Rund 50 Prozent der deutschen Volkswirtschaft sind grundsätzlich markenrelevant.
Im Imaging-Bereich ist es signifikant mehr.
Die interdisziplinäre Informations- und Weiterbildungsveranstaltung erfolgte in Kooperation mit dem Markenverband in Berlin sowie der GfK in Nürnberg. Sie sollte neben der fachlichen Diskussion auch zur weiteren Pflege und zum Ausbau von firmenübergreifenden Netzwerken beitragen. Letzteres, das sei vorweggenommen, fand auf Grund der Teilnehmerstruktur vorzugsweise an der Basis statt. Das Ziel des nun schon zum fünften Mal vom Photoindustrie-Verband veranstalteten Markentages ist es, den aktuellen Stand der Markenwirtschaft zu präsentieren und den Teilnehmern eine nachhaltige Diskussionsplattform für das Thema „Erfolgreiche Markenführung“ anzubieten.
Schon in der Einladung wurde die Relevanz der Veranstaltung mit dem wachsenden Markenbewusstsein der Verbraucher begründet, aber auch der digitale Strukturwandel wurde als Argument angeführt, sich gerade jetzt intensiv und ‚nachhaltig‘ mit der Marke als Erfolgsfaktor auseinanderzusetzen. Die Veranstalter waren sich sicher dass Marken vor Wettbewerbern schützen, die Kaufentscheidung der Verbraucher erleichtern und letztlich auch der Kundenbindung dienen würden.
Die Referenten waren allesamt Vertreter namhafter Markenagenturen, Unternehmensberatungen oder Markforschungsunternehmen, die ausnahmslos Erfahrungen in der Analyse oder im Entwickeln von Markenstrategien vorweisen können. Aber nur Harald Pirwitz, ehemaliges Vorstandsmitglied der CeWe Stiftung & Co., konnte in seinem Vortrag den viel Fantasie und noch mehr Mut abverlangenden, oftmals auch steinigen Weg „Vom Dienstleister zum Markenartikelanbieter rund um das Thema Foto“ aus Unternehmenssicht und als verantwortlicher „Macher“ schildern.
Moderiert von PIV Geschäftsführer Christian Müller-Rieker beleuchteten die Referenten die Ursachen für die Kraft der Marken. Sie zeigten auf, wie wichtig es für Unternehmen ist, sich intensiv mit deren Mechanismen und Funktionsweisen zu befassen.
Einleitend wies Johannes Ippach, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Markenverband e.V., Berlin, nochmals anhand von Beispielen, Zahlen und Statistiken auf die Bedeutung von Marken hin. Er verwies aber auch auf die Diskrepanz zwischen dem Wissen um die Bedeutung der Marke für den Erfolg in den Führungsetagen der Unternehmen und den tatsächlich stattfindenden Aktionen zur Stärkung der ihrer eigenen Marken.
Als Zeichen einer Umbruchsphase wertete Johannes Ippach die Tatsache, dass zwar über 90 Prozent der Topmanager in Unternehmen die strategische Bedeutung der Digitalisierung erkannt hätte, aber nur 11 Prozent von ihnen schon eine eigene Strategie dahingehend entwickelt oder umgesetzt hätten. Nicht weniger überraschend war, dass rund 89 Prozent der Unternehmer eine starke Marke als einen Vorteil im Wettbewerb sehen, doch nur 14 Prozent glauben, dass ihre eigene Marke in letzter Zeit an Einfluss gewonnen habe. Geradezu erschreckend war die Erkenntnis der von Johannes Ippach zitierten Studie, die besagt, dass nur ein sehr geringer Teil der Unternehmen sich in der Personalpolitik damit befasst hat, Spezialisten für die Bewältigung des digitalen Strukturwandels und zur Entwicklung entsprechender Strategien zu suchen oder gar einzustellen.
