„Es hätte alles auch anders kommen können“, berichtete Dr. Andreas Kaufmann, ausgewiesener Geburtshelfer bei der Wiedergeburt der Marken Leitz und Leica. Und er nennt – wenn auch durchaus etwas ironisch – Beispiele inwiefern und warum: „Leica ist ja ein Acronym“, führt er aus. „Zusammengesetzt aus den Anfängen der Worte „Leitz“ und „Camera“. Leitz der Name des weitblickenden Geschäftsmanns Ernst Leitz II, der das Risiko einging, die von seinem Mitarbeiter Oskar Barnack entwickelte „Kleinfilm“-Kamera als Serienmodell auf den Markt zu bringen, und der neuen Produktkategorie des Hauses , nämlich Cameras gründete. Hätte man für das Acronym den Namen des Erfinders gewählt, hieße die Leica heute vielleicht „Barca“. Und noch weitere „Hätte“ und „Wäre“ kamen zur Sprache, wie etwa die Lehrjahre des Firmengründers Ernst Leitz I bei einem Techniker und Unternehmer namens Christian Ferdinand Oechsle, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den Zuckergehalt von Most zu bestimmen. Mit Optik und Kameras war da wohl kaum etwas zu finden. Auch als er dann in die Schweiz weiterzog ergab sich noch kein Hinweis, auf das, dass später einmal von Wetzlar aus die Optikbranche einen disruptiven Wandel auf der ganzen Welt auslösen würde.
Sandskulptur vor dem neueröffneten Ernst Leitz Museum
Der Geschichte dieses Wandels von der Ur-Leica bis zum Leitz Phone 1, dem ersten Smartphione der Marke Marke Leitz ist das interaktiv erlebbare Museum gewidmet, das vom klv Studio, einem der aktuell gefragtesten Teams für Museumsgestaltung, konzipiert wurden.
Es ist ein weiteres Modul der von Leica konsequent verfolgten Philosophie, die Kultur des Mediums Fotografie lebendig zu halten und zu fördern. Hierzu gehören auch die Leica Galerien, die es heute weltweit an 25 Standorten zwischen New York, Sidney, Singapur oder in Wetzlar, der Heimat der Leica gibt. Die vielfältigen Aktivitäten von Leica zur Förderung der Fotografie sind fester Bestandteil der Markenkultur. Dazu gehören auch der Leica Hall of Fame Award und insbesondere der Leica Oskar Barnack Award (LOBA), der heute zu den begehrtesten Förderpreisen für Fotografie zählt. Verantwortlich für all diese kulturellen Anstrengungen zeichnet Karin Rehn-Kaufmann, zu deren besonderem Engagement auch der regelmäßige Kontakt und ein enger Austausch nicht nur mit den erfolgreichsten Vertretern sondern auch die Förderung junger Talente der Fotografie zählt. In ihren Verantwortungsbereich fällt auch das Ernst Leitz Museum, dessen Konzept sie persönlich im Gespräch mit dem Geschäftsführer des mit der Gestaltung betrauten klv Studios (Berlin) Bernhard Kehrer vorstellte.
Bernhard Kehrer und Karin Rehn Kaufmann erläutern
das Konzept des Eernst Leiz Museums in Wetzlar.
Das Ernst Leitz Museum bietet auf rund 600 Quadratmetern im Obergeschoss vier neu gestaltete Bereiche, die dazu inspirieren, Fotografie zu sehen, zu gestalten und zu erleben. Hinzu kommt eine Galerie im Erdgeschoss für Ausstellungen internationaler Fotokünstler. Hier ist noch bis zum 24. Oktober 2021 die Ausstellung „The Eyes of Humanity“ des amerikanischen Magnum-Fotografen Steve McCurry zu sehen.
Ein besonderes Highlight anlässlich der Wiedereröffnung ist die Präsentation einer echten Rarität, der Leica 0-Serien Kamera No.105, mit der Oskar Barnack, Konstrukteur der Ur-Leica, selbst fotografiert hat. Von den Leica 0-Serien Kameras sind heute nur rund ein Dutzend erhalten sind, nur wenige davon im unveränderten Originalzustand. Sie gehören zu den begehrten Wunschobjekten vieler Sammler und erzielen bei Versteigerungen Rekordergebnisse, zuletzt bei der Leitz Photographica Auctionin Wien 2018. Die dort versteigerte Leica 0-Serie (No. 122) ist mit 2,4 Millionen Euro inklusive Aufgeld aktuell die teuerste Kamera der Welt. Die Leica 0-Serie (No. 105) aus einer privaten Sammlung wird exklusiv nur bis Ende des Jahres im Ernst Leitz Museum zu sehen sein.
Die vier Erlebnisbereiche im Ernst Leitz Museum unterteilen sich in die Bereiche „Sehen und Wahrnehmen“, „Technik und Historie“, „Fotografieren“ und eine Sonderausstellungsfläche. An interaktiven Stationen werden optische Phänomene aufgezeigt und die Grundregeln und Effekte des Fotografierens anhand verschiedener Foto-Settings dargestellt. Für jede Themenpräsentation wie beispielsweise Spiegelungen oder Bewegung stehen prominente Fotografen (darunter Steve McCurry, Ralph Gibson, Barbara Klemm, Franziska Stünkel, Alex Webb und Fred Mortagne) mit einem Zitat und einem ausgewählten Foto Pate. Mit den an den Stationen integrierten Leica Kameras oder dem eigenen Smartphone lassen sich alle Foto-Settings ausprobieren, kreative Ideen umsetzen sowie alle Bilder und Selfies über die Leitz-Park App herunterladen und als Andenken mit nach Hause nehmen.
