Die neue Leica M10-R gibt es in Silber und Schwarz.
Es war das erste Präsenz-Event für eine „Sneak Preview“ aus Anlass eines Produkt-Launches der Kamera-Industrie in den Zeiten von Corona. Geladen hatte die Leica Camera GmbH, also die Deutschland Vertretung der Leica Camera AG, in die Leica Welt im Leitz Park in Wetzlar. Das Meeting der sich überschneidenden Leica- und Fachjournalistenfamilien war zwar nicht ganz so glanzvoll mit Weltstars wie Christoph Walz garniert wie bei dem weltweiten Online Vorstellung zwei Tage später aber dafür mit den Spitzen aus Geschäftsführung, Presse, Marketing und Vertrieb sowie mit Referenten der Leica Akademie besetzt. Letztere standen nicht zuletzt auch den Leica M-Novizen unter den Fachjournalisten dezent bei ihrer Erstbegegnung mit einer Messsucherkamera bei. Statt Hollywood Glamour war Forsthaus Romantik geboten und die Konzentration lag voll auf dem „Wesentlichen“ , dem tatsächlichen Star des Nachmittags: der Leica M10-R, dem jüngsten Modell der ewig jungen M-Linie, die seit 1954 die Fotowelt ebenso begeistert wie polarisiert.
Das vermutlich am häufigsten fotografierte Motiv während der Leica M10-R Preview im romantischen Forsthaus Altenberg: Es symbolisiert „Feuer & Flamme“ oder „Asche und Diamant“ ebenso wie die „Glut unter der Asche“.
Doch in einem sind sich Fans und Verweigerer der Messsucher-Fotografie einig. Es gibt keine Kamera oder Modellreihe, deren Nimbus und Ausstrahlung sich mit einer Leica Messsucherkamera messen könnte. Ich habe ja gewarnt, dieser Artikel ist subjektiv.
Für jemanden, der es seit über 40 Jahren gewohnt ist, mit M-Kameras seien sie nun analog oder digital zu fotografieren, brauchte es für die nachmittäglichen bis abendlichen Praxisübungen mit dem neuen 40 Megapixel Flaggschiff keine Eingewöhnung. Die Bedienung ist bekannt, der Funktionsumfang wurde gar reduziert. Die Videofunktion weggelassen mit dem „Killer-Argument“, die Kunden hätten es so gewünscht. Schade, denn fraglich bleibt, ob potenziell neue Kunden diese wahre Revolution der Digitalfotografie, also das Zusammenwachsen von Steh- und Bewegtbild auch so sehen? Ich wage es zu bezweifeln. (Erfahren Sie etwas mehr dazu in meinem Interview mit dem Bereichsleiter der Kameraentwicklung Stefan Daniel auf dieser Webseite, der dort auch die Gründe für das Beharren auf einer manuellen Fokussierung erläutert).
Feinste Farbnuancen und Strukturen sind die Stärke der Leica M10-R.
Es ist immer wieder verwunderlich, wenn selbst gestandene Fotografen, die das erste Mal eine Leica M in die Hand nehmen, etwas unbeholfen in die Gegend schauen. Dabei ist das Bedienkonzept der Kamera ausgesprochen einfach. Eine halbe Stunde intensive Einführung würden genügen, um Neulingen die Scheu oder auch nur den Respekt vor dieser Kamera in Neugierde, Entdeckungsfreude und Begeisterung zu verwandeln, hört man von den Referenten der Leica Akademie, die als Übungsparcours für die Gruppe einen Fotospaziergang vom Forsthaus Altenberg, einer rustikalen Dependance der Akademie, über das Hofgut Altenberg zum Kloster Altenberg mit seinen wunderschönen Bauerngärten vorgesehen hatten. Motive gab es in Hülle und Fülle. Dabei war es für die Leica Geübten unter den Gästen, die einen Ersteindruck von der Leica M10-R gewinnen sollten, nicht verwunderlich, dass sich die Art des Fotografierens, der Kamera anpasste und nicht umgekehrt die Kamera einfach Alles übernahm.
Minimalistisch auch die Konzentration auf das Wesentliche
beim Bedienkonzept der Leica M10-R.
Obwohl noch immer das Vorurteil die Szene beherrscht, die Leica M-sei eine schnelle Reportage-Kamera, wurde deutlich, dass der Erfolg sich eher dann zeigt, wenn sich der Fotograf entweder Zeit für die Voreinstellungen, vor allem bei der Fokussierung aber auch bei der Ausschnittwahl, nahm. Es braucht Übung und Gewöhnung, über den Messsucher mit den eingespiegelten Rahmen für die Bildausschnitte der angesetzten und anderen Objektive sein Bild zu komponieren. Zwar kann das auch bei der Leica M10-R über den Monitor auf der Rückseite oder mit dem als Zubehör erhältlichen Visoflex-Sucher erfolgen, doch der Charme und die besondere Faszination der Kamera liegt natürlich im Messsucher mit seinem für Manche gewöhnungsbedürftigen Mischbildentfernungsmesser.