Dr. Susanne Goertz, geschäftsführende Gesellschafterin Strategie,
Brand Lounge Markenagentur GWA, Düsseldorf
Dem Vortrag von Herrn Johannes Ippach folgte das Referat von Dr. Susanne Goertz, geschäftsführende Gesellschafterin Strategie, Brand Lounge Markenagentur GWA, Düsseldorf mit dem frei nach Shakespeare gewählten Titel: „To Brand or not to Brand – that‘s not the question“. In ihrem dreiteiligen Vortrag, zeigte sie zunächst an Beispielen welche Macht von starken Marken ausgehen kann. Darauf folgte ein Ausflug in die Theorie, der verdeutlichte, was Marken stark macht und schließlich zeigte sie Praxisbeispiele dafür, wie Marken Ikonen stark gehalten werden können.
„Zum Marken-Expertainment gehört, dass Strategie nicht nur die richtigen „emotionalen Trigger“ besetzt, sondern auch aktiv mithilft, sie kreativ auf die Straße zu bringen!“ Dieser Aussage von Dr. Susanne Goertz auf der Webseite des Unternehmens, folgte die Referentin in ihrem Vortrag und überraschte dabei immer wieder mit typischen Marketing-Wortschöpfungen, die den oben zitierten Begriff vom „Expertainment“ an Exotik durchaus übertrafen. Amüsant, witzig und wortgewandt verwies sie darauf, dass für einen Markenartikler an der Notwendigkeit der Markenbildung kein Weg vorbeiführe. Eine ihrer Kernaussagen lautete: „A product is something you sell, a brand is something you stand for“. Was damit gemeint ist, verdeutlicht ein anderes Zitat: “Marke ist, wenn Kunden keinen überteuerten, kleinen, sicherheitstechnisch fraglichen, vom Raumangebot her bescheidenen Kleinwagen mehr wollen, sondern einen Mini.“ Hängengeblieben ist vor allem ein Satz: „Nichts ist so inspirierend, wie die wahren Wurzeln einer Marke. Nur wenn man sie kennt und versteht, kann man ihre Geschichte immer wieder neu erzählen.“
ThomasWalter, Geschäftsführer Supersieben, Business-Beratung, Düsseldorf.
Ziemlich kaltschnäuzig oder illusionslos brachte Thomas Walter, Geschäftsführer, Supersieben, Business-Beratung, Düsseldorf, die Aufgabenstellung der Markenführung auf den Punkt: „Wenn Agenturen über Emotionen reden, dann geht es nicht darum, Blümchen über die Welt zu streuen, sondern um die Frage, wie kann ich in die Herzen der Leute kommen, wenn ich in ihren Geldbeutel möchte?“ Trotz dieses markigen Einstiegs in seinen Vortrag “Marke und Emotionen – Die Entdeckung der emotionalen Wissenslücke“ stellte er die These auf: „Nicht der Gierigste, sondern der Empathischste gewinnt.“ Da es dabei um sehr viel Geld geht und das Bauchgefühl nach Ansicht von Thomas Walter nicht viel weiter hilft, hat sich sein Unternehmen die Frage gestellt, wie es um die Empathie-Fähigkeit der Topmanager der deutschen Marketingszene bestellt sei. In einer zu diesem Zweck durchgeführten Befragung bestätigten zwar über 90 Prozent der befragten Manager, dass sie eine emotionale Aufladung ihrer Marke für sehr wichtig hielten, aber nur noch 68 Prozent wussten, wie sich ihre Marke anfühlen sollte. Nur 47 Prozent gaben an zu wissen, wie sich ihre Marke für den Kunden anfühlt und gerade einmal 24 Prozent haben professionelle Verfahren genutzt, um dies herauszufinden. Diese Zahl lässt sich nach Ansicht von Thomas Walter in zweierlei Richtung deuten: Entweder 76 Prozent der Marketing Manager sind echte Naturtalente in Bezug auf das Erkennen von Empathie-Fähigkeit oder aber, es gibt ein Problem. Die Schwierigkeit im emotionalen Marketing ist nicht das fehlende Bewusstsein für die Bedeutung von Empathie für eine Marke, sondern das Wissen darum, wie sie zu erreichen ist. Es ginge darum, herauszufinden, wodurch sich die eigene Marke von der anderen unterscheidet und warum sie wie wahrgenommen wird.
