempo Mega-Städte heran, wie sie die Menschheit noch nie gesehen hat: Sie sind bereits die Heimat von zwei Milliarden Menschen. HG Eschs einzigartige Stadtfotografie zeigt die Städte so, wie sie sind. beklemmend und anziehend zugleich. Man meint, den neuen Metropolen beim Wachsen zusehen zu können. Mega-Cities wie New York oder Shanghai wachsen in den Himmel und werden zugleich zum Labor der städtischen Zukunft im 21. Jahrhundert, das auch das „urbane“ Jahrhundert genannt wird.
Hans Georg Esch, geboren 1964 in Neuwied, absolvierte eine klassische Fotoausbildung. Seit 1989 arbeitet er als freischaffender Architekturfotograf für nationale und internationale Architekturbüros und zählt heute zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs. Neben Auftragsarbeiten ist dabei ein eigenständiges Oeuvre freier künstlerischer Arbeit entstanden, in dem Esch seinen Blick auf die gesamte Stadt öffnet. Bekannt wurden seine international ausgestellten und in Buchpublikationen veröffentlichte Serien. Esch lebt und arbeitet in Hennef/Stadt Blankenberg.
Ulf Meyer