Leitz-Park Aerea III – Blick von der Terasse des neuen Bürogebäudes.
Während des drei Tage dauernden Festes ließ Leica ein fotografisches Highlight dem anderen folgen und machte vergessen, dass der Fotomarkt seit Jahren in der Krise steckt und noch immer einen schmerzvollen Schrumpfungsprozess durchlebt. Allein die Grußworte der zahlreichen Redner aus den verschiedensten Bereichen der Politik, Wirtschaft und Kultur zur Eröffnungszeremonie zeigten, welch starkes Signal von diesem epochalen Industriebau der Leica Camera AG für Region aber auch für die Imaging Branche insgesamt ausgeht. Kein Besucher, der sich hier der Strahlkraft des ewig jungen Mediums Fotografie, der Marke Leica und der Einrichtungen im neu geschaffenen Leitz-Park, entziehen kann.
Leitz-Park Wetzlar: das neue Arcona Living Ernst Leitz Hotel.
Hier manifestierte sich eine Entwicklung, die auf den Visionen von Dr. Andreas Kaufmann, Mehrheitsanteilseigner und Aufsichtsratsvorsitzender der Leica Camera AG, basiert und zu einem deutlichen Wachstum des Unternehmens über die vergangenen Jahre hinweg geführt hat. Der neuerliche Erfolg der Traditionsmarke gründet nicht zuletzt auf seinem ganz persönlichen Engagement, seiner Risikobereitschaft und seinem Mut, die der angeschlagenen Marke neuen Glanz verliehen haben. Es gab aber auch kritische Momente in der Leitz-Park Entwicklung. Kurz nach dem dem Kauf des Grundstücks im Jahr 2008, traf die Finanzkrise die Industrie in voller Härte.
Vierzehn Jahre Warten
„Wir selbst durchliefen eine Restrukturierung und sollten nun mit gerade einmal 94 Millionen Umsatz ein Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund 35 Millionen planen“, erinnert sich Dr. Kaufmann. „Das waren Momente, wo wir auch kurz erst einmal schlucken mussten. Aber als dann vor vier Jahren die neue Firmenzentrale bezogen werden konnte, war die Lage schon deutlich entspannter. Der nun fertiggestellte Teil III ist mehr eine Abrundung und belastet durch die Vergabe an externe Mieter auch nicht mehr voll das Leica Konto.“
Leitz Park Wetzlar: das neue Archiv- Museums- und Akademie-Gebäude.
Mit dem Betreiber des neuen Ernst Leitz Hotels auf dem Gelände, der Arcona Living konnte beispielsweise ein Pachtvertrag über 20 Jahre abgeschlossen werden. Ähnliches gilt für die Kinosparte, die CW Sonderoptik, die nun als Leitz Cine Wetzlar firmiert. Schon seit langem hat sich die Familie Kaufmann auch um die Nutzungsrechte der Marke Ernst Leitz bemüht.
„Wir haben seit 2004 als Familie über die Wiederverwendung der Marke Ernst Leitz verhandelt, so Andreas Kaufmann. „In diesem Jahr konnten wir sie nun zurückerwerben. Darauf haben wir vierzehn Jahre gewartet“.
Leitz Cine Wetzlar ist als eigenständige Firma ebenfalls Untermieter im Leitz-Park und auch in dem neuen Bürogebäude sind größtenteils externe Mieter untergebracht. Was die Leica AG selbst stemmen muss, ist das große Akademie-, Archiv- und Museumsgebäude.
Zurücklehnen ist keine Option
„Das ist schon ein großer finanzieller Brocken, der von uns nun verarbeitet werden muss“, so Andreas Kaufmann. Gefragt nach seinem Gefühl, wenn er auf die neue Piazza des 3. Bauabschnitts blickt, kommt aber als Antwort – anders als vielleicht zu erwarten – so etwas wie Zufriedenheit oder Stolz. Im Gegenteil sowohl er, als auch Frau Rehn-Kaufmann, verantwortlich für alle kulturellen und kuratorischen Aufgaben im Unternehmen, planen schon den nächsten Schritt, um diesen Ort noch lebendiger noch kommunikativer zu gestalten. Von einem Ende der Bautätigkeit und der Entwicklung des Firmengeländes sieht sich die Betreiberfamilie noch weit entfernt. Zurücklehnen ist keine Option.
