Fotodrohnen: Ein Megatrend der photokina 2014
Auf der Weltmesse des Bildes blieben die großen Innovationen bei den marktbeherrschenden Kameraherstellern aus. Hier setzte man weiter auf Evolution und hofft auf Käufer, aus der großen Zahl der Smartphone Fotografen. Doch besonders attraktiv machen es denen die Platzhirsche im Kameramarkt nicht. Die meisten der auf der photokina gezeigten Kamerainnovationen sind weit davon entfernt, die Einbindung in soziale Netzwerke zu erleichtern, die Bildverarbeitung in der Kamera zu ermöglichen oder auch nur die Fotografie mobiler zu machen, so dass es die nachwachsende Fotografengeneration begeistern könnte.
Viel Zubehör für perfekte Selfies wie diese ‚Armverlängerung‘ von hama
waren auf der Messe zu finden.
Das klingt vielleicht hart gegenüber all jenen Ausstellern, die es tatsächlich geschafft haben, sich mit innovativen, zeitgemäßen oder vielleicht sogar zukunftsweisenden Produkten auf der Messe zu präsentieren, deshalb beschränken wir uns bei der photokina Rückschau auf jene Hersteller, die mit ihren Ideen, Produkten und Dienstleistungen angetreten sind, bestehende Grenzen der Fotografie zu erweitern und neue Formen der Bildkommunikation und Bildgestaltung zu ermöglichen.
Das „Ich“ rückt in den Mittelpunkt.
Angesehene Soziologen und Psychologen rätseln seit langem, ob die gesellschaftlichen Auswirkungen des neuen Trends zur narzisstischen Selbstdarstellung nun zu begrüßen oder zu bedauern seien. Doch ganz gleich, zu welchem Ergebnis sie kommen, er lässt sich nicht zurückdrehen. So waren denn auch Kameras und Zubehör für ein gelungenes Selfie in jeder möglichen und unmöglichen Situation einer der Schlüsseltrends auf der diesjährigen photokina. Ganz besonders gefragt bei den Selfie-fähigen Kameras, also jenen, die den Monitor in Richtung Fotograf/in drehen, über das Smartphone gesteuert und deren Bilder direkt ins Netz übertragen werden können, waren jene, die auch als modisches Accessoires den Narzissmus ihrer Besitzer entgegenkommen. Erwähnt seien hier nur wenige Modelle wie die kleine Nikon Coolpix S6900 oder auch die ebenso elegante wie vielseitige Olympus PEN E-PL7 mit Anschluss an das umfangreiche MFT Wechselobjektivprogramm. Sie erlauben Selbstporträts in hoher Qualität sowie das schnelle Teilen über die integrierten WiFi und NFC Schnittstellen. Das Beste: sie lassen sich auch über das Smartphone aus der Distanz mit Live-View steuern und auslösen.
Selfie mit anspruchsvoller Systemkamera: Olympus E-PL7.
Aber nicht nur Kameras auch Zubehör zur Vereinfachung von Selbstporträts überschwemmen den Markt. Ob hama, Kaiser, Novoflex oder S+M – alle haben Klemmen, Zwingen, Saugnäpfe oder Ministative im Programm, die bei der Selfie-Aufnahme helfen sollen. Der Renner zur photokina: Handstative mit Teleskopauszug als verlängerter Arm beim Selbstporträt. Aber auch Fernauslöser für das Cam-Phone oder die Selfie-Kamera waren zu sehen.
Smarte Kamera mit Telefon oder Smartphone mit Kamera? Die Lumix Smart Kmaera.
Kompaktkameras und Smartphones nähern sich zunehmend an. Wurden allerdings bisher hauptsächlich die in den Smartphones integrierten Kameras immer besser, so kommen endlich auch anspruchsvolle Kameras mit Smartphone Plattform (Android oder Windows mobile) wie beispielsweise die auf der photokina mit Begeisterung aufgenommene Lumix Smart Camera auf den Markt. Interessant war auch die neue Kamera von relonch, in die als Monitor zur Steuerung einfach ein iPhone gesteckt wird.
Speziell für Selbstporträts und das schnelle Teilen von Bildern im Netz entwickelt:
die Nikon Coolpix S6900.
Die gemeinsame mit dem berühmten Massachusetts Institute of Technology entwickelte Studie einer Smart Kamera mit offener Plattform zeigte Olympus etwas bescheiden in der Ecke des Messestandes. Hier folgt man dem Trend zur Entwicklung zu Kameras, deren Funktionalität sich durch Software Updates erweitern lassen und so über einen langen Zeitraum immer wieder auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden können.
