Klein und handlich: Das Reflex 300 mm F6.3 MF Macro von Tokina.
Zugegeben, es ist schon verführerisch mit einem Super-Tele-Objektiv wie dem Tokina Reflex 300mm F6,3 MF Macro aus der freien Hand zu fotografieren. Es ist leicht, kompakt und liegt wunderbar in der Hand. Der breite Schärfenring lässt sich gut greifen. Allerdings scheint er auf den ersten Eindruck etwas streng eingestellt. In der Praxis erweist sich das dann aber als genau richtig, denn es sind winzige Einstellveränderungen, die das anvisierte Objekt wieder aus der optimalen Schärfe verschwinden lassen. Bei einer festen Blende von 6,3 und dem großen Abbildungsmaßstab ist der Schärfenbereich recht eng und der Fotograf muss sehr genau auf die bildwichtigen Details scharfstellen. Aber genau darin liegt ja auch der Reiz des Fotografierens mit großer Blendenöffnung und langer Brennweite, das man unwichtige Elemente in der Unschärfe versschwinden lassen kann.
Unsere Testkameras: Lumix G3 und Olympus OM-D EM5.
Trotz der Kompaktheit empfehlen wir jedem, der noch keine Praxiserfahrungen mit diesem Objektiv hat, mit einem sehr stabilen Stativ zu arbeiten und mit ruhigen Motiven zu trainieren, wenn er sich nicht durch zahlreiche unscharfe Bilder die Freude an diesem großartigen Objektiv verderben möchte. Das gilt für Fernaufnahmen ebenso wie für Aufnahmen im Nahbereich.
Beginnen wir mit den Nahaufnahmen. Das gibt es einen Trick, um dennoch aus der Hand relativ einfach zu großartigen Ergebnissen zu kommen: Das Objektiv wird einfach auf die kürzeste oder eine andere beliebige Entfernung eingestellt und der Fotograf nähert sich mit der Kamera dem Motiv, bis es optimal scharf im Sucher oder auf dem Monitor erscheint. Wir haben das Objektiv sowohl mit einer Panasonic Lumix G3 als auch mit einer Olympus OM-D Kamera ausprobiert. Beide Kameras bieten die Möglichkeit mit der Lupenfunktion im LiveView einen nochmals vergrößerten Bildausschnitt anzuzeigen. Der wackelt bei Freihandaufnahmen mit dieser Brennweite allerdings so stark, dass er sich sinnvoll eigentlich nur beim Fotografieren mit einem sehr stabilen Stativ nutzen lässt. Bei Freihandaufnahmen aus der Nähe, ist der oben beschriebene Weg der Annäherung bis das Objekt scharf im Sucher erscheint wohl der beste. Die kürzeste Aufnahmedistanz mit dem Tokina Reflex beträgt nur 80 Zentimeter. Das ermöglicht einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:2, was mit Bauart mit dieser Brennweite und Lichtstäre nicht zu erreichen ist.
Regelmäßige und unregelmäßige Strukturen werden sauber, klar und störungsfrei abgebildet.
Um aus freier Hand zu gestochen scharfen Aufnahmen ohne Verwacklungsunschärfe mit diesem Objektiv zu gelangen sind extrem kurze Verschlusszeiten gefragt, die in der Digitalfotografie wegen der geringen Größe der Pixel nochmals kürzer sein sollten als es die aus der analogen Fotografie her bekannte Regel (längste Verschlusszeit der Kehrwert der KB-Brennweite, in diesem Fall z.B. 1/600s)vorgibt. Richtig scharfe Fotos aus der Hand haben wir mit der Lumix G3 erst ab 1/1000 Sekunde und kürzer erreicht. Bei der OM-D hilft etwas der kamera-interne Bildstabilisator. Allerdings hatten wir den Eindruck, dass er bei ultrakurzen Belichtungszeiten kaum noch eingreift. Beim Fotografieren mit längeren Belichtungszeiten, etwa 1/500 Sekunde waren die Bilder mit Stabilisation zwar scharf aber es fehlt irgendwie der letzte Schmelz.