Aber auch für eingefleischte M-Anhänger bringen zwei optional erhältliche Zubehörteile für M-Kameras, nämlich der Visoflexsucher und der R-Adapter, eine enorme Erweiterung der kreativen Möglichkeiten des Systems. Der elektronische Sucher lässt die Beurteilung des zu erwartenden Bildergebnisses auch bei starkem Sonnenlicht und großer Helligkeit zu und er besitzt zu dem eine GPS-Funktion mit der die Koordinaten des Aufnahmestandpunktes in die Excif-Datei der Aufnahme geschrieben werden kann. Er ist zudem schwenkbar und ermöglicht so den Einblick auch aus schwierigen Blickwinkeln.
Fotografiert mit der Leica M10-R und dem Summilux-M 28 mm/1:1,4 ASPH
bei 1/15s, Blende f4,8 und ISO 1600.
Der R-Adapter gestattet darüber hinaus die Verwendung der Objektive aus dem nicht mehr weitergeführten Leica R-System, wo gerade im Telebereich ab 105 Millimeter Brennweite echte Raritäten zu günstigen Preisen zu finden sind.
Objektive mit extremen Brennweiten sollten mit Stativschelle und vom Stativ verwendet werden. Sie verlangen sonst wegen der durch die hohe Auflösung erhöhten Verwacklungsgefahr ultrakurze Belichtungszeiten und würden durch ihr Gewicht das Bajonett der M stark belasten.
Überhaupt gilt es als empfehlenswert, herauszufinden, welche Verschlusszeiten bei dem hochauflösenden Sensor der Leica M10-R aus der freien Hand zu realisieren sind, ohne Verwacklungen zu riskieren. So kann die Kamera ISO und Verschlusszeit automatisch wählen. Eine Erfahrung beim ersten Kennenlernen der Leica M10-R war, dass auch höhere ISO-Empfindlichkeiten, zu hochwertigen Ergebnissen führten. Die Aufnahmen zeigen zwar ein leicht erhöhtes Rauschen, dass aber durch die hohe Auflösung sehr fein ausfällt und tolerierbar scheint.
Was wir mangels eines Stativs nicht testen konnten, aber für Nacht-, Architektur und Landschaftsaufnahmen hoch interessant klingt, ist die Möglichkeit mit der Kamera Langzeitaufnahmen mit einer Belichtung bis zu 16 Minuten realisieren zu können.
Leica Summilux-M 1:1,4/28mm ASPH mt 1/60s, Blende 5,6 ISO 100.
Da sich das Handling der Leica M10-R im Vergleich zu ihren Schwestern im M-System kaum unterscheidet, reduziert sich die Innovation auf das Sensor-Design und seine hohe Auflösung von 40 Megapixeln auf der vollen Fläche des Kleinbildformats. Trotz der deutlich höheren Pixelzahl auf der gleichen Fläche konnte der Dynamikumfang, früher der Belichtungsspielraum der Filme, gesteigert und das Rauschverhalten optimiert werden. Details und Strukturen werden höher aufgelöst und der Kontrastumfang begeistert. Auch das mag manchen Fotografen, der sich mit dem JPEG-Bild so wie es aus der Kamera kommt begnügt, zu mühsam sein. Das kann man auch als Leica M10-R Fotograf getrost tun. Aber für das Quäntchen Bildqualität, das ein besonderes Bild ausmacht, steht ihm die Möglichkeit der Entwicklung der DNG-Dateien offen, bei der er individuell dem Motiv angepasst Schärfe, Kontrast, Weißabgleich, Farbsättigung und Farbbalance individuell nach seinem Gusto tunen kann. Dies kam erst wirklich zuhause am heimischen Computer zur Geltung.
Mit ihren feinen Ton- und Farbabstufungen begeistert
die Leica M10-R jeden Fotografen.
Fazit:
Die Leica M10-R ist die beste M-Kamera, die Leica je gebaut hat. Sie ist, wie Stefan Daniel, Bereichsleiter Products Division Photo bei der Leica Camera AG, sagt, weniger eine Maschine als vielmehr ein Werkzeug, das auch den Nutzern bestimmte Fähigkeiten abverlangt, zu sehen. Neben der Fokussierung über den Messucher bietet sie aber weitere hervorragende Hilfen für die manuelle Fokussierung wie den elektronischen Visoflex Sucher mit GPS-Funktion (optional) und das rückseitige Display mit Lupenfunktion, das auch zur detailgenauen Beurteilung der Aufnahmen dient. Ein Manko, welches von Kollegen bei der Preview bemängelt wurde, das Fehlen eines zweiten Speicherkartenslots, lässt sich leicht durch die WiFi-Funktion und die Leica Foto-App entkräften. Manche Fotografen belassen aufgrund dieser praktischen Einrichtung die Speicherkarte ständig in der Kamera und sichern die Bilder alle kabellos auf ihren mobilen oder stationären Speichergeräten. Außer Zweifel steht die außergewöhnlich hohe Bildqualität, die auch von einer wachsenden Zahl moderner M-Objektive getragen wird. Siehe auch unser Interview mit Stefan Daniel, Bereichsleiter Products Division Photo.
Heiner Henninges