Norbert Rosing mit der Leica S2
Herr Rosing, was lässt sie so konsequent am Film festhalten?
Norbert Rosing: Ganz einfach: Nach wie vor gibt es für mich persönlich noch keinen Ersatz für das Leuchten des Dia auf dem Leuchtpult oder auf der Leinwand. Noch immer ist für mich, wenn es um „stille Bilder“ geht die Kombination: Fujichrome Velvia 50 + Leica Objektive + Stativ = optischer Genuss. Ich habe in den vergangenen Monaten sehr häufig hybrid fotografiert und komme immer wieder zum gleichen Ergebnis. Es geht mir nicht darum: analog ist besser / digital ist besser. Das was „hinten raus kommt“ zählt.
Sind Sie grundsätzlich gegen die Digitalfotografie?
Norbert Rosing: Nein, überhaupt nicht. Nur sollen meine Bilder die Welt möglichst so wiedergeben, wie ich sie sehe, beziehungsweise gesehen habe und nicht so wie ich sie mir später am Bildschirm schön geklickt habe.
Viele Fotografen behaupten aber, die Bilder entstünden im Kopf und nicht mit der Kamera…
Norbert Rosing:Das mag für viele Bereiche auch stimmen, etwa in der Kunst oder in der Werbung, wo die Bilder andere Aufgaben haben. In der Naturfotografie geht es darum, die Einzigartigkeit des Momentes draussen zu zeigen, wie er ist und nicht wie unsere Fantasie ihn vielleicht verklären möchte.
Und das geht ihrer Meinung nach mit der Digitalfotografie nicht?
Norbert Rosing: Eingeschränkt. Wenn ich beispielsweise auf internationalen Treffen oder grossen Ausstellungen Fotos von digital arbeitenden Kollegen gesehen haben, dann störten mich vor allem die nachträglich bereinigten Farben. In der Arktis z. B. erscheint Schnee bei den unterschiedlichen Lichtverhältnissen immer anders; grau, bei bewölktem Himmel, blau, bei blauem Himmel, soft, bei leicht bewölktem Himmel. Heute sind alle Schneebilder gleich weiss. Es sieht wirklich anmutender aus, aber es zeigt nicht mehr wie es wirklich war. Ich nenne es das „Lightroom weiß“. Es fehlten die Zwischentöne, wie sie die Natur liefert. Sie wurden in der Nachbearbeitung einfach abgeschnitten.
Aber auch früher wurde ja viel bei der Entwicklung und im Druck schon nachgebessert?
Norbert Rosing: Das stimmt. Ich habe das allerdings nie betrieben. Ich habe sorgfältig entwickelt und das Dia ist für mich das Endergebnis, das meine Kunden bekommen und auch noch immer von mir fordern. Übrigens: seit Jahren entwickelt die Bildmanufaktur München meine Filme und immer ohne Beanstandung. In 24 Stunden sind alle Filme entwickelt, gerahmt, mit dem wichtigsten beschriftet und eingetascht. 1500 Bilder eines Shootings sind an einem Tag durchgesehen und die erste Wahl an die Kunden verschickt.
Wollen die denn keine digitalen Bilddaten?
Norbert Rosing: Zunächst wird nach digitalen Bildern gefragt. Wenn ich aber darauf hinweise, dass ich nur Dias liefern kann höre ich des öfteren: gottseidank. Was mich selber etwas verwirrt und dennoch sehr erfreut. Ich arbeite heute mit Kunden, die mich ansprechen, weil ich analog fotografiere. Bei den grossen Agenturen ist das natürlich etwas anderen. Da habe ich mit meinen Arbeiten keine Chance mehr. (Bis auf wenige Ausnahmen)
Ist das in unserer Zeit nicht sehr umständlich und langsam?
Norbert Rosing: Die Zeit spielt bei meiner Fotografie eine untergeordnete Rolle. Ich arbeite Wochen, Monate, ja manchmal sogar Jahre, um genau das Foto zu erhalten, das überzeugend die Stimmung zeigt, in der die Schönheit oder Besonderheit eines Naturphänomens optimal deutlich wird. Da kommt es auf die Schnelligkeit, mit der das Bild beim Kunden ist, nicht so sehr an.
Aber es gibt auch ein zweites Argument: Ich bin Fotograf und kein Bildbearbeitungsspezialist. Ich bin lieber in der Natur und fotografiere, statt am Computer meine Fotos zu bearbeiten.
Ist das eine Absage an die Digitalfotografie?
Norbert Rosing: Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe mir jetzt für bestimmte Aufgaben eine Leica S2 zugelegt.
Fehlen Ihnen da nicht genau die Objektive mit langen Brennweiten, wie Sie sie in der analogen Fotografie bisher eingesetzt haben?
Norbert Rosing: Ich werde ja weiterhin analog fotografieren und dafür bin ich mit meinen Leica-R-Ausrüstungen hervorragend ausgestattet. Die Leica S2 sehe ich als Einstieg in eine neue fotografische Welt. Leica strotzt nur so vor Ideen wie dieses System ausgebaut werden kann. Ich bin mir sicher: alle Objektive die ich zur Verwirklichung meiner Bilder in der Landschafts- und Makrofotografie brauchen werde, werden in absehbarer Zeit kommen. Und diese Kamera liefert „Top Notch“ Qualität. Ich werde in der Lage sein riesige Ausstellungsbilder