„Wenn ich das hier so sehe, fällt mir eigentlich nur ein, was alles noch zu tun ist“, äußert sich Karin Rehn-Kaufmann. Ihr ist das ganze Gelände noch zu weitläufig. So soll das Gelände durch weitere Gebäude noch ergänzt und verdichtet werden. Darüber was und wie nun weitergebaut werden soll, denkt man in der Familie Kaufmann zurzeit intensiv nach.
„Der neue Leitz-Park stellt ein führendes Zentrum der optischen Industrie dar. Forschung, Kunst und Kultur gehen hier eine Symbiose ein, die Foto-Enthusiasten aus aller Welt anziehen wird. Mit insgesamt rund 1200 Arbeitsplätzen ist das gesamte Areal in vielfacher Hinsicht für die Region von Bedeutung, wovon die Stadt Wetzlar und der Tourismus auch stark profitieren werden“, erläutert Dr. Andreas Kaufmann. Das neue Areal beherbergt vier Gebäudekomplexe, darunter das kürzlich eröffnete Arcona Living Ernst Leitz Hotel mit 129 Zimmern, Appartements und Suiten, das sich mit seinem künstlerischen Gesamtkonzept ebenfalls der Fotografie verpflichtet hat. Insgesamt sind dort derzeit über 250 Fotografien von mehr als 60 Fotografen zu sehen. Daneben befindet sich das neue Leica Gebäude mit Museum, Archiv, Fotostudio, Store und Museums Shop. Insbesondere das Museum wird ein wichtiger Bereich im Leitz-Park werden und zukünftig die gesamte Leica Geschichte von Mikroskopen über Kameras bis hin zu Sportoptikprodukten thematisieren.
Leica M10 Special Edition by Zagato.
Überraschend und gegen den Trend der Branche ist allerdings nicht nur die Bautätigkeit bei Leica und der Leitz-Park GmbH. Auch bei der Entwicklung neuer Produkte und Technologie wird mit Hochdruck gearbeitet. So wurden zur Eröffnungsfeier zwei neue Produkte vorgestellt: Die Leica C-Lux und ein Sondermodell der Leica M 10 im Design von Zagato (Über beide hat www.dasfotoportal.de gesondert berichtet).
„Wir sind in der Industrie heute in einer Position, die es uns vielleicht manchmal etwas leichter macht als andern, aber wir haben auch lange und hart um diese Position gekämpft“, sagt Dr. Andreas Kaufmann, der sich auch über eine hochqualifizierte, unternehmensverbundene Mitarbeiterschaft freuen kann.
Vom Schlafwagen in die Führungsetage
So ein echtes Leica-Firmengewächs ist Stefan Daniel, dessen Laufbahn noch bei Leitz in der Lehrwerkstatt begonnen hat und der heute als Directory oft Produkt Management die Produktentwicklung im Hause Leica verantwortet. Vor dem historischen Gebäude, in dem er als Lehrling bei Leitz anfing, hatte Ernst Leitz II damals nach langen langwierigen Mitarbeiterberatungen seine legendäre Entscheidung getroffen, die Leica zu bauen. Noch heute erinnert daran eine an der Mauer angebrachte Plakette. Bei den Mitarbeitern hieß das Gebäude der Schlafwagen. Dort waren nämlich außer der Lehrwerkstatt auch die Optikrechner untergebracht. Da diese im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern zwei Stunden Mittagspause machen durften, um sich besser konzentrieren zu können, wurde ihr Büro als der Schlafwagen tituliert.