Diesem Trend folgt auch die neue Illum Lichtfeldkamera, die heute schon nachträgliche Scharfstellung und Perspektive-Änderungen erlaubt und von der ihr Erfinder Dr. Ren Ng behauptet, dass ihre Käufer schon in naher Zukunft zahlreiche, funktionserweiternde Firmware-Updates erwarten könnten.
Hart beim Aufnehmen
Ein weiterer Megatrend, wenn auch nicht ganz neu, sind die Action Cams. Die Spezialkameras für die Dokumentation sportlicher Aktivitäten oder abenteuerlichen Erlebnissen aus der eigenen Perspektive sind die Alternative für das Video-Selfie mit dem Zusatznutzen jede Herausforderung zu Wasser, zu Lande oder in der Luft anzunehmen. Das breite bestehende Angebot solcher Geräte wurde zur photokina durch Newcomer wie Polaroid noch erweitert. Mit dem Polaroid Cube präsentierte die Traditionsmarke für das Sofortbild eine neue Lifestyle Action Videokamera im bunten, würfelförmigen Gehäuse. Das auffällige und modische Lifestyle Produkt mit den Abmessungen 35 mm x 35 mm wird in verschiedenen Farben angeboten. Ausstattungsmerkmal wie HD-Video, Ultra Weitwinkelobjektiv und Ein-Tasten-Bedienung sind bemerkenswert und machen den Polaroid Cube zum Alltagsbegleiter.
Polaroid Cube Action Kamera.
Ebenfalls neu von Polaroid war die Socialmatic Kamera. Sie schlägt mit integriertem Sofortbild-Drucker und WiFi-Funktionalität die Brücke zwischen analoger Sofortbildfotografie und digitaler Vernetzung. Ein innovatives Konzept für eine ActionCam mit Rund-um-Blick zeigte der Aussteller 360fly. Unter dem Motto „Warum sich nur mit einem kleinen Ausschnitt des Lebens begnügen?“ präsentierte das Unternehmen Audiovox-Audio-Produkte GmbH aus Pulheim eine 360° Action Cam mit nur 138 Gramm Gewicht, die wasserdicht und WiFi-fähig ist und sich über Android-Smartphones steuern lässt.
Warum denn nicht gleich in die Luft gehen?
Immer mehr Fotografen entdecken als neues Medium die Luftbildfotografie für sich. Mit immer leistungsstärkeren Drohnen, ausgerüstet mit Kameras, die sich über Live-View steuern lassen, erfährt die Fotografie aus der Vogelperspektive eine Renaissance. Auf der photokina waren Copter mit unterschiedlichen Tragvermögen für alle möglichen Anwendergruppen als Trendthema im Mittelpunkt des Interesses.
Drohnen, das neue Tool für Luftaufnahmen.
Mehr Bilder aufs Papier bringen
Es wirkt fast schon wie ein Retro-Trend, wenn immer mehr Messebesucher sich für das gedruckte Bild interessieren, für das Produkt des Produkts, wie es Karin Rehn-Kaufmann, Art Director der Leica Camera AG ausdrückte. Sie sorgte für Musik auf der Messe und ließ mit den von ihr kuratierten Ausstelllungen in Halle 1 und den dort stattfindenden Events den ‚Sound of Imaging‘ lebendig werden. Die Ausstellungen rund um das Thema Musik zeigten die gemeinsame Basis von guter Fotografie und Musik: Rhythmus, Dynamic und Harmonie.
Vom Posterdruck bis zur Fototapete reichen die Möglichkeiten des Bilderdrucks.
Auch Branchenfremde haben über gute Fotografie den Weg auf die photokina gefunden. So hatte die Lebensmittel-wirtschaft durch den erfolgreichen Fotografen Ralf Baumgarten eine zeitgemäße Bilderwelt in Szene setzen lassen, die jetzt mit der Ausstellung „Pigs“ einen Einblick in das Schweineleben gab und die sich bei der Vernissage auf der Messe großen Andrangs erfreute.
Viel Prominenz aus Wirtschaft und Kultur zeigte sich bei der Ausstellung
von Ralf Baumgarten. Foto Oliver Elsner
Modisch in den Fotowinter
Dass man in der Fotowelt auch als Einsteiger noch punkten kann, das bewies Roeckl/Photo, eine Kooperation der bekannten Münchner Handschuh- und Ledermanufaktur und des erfolgreichen Fotohandels Isarfoto Bothe. Am kleinen Stand auf der photokina, wo das Handschuhmachen live demonstriert wurde, begeisterten sich viele für die exklusiven Fototaschen und Fotohandschuhen.