Dr. Andreas Kaufman mit dem Leitz Phone 1 und der 0-Serien Leica No. 105.
Sehen und Wahrnehmen
Im Eingangsbereich des Ernst Leitz Museums steht zunächst das Thema „Sehen und Wahrnehmen“ im Vordergrund. Es soll für eine bewusstere Wahrnehmung zu sensibilisieren. Um optische Phänomene verständlich zu machen ist beispielsweise im großen Panoramafenster des Raumes eine 50-fach vergrößerte Blende der Leica S Kamera installiert, die sich öffnet und schließt, sobald man sich ihr nähert. Hinzu kommen unterschiedliche Rahmen mit Filtern, Farben und Linien, die Details der Bildkomposition erklären und zu eigenen Ideen anregen.
Technik und Historie
Der zweite Bereich ist der „Technik und Historie“ und damit der traditionsreichen Leica Unternehmensgeschichte sowie deren Innovationsleistung, Handwerkskunst und Produkt-Meilensteinen gewidmet. Bronze-Büsten präsentieren die zentralen Köpfe der Familie Leitz, die durch ihr Engagement und Wirken das Unternehmen geprägt haben. Dass Leica bei der Entwicklung der Fotografie maßgeblich mitgewirkt hat, davon zeugen die historischen Originalobjekte in den Vitrinen. Ein digital erweitertes Fenster bietet außerdem einen Einblick ins Leica Unternehmensarchiv mit den Highlights aus der Unternehmensgeschichte. Ergänzend dazu geben interaktive Stationen die Möglichkeit, die herausragenden technischen Besonderheiten der Leica Kameras und Objektive spielerisch zu entdecken – beispielsweise ein Objektiv zu bauen und auf dem Monitor die Live-Simulation des Strahlengangs zu verfolgen oder mittels akustischem Memory anhand des einmaligen Auslösegeräusches die zusammen passenden Leica Kameras paarweise zu ermitteln. Zu den weiteren Stationen gehört auch eine Dunkelkammer. An einem großen interaktiven Tisch können hier die Schritte der analogen Foto-Entwicklung nachempfinden und beispielsweise Bilder aus der Leitz-Park App entwickelt und vergrößert werden.
Technik und Historie: So entstand die erste Leica.
Fotografieren
Im dritten Erlebnisbereich werden an verschiedenen interaktiven Stationen Grundregeln des Fotografierens und der Einfluss unterschiedlicher Faktoren auf Fotoaufnahmen verdeutlicht. Foto-Settings zu verschiedenen Themen laden dazu ein, mit der installierten Kamera oder dem eigenen Handy zu experimentieren. Inszenierte Effekte wie Spiegelungen, Licht und Schatten, Farbstimmungen, Bewegung und Wind bieten Gelegenheiten für außergewöhnliche Fotos und zeigen die vielseitigen Möglichkeiten und Facetten der kreativen Bildgestaltung auf. Auch dem „Selbstporträt“ ist ein Exponat gewidmet: Vor einem Spiegel sitzend lassen sich Lichtfarbe und -intensität steuern und Selfies aufnehmen. Alle aufgenommenen Bilder können im Anschluss mit der Leitz-Park App heruntergeladen und als Andenken mit nach Hause genommen werden.
Studio-Set mit Windmaschine im Ernst Leitz Museum Wetzlar.
Sonderausstellung
Im vierten Bereich sind wechselnde Sonderausstellungen mit Exponaten zu vielfältigen Themen aus der Leica Welt vorgesehen. Zur Museumseröffnung ist die Ausstellung „Oskar Barnack“ zu sehen. Angereichert mit Exponaten aus dem Leica Unternehmensarchiv und eigenen Aufnahmen des passionierten Fotografen und Filmers, rundet dieser Bereich das einmalige Fotografie-Erlebnis im neuen Ernst Leitz Museum ab.
Beim Rundgang durch das Museum wird nicht nur die Geschichte der Leica sondern auch ihr Einfluss auf die Fotografie bis heute deutlich. Der lange Weg von der Ur-Leica zum digitalen Umbruch bis hin zum Leitz Phone 1 wird in einer spannenden Präsentation anschaulich erlebbar. Dabei ist auch das großartige Ernst Leitz Museum nur ein weiteres Modul in der Leica Erlebnis Welt im Leitz Park Wetzlar. Zu der die Leica Galerie, die Leica Akademie der Naturpfad, der Leica Store das Ernst Leitz Café und das Ernst Leitz Themenhotel geführt von der Vienna House Hotelgruppe sowie zahlreiche weitere Attraktionen gehören und die einen Besuch zu einem ganz besonderen Erlebnis machen.
Zu sehen in der aktuellen Sonderausstellung:
der Arbeitstisch von Oskar Barnack.
Nicht auszudenken, was wäre wenn aus der Industrie Brache für die geplante Panzer-Waschstraße nicht die neue Heimat der geschichtsträchtigsten Kamera-Marke der Welt geworden wäre.
Alles über die aktuellen Veranstaltungen rund um die Eröffnung des Ernst Leitz Museums finden Sie hier…