Vorstellung der Leica C-Lux Zoomkompaktkamera durch
Karin Rehn-Kaufmann und Stefan Daniel.
Ganz und gar nicht verschlafen sind allerdings die neuen Kameras und das Zubehör, das Leica anlässlich der Wetzlarer Fotofeiertage präsentieren konnte. Gemeinsam mit Karin Rehn-Kaufmann hat Stefan Daniel zunächst das jüngste Baby des Hauses, die Leica C-Lux vorgestellt. Diese kompakte Reisekamera mit fest eingebautem 15-fachen Zoomobjektiv, zielt denn auch auf eine vorwiegend weibliche Käuferschicht , die zudem sehr überzeugend und animierend in einem sehr persönlichen und authentischen Werbefilm mit Frau Rehn-Kaufmann und ihrer Tochter angesprochen wird.
Man trägt Quer
Die neue Leica C-Lux aber auch schon die Leica Sofort sprechen ganz klar junge, design- und modebewusste Frauen als Käufer an. Beide werden – nicht zuletzt auch wegen der zur Verfügung stehenden Farbvarianten aber auch wegen der optionalen die bunten Trageriemen von vielen Besitzern auch als modisches Accessoire getragen. Und das immer öfter quer über die Brust wie ein kleines Handtäschchen. Eine Antwort neben dem modischen Aspekt, ist natürlich nicht zuletzt auch die Wertschätzung der Leica Kameras durch ihre Besitzer. Während bisher Kameras lässig über einer Schulter getragen wurden, scheint dies den Käufern einer preislich meist höherwertigen Leica wohl zu gefährlich zu sein. Zu leicht rutscht die Kamera, die nur auf einer Schulter ruht, auch einmal herunter.
Bruce Davidson (links) erhält den Leica Hall of Fame 2018 Award
von Karin Rehn-Kaufmann, die hier modisch die Leica C-Lux trägt.
Frauen als Zielgruppe hat Leica schon länger und vor allem in Asien im Visier: „Wir haben es ja in Asien gesehen, wo schon immer mehr Frauen in der Fotografie auftauchen. Das wird ein wichtiger Weg sein, diese Sparte auszubauen“, glaubt Andreas Kaufmann. „Da wollen wir auch noch ein bisschen was zu tun.“
Leica Fotografie als Erlebnis
Zu den Höhepunkten des Wetzlarer Fotofestes zur Eröffnung des Leitz-Parks zählten die zahlreichen Ausstellungen, die Abendveranstaltungen mit Fotografengesprächen und Überraschungskonzerten mit den Orchestern Blechlust aus Salzburg, ihr gemeinsamer Auftritt mit dem Fotografen und Trompeter Till Brönner sowie der Auftritt des aus Los Angeles angereisten Jazzmusikers, Skateboarders und Fotografen Ray Barbe. Mit Begeisterung wurde auch die Ausstellung von Bruce Davidson gefeiert, der zudem mit dem Leica Hall oft Fama 2018 Award ausgezeichnet wurde.
Till Broenner mit dem Enssemble Blechlust aus Salzburg.
War das offizielle Eröffnungsprogramm der ersten beiden Tage den über Tausend geladenen Gästen vorbehalten, so konnten dann am Sonntag auch alle anderen Leica Interessierten bei freiem Eintritt die neuen Gebäude, Ausstellungen, den Leica Shop und die Leica Hands-On Areas besuchen um sich über den Stand der Dinge bei dem Traditionsunternehmen zu informieren. Food Trucks sorgten für das leibliche Wohl, eine große Terrasse mit Biertischen diente zum Austausch von Erfahrungen und Fachsimpeln. Wer wollte konnte seine Traumkamera testen und erleben, Action-, Makro- oder Porträtfotos an vorbereiteten Sets aufnehmen oder ein trendiges Sofortbild von sich machen lassen. Unser Resümee: So schön, spannend, und unterhaltend können Fotografie und Fotografieren sein. Unbedingt nachahmenswert!