Dazu hat Thomas Walter mit seiner Business-Beratung ein wissenschaftliches Werkzeug entwickelt, das ziemlich klar definiert, wo die Markenpflege und der Markenaufbau ansetzen müssen. Sein Fazit war zwar das Angebot der eigenen Lösung zum Herausfinden des Markenprofils, allerdings versehen mit der Frage an die potentiellen Kunden der Teilnehmer des Markentages aus der Imaging-Branche: „Was könnten Sie tun, wenn Sie wüssten, was Ihre Kunden fühlen?“
Dr. Susanne Kreiter, Manager Insights and Consulting, Brand customer Experience, Gfk.
Um Gefühle und Markenerlebnisse ging es auch in dem Referat von Dr. Susanne Kreiter, Manager Insights und Consulting, Brand and Customer Experience, GfK, Nürnberg. In ihrem Referat „Mit Emotionen Markenerlebnisse schaffen. Erfolgreiche Kommunikation in der Erlebnisökonomie“.
Ihr Ausgangspunkt war die steigende aber sich gleichzeitig auch ändernde Mediennutzung vor allem begründet durch die wachsende Präsenz des Internets. Gleichzeitig bildeten ihren Ausführungen zufolge Technologie und Innovationen die Basis für eine neue Erlebniszentrierung. Dabei stellte sie heraus, dass über Plattformen wie Twitter, Facebook, YouTube oder Instagram geteilte Erlebnisse für Konsumenten der neue Differenzierungsfaktor seien. Gleichzeitig hätten in der Erlebnis-Ökonomie geteilte Erlebnisse eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. So gäben nach Erkenntnissen der GfK 60 Prozent der Konsumenten an, dass das Markenerlebnis der wichtigste Faktor bei der Entscheidung für ein Produkt sei und 50 Prozent der Konsumenten sind bereit, für ein einzigartiges Markenerlebnis einen höheren Preis zu zahlen. Auch glaubten Untersuchungen der GfK zufolge 40 Prozent der CEOs weltweit, dass mit digitalen Technologien stärkere Kundenerlebnisse geschaffen werden können. Eine weitere Erkenntnis der GfK sei, dass positive, einprägsame Markenerlebnisse den Unterschied machen würden. Dies alles führe zu neuen Anforderungen an die Kommunikation. Über Plattformen wie YouTube, Facebook und Co. würden Erlebnisse Einzelner zu Erlebnissen von Vielen. YouTuber und Instagramer sind die Stars von nebenan, die das Bedürfnis nach Authentizität und Erlebnisorientierung bedienen. Für die Markenartikler ginge es nun darum aus dieser Szene passende Erlebnisbotschafter für den optimalen Markenfit zu finden. Das Fazit der GFK-Markforscherin: Die Innovationsspirale verändere die Spielregeln für eine erfolgreiche Kommunikation, für deren Erfolg positive und einprägsame Erlebnisse den Unterschied ausmachen würden. Aktivierende, involvierende, authentische, emotionale Kommunikation sei gefragt, die crossmedial die Kraft der sozialen Medien mit einbeziehen sollte. Es gehe darum Markenbotschafter für Multiplikation, Authentizität und Emotionen zu nutzen. Dabei helfe eine smarte Marktforschung, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Leider ging Frau Dr. Susanne Kreiter nicht auf die Problematik der scheinbar konsumenteninitiierten, von der Industrie bezahlten Werbebotschaften ein, die ja als solche gekennzeichnet sein müsste und dadurch automatisch ihren Authentizitätsbonus einbüßt.
Harald H. Pirwitz, Pirwitz Solutions, ehemals Vorstandsmitglied bei Cewe.
Eine interessante Fallstudie war der Bericht von Harald Pirwitz, der den erfolgreichen Weg vom Dienstleister CeWe Color zum Markenartikler für individuelle Fotoprodukte als Vorstandsmitglied des Unternehmens strategisch mitgeplant und durchgeführt hat. Harald Pirwitz stellt heute seine umfangreichen Erfahrungen auf diesem Gebiet in seiner eigenen Beratungsfirma Interessenten zur Verfügung.