Der nächste Winter kommt bestimmt: Roeckl/Photo präsentierte
hochwertige Fotohandschuhe und elegante Kamerataschen.
Video für Kino und TV
Die Unterhaltungsindustrie steht vor der größten Herausforderung in ihrer Geschichte. Erstmals stehen privaten Anwendern Werkzeuge zur Verfügung, die perfekte Videos und Audio-Qualität zu erschwinglichen Preisen liefern können. Das volle Qualitätserlebnis, das die neuen TV-Geräte vermitteln können wird von den TV-Sendern und Content-Anbietern nur in Ausnahmefällen und nicht auf ganzer Ebene bedient. Dabei können die Zuschauer mit ihren eigenen 4K-Aufnahmegeräten theoretisch selbst professionelle Bild- und Tonqualität für das Wohnzimmer produzieren. Das allerdings scheint nicht im Sinne des Erfinders. Zuschauer wollen unterhalten werden und diese Unterhaltung den Profis überlassen aber nicht jetzt auch noch selbst dafür sorgen müssen. Das haben einige Hersteller – vor allem aus der Optik-Industrie – erkannt und Tools geschaffen, die den kommenden Cine-Kamera-Generationen die benötigte Auflösung und Lichtstärke liefern. Dazu gehören vor allem die deutschen Optikspezialisten Leica CW Sonderoptic, Zeiss und Schneider Kreuznach, die vor allem mit ihren festbrennweitigen Spezialobjektiven hier neue Qualitätsmaßstäbe gesetzt haben.
Die neue Alexa 6K Kamera von Arri war zwar nicht auf der photokina zu sehen,
wohl aber die Hochleistungsobjektive, die für diese hohen Auflösungen nötig sind.
Auf der photokina noch nicht zu sehen aber am letzten photokina Tag in München auf der Cinec gezeigt, war die dazu passende, digitale Arri Alexa65 Filmkamera mit dem größten Sensor, der je in einer Videokamera verbaut wurde. Der 6K-Sensor ist dreimal so groß, wie das Kleinbild-Vollformat und hat eine Auflösung von 6560 x 3102 Pixeln. Die Sensormaße betragen 54,12 x 25,59 mm. Hier kündigt sich eine Bildqualität für die Kinoproduktion an, die auch am Bildschirm für ein einzigartiges Lauf- und Steh-Bilderlebnis sorgen wird.
Diesen Trend hat Panasonic mit seiner neuen 4KPhoto-Technik auf der photokina vorweggenommen. Obwohl Viele noch bezweifeln ob das Stehbild der Zukunft ein herausgelöstes Einzelbild einer Videosequenz sein wird, zeigen diese Trends deutlich, dass zumindest in der Reportage, beispielsweise von Großereignissen, die Bildredakteur der Agenturen an den TV-Schirmen sitzen werden, um den ‚goldenen Schuss‘, den entscheidenden Moment herauszupicken. Das ist nur eine Frage der Zeit. Auch diese Entwicklung wird dazu beitragen, dass sich das Bildermachen und die Bildsprachen ändern werden.
Panosonic stellte eine neue Funktion für seine 4K Kameras vor: 4KPhoto.
Überraschend, dass eine Firma wie die Leica Camera AG, die wie der Phoenix aus der Asche wieder auferstanden ist, diese Entwicklung mit ihrem Engagement mit der CW Sonderoptic vorauszusehen scheint und dort Objektive für höchste Auflösungen für die digitale Videoaufzeichnung entwickelt.
Da gehen die einen müde fort….
Das von Vielen, darunter auch von Canon selbst, beschworene Dinosaurier-Sterben einiger großer Kamerahersteller, die mit Innovationen eher sparsam umgehen und statt der Risiken, die Innovationen immer in sich bergen, auf die Weiterentwicklung des Althergebrachten setzen, ist hoffentlich nur ein vorrübergehender Winterschlaf. Noch zucken sie und lassen, wie das Beispiel von Canon auf der Imaging World zeigt, „die Muskeln spielen“.
Spektakuläre Selfies auch für Besuchergruppen vor tosenden Wasserfällen
ermöglichte Nikon den Messebesuchern am Eingang Süd.
Bisher hat es die Branche stets aufs Neue geschafft, sich durch ihre Innovationskraft immer wieder neu zu erfinden. Möglicherweise gehört es dazu, dass manchmal dabei auch die ganz Großen über die von Ihnen nicht wahrgenommenen kleinen Trends stolpern. Die photokina 2014 hat wie selten durch ihre Innovationskraft an der Basis der Fotografie deutlich gemacht, das sich dieses Medium zwar im rasanten Tempo verändert und dabei trotzdem an Beliebtheit gewinnt.