Die ungewöhnliche Kompaktheit des Objektivs wird durch seine besondere Spiegelkonstruktion möglich. Durch die Umlenkung des Lichts über Spiegel wird der Strahlengang für die Projektion des Bildes zum Sensor praktisch gefaltet. Nur so wurde die extrem kurze Baulänge von nur 66 Millimetern bei einem Durchmesser von ebenfalls 66 Millimetern möglich. Auch das Gewicht ist mit nicht einmal 300 Gramm verschwindend gering. Die Verarbeitung des Objektivs mit Metalltubus und Metallbajonett wirkt solide und zuverlässig. Davon ist auch der Hersteller absolut überzeugt, der eine Garantie von 5 Jahren gewährt.
Linsenschnitt des Reflex 300mm f6.3 MF Macro von Tokina.
Der Spiegelkonstruktion verdankt das Reflexobjektiv auch die nahezu vollständige Unterdrückung von chromatischen Aberrationen, wie sich bei anderen Teleobjektiven nur durch sehr aufwändige Konstruktionen unterdrücken lassen. Durch kompakte Bauweise eignet sich das Objektiv trotz seiner langen Brennweite für den Einsatz auf Reisen, für die Vogelbeobachtung und das Fotografieren von Tieren in freier Wildbahn. Aber auch für ungewöhnliche Porträt- und Reportage-Aufnahmen ist dieses unauffällige Objektiv hervorragend geeignet. Für den optischen Aufbau werden sieben Elemente in drei Gruppen verbaut. Typisch für die Spiegelkonstruktion ist die Abbildung von Reflexen im Unschärfebereich als Kreise, was den Bildern ihre ganz eigene Charakteristik verleiht.
Besonders im Bild rechts zeigen sich die typischen Unschärfekreise von Reflexobjektiven.
Die Spiegelkonstruktion bewirkt auch, dass es keine variable Blende gibt. Wenn mit hoher ISO-Empfindlichkeit fotografiert werden soll und die kürzeste Verschlusszeit noch zu lang ist oder wenn bewusst eine Langzeitbelichtung bei zu großer Umgebungshelligkeit erzielt werden soll, kann dies durch den Einsatz von Neutral-Dichtefilter mit einem Gewindedurchmesser von 55mm erreicht werden.
Da das Objektiv über eine feste Blendeneinstellung verfügt, kann nur die Zeitautomatik für eine automatische Belichtungssteuerung genutzt werden. Natürlich ist auch die manuelle Wahl von Zeit und Blende möglich. Auch in dieser Betriebsart kann bei der Wahl der ISO Auto Funktion die ISO-Empfindlichkeit entsprechend der Vorwahl von Zeit und Blende für eine korrekte Belichtung automatisch eingestellt werden.
Nah ran von weit weg: Detailaufnahmen aus dem Tempelfries ganz rechts.
Fazit:
Das Tokina Reflex 300 mm F6.3 MF Macro ist ein optimales Reiseobjektiv, das Fernaufnahmen ebenso ermöglicht wie Fotos im Macrobereich. Es ist hervorragend verarbeitet und liefert Aufnahmen mit hoher Brillanz und Schärfe. Wegen der langen Brennweite und des großen Abbildungsmaßstabes muss die Schärfe äußerst präzise gewählt werden. Es ist kein Objektiv für schnelle Schnappschüsse und sollte, wenn immer möglich mit einem Stativ eingesetzt werden, um die hohe Qualität zu realisieren, die dieses Objektiv ermöglicht. Dazu trägt übrigens auch die zum Lieferumfang gehörende große Streulichtblende bei.
Technische Daten
Tokina Reflex 300 mm F6.3 für MicroFourThirds Kameras
Brennweite: 300 mm (600 mm KB-Äquivalent)
Blende (fix): 6,3
Baulänge: 66 mm
Max. Durchmesser: 66 mm
Gewicht: 298 Gramm
Konstruktion: 7 Elemente in 3 Gruppen
Naheinstellgrenze: 0,8 Meter
Fokussierung: manuell
Filter: 55 mm Filtergewinde
Anschluss: MicroFourThirds
Garantie: 5 Jahre