Als letzter Referent sprach Roland Albrecht, Geschäftsführer, Markenagentur GoYa, Heidelberg, zum Thema „Branding in Zeiten des digitalen Strukturwandels: Wer sind die Gewinner? Und wer die Verlierer“. Er zeichnet auch verantwortlich für den neuen Markenauftritt des Photoindustrie-Verbandes e.V. als PIV. Sein Credo ist seine vier i-Strategie, die er auch dem Verband verpasst hat. Schon das Motto seiner Agentur „ Turning brands into magic“ folgt der allgemeinen Strategie-Forderung aller Referenten des Markentages nach mehr Emotion, hier Magie im Markenbild. Mit 91 zumeist Textfolien für 45 Minuten, hält er mit großem Abstand den Rekord des Tages. Die Frage, die ihn und mit der er das Publikum beschäftigte lautete: “Wie sieht erfolgreiche Markenführung und erfolgreiche Kommunikation in der Zukunft aus?
Harter Tobak am Ende des Tages, aber zur Ehrenrettung des Agenturinhabers muss auch erwähnt werden, dass er sein Referat explizit nicht als gefestigtes Wissen sondern als unsortierte Gedanken bzw. Thesen bezeichnete, die zur kritischen Reflexion auffordern und zur Diskussion anregen sollen. Sein dem Aufbau eines Dramas in sechs Akten folgender Vortrag mit Prolog und Epilog war eine für das Publikum schwer zu folgende Inszenierung vollgestopft mit Textcharts, die selten so einprägsame Aussagen wie der Prolog hatten, in dem es hieß: Das Markenzeichen des digitalen Fortschritts sind seine unvorhersehbaren großen Sprünge“.
Natürlich durfte auch die neuen Kombinationen für erfolgreiches Marketing, die auch schon für die Markenrichtlinien des PIV herhalten mussten, die 4i’s nicht fehlen:
1. Innovation: Mut zu innovativen Lösungen.
2. Individualität: Auf die Bedürfnisse des einzelnen Menschen ausgerichtete Lösungen (wird in Zukunft noch viel wichtiger werden).
3. Integration: Einsatz abgestimmter und orchestrierter analoger und digitaler Marketinginstrumente.
4. Integrität: Gesellschaftlich verantwortungsvolles ehrliches und ethisches Verhalten (Haltung wird in Zukunft wichtiger werden).
Chart aus dem Vortrag von Roland Albrecht, Geschäftführer der Markenagentur Goya!.
Unternehmen, so Roland Albrecht weiter, bräuchten ‚eine Gier auf Neues‘, denn wer von den Großen sich nicht kontinuierlich erneuere, gehöre sehr wahrscheinlich zu den 40 Prozent der Topp 500 Firmen, die laut Prognosen, deren Quelle leider fehlte, in einem Jahrzehnt verschwunden sein werden. Zum Schluss machte er auf eine eigne Beobachtung aufmerksam: „Die Träume sind viel zu oft zu klein. Es ist in Sachen Marke viel mehr möglich, als man denkt. Es sind daher oftmals nicht die Märkte und die eigene Marke, die den Erfolg limitieren. Es sind meist die begrenzte, eigene Vorstellungskraft – und ein Mangel an Mut.“
Interessant war, das am Ende seines Vortrages, erstmals auch eine Diskussion zu Moral und Ethik der Marketing-Werkzeuge aufkam, in der überraschenderweise, bei dem engagierten Publikum aber auch bei den antwortenden Referent das Schulmarketing-Deutsch vergessen war und engagiert nach zukünftigen Formen eines neuen, ethisch vertretbaren Markenverständnisses gefragt wurde. Gültige Antworten gab es nicht. Das wäre auch zu viel verlangt. Doch die Diskussion zu diesem Thema scheint nachhaltig angestoßen zu sein!
Nachsatz:
Wie die meisten dieser Veranstaltungen äußert sich die Kreativität der ehrgeizigen Jungmanager ebenso wie die ihrer Lehrer und Trainer in immer wieder neuen Wortschöpfungen, oft mit anglizistischen Hintergründen, von denen wir einige als Hilfe für den Marketing Small-Talk zitieren möchten: Neben dem schon oben genannten ‚ Expertainment‘ war vom ‚Smart Storytelling‘ ebenso die Rede wie von der ‚Customer Journey‘, der Erhöhung des ‚Impacts‘ aber auch vom ‚emotional branding‘ und von gebrandeten Erlebniswelten.