Neben Alexander Rodchenko, Varvara Stepanova, El Lissitzky und Sergei Senkin gilt Klutsis als ein maßgeblicher Vertreter der post-abstrakten sowjetischen Avantgarde. Seine Frau und Kollegin Valentina Kulagina war eine innovative Plakat-, Buch- und Ausstellungsdesignerin. Die Ausstellung will die kreative Partnerschaft der beiden Künstler vermitteln.
Klutsis und Kulagina betrachteten die Kamera stets als ein Medium für Experimente und für den kreativen Austausch. Ab Mitte der 1920er Jahre basierten alle ihre öffentlichen Projekte auf Fotografie. Die Fähigkeit der Fotografie, die fotografierten Objekte aus ihrem Umfeld zu isolieren, ermöglichte es Klutsis in seiner künstlerischen Arbeit zeitweise dem unmittelbaren sowjetischen, politischen Kontext zu entfliehen. Zum Beispiel isoliert Klutsis in seinen Portraits von Valentina Kulagina die Portraitierte wiederholt aus dem Umfeld. Mit dieser Vorgehensweise stehen diese Portraits im Kanon der internationalen Moderne.
Im Gegensatz dazu fotografierte Kulagina Gustav Klutsis in Situationen, in denen der sowjetische Kontext besonders deutlich wird. Zum Beispiel lichtete sie ihn in einer Militär-uniform ab, als er im Jahr 1930 in Moskau eine militärisch-politische Schulung durchlief.
Klutsis’ große Ambitionen in Bezug auf die Fotografie richteten sich auf die Dokumentarfotografie, die er insbesondere für seine Fotomontagen benutzte. Das Bildarchiv von Gustav Klutis beginnt mit Arbeiten aus der Zeit um 1924. Es umfasst Fotografien, die sowohl das öffentliche als auch das private Leben dokumentieren. In der Verwendung dieser Bilder für seine Fotomontagen unterscheidet sich Klutsis von anderen sowjetischen Künstlern wie Alexander Rodchenko, die bei ihren Fotomontagen in der Regel auf gefundenes Fotomaterial zurückgeriffen haben. Wie Klutsis portraitierte Alexander Rodchenko in den frühen 1920er Jahren seine Freunde und Familie. Rodchenko jedoch verfolgte nicht die Absicht, diese Motive für politische Bildideen zu benutzen, und verwendete sie stattdessen für kommerzielle Zwecke. Klutsis auf der anderen Seite ließ sich auf das gewagte Unterfangen ein, Aufnahmen von Freunden und Verwandten auf einem Arbeitstisch zusammen mit seiner ‚Street Photography’ zu plazieren und vermischte in seinen Montagen Familienportraits mit solchen des politischen Führungsstabs.
Klutsis begann um 1929 mit den modernistischen Techniken der Doppelbelichtung und des Fotogramms zu experimen-tieren, wobei es ihm in erster Linie darum ging, die ungewünschten Überlagerungen und Kanten zu vermeiden, die durch das Ausschneiden und Zusammgenkleben bei Collagen entstaden. Er schuf mittels Doppelbelichtung ein ‚privates’ doppeläugiges Portrait von Valentina Kulaginas Bruder Boris, das Man Rays Portrait der Marquise Casati aus dem Jahr 1922 ähnelt, sowie verschiedene ‚öffentliche’ Plakate. Obwohl in der europäischen Avantgarde Fotografie in den 1920er Jahre nicht unüblich, waren derartige Experimente in Kreisen sowjetischer Fotografen doch relativ selten zu finden. Unter dem weitreichenden Einfluss Rodchenkos favorisierten die meisten avantgardistischen sowjetischen Fotografen radikale Auf- und Untersichten und unkonventionelle Blickwinkel. Die in der Ausstellung präsentierten Collagen dokumentieren die dadaistischen Performances, die in Klutsis’ und Kulaginas Apartment in der Miasnitskaia Straße, dem berühmten VKhUTEMAS-Gebäude, aufgeführt wurden, und repräsentieren eine Auswahl seltener Bildmaterialien, die auf den avantgardistischen Kreis aus Künstlern, Schriftstellern und Grafikdesignern verweisen.
23.Januar bis 9. März 2010
Priska Pasquer Albertusstr. 9-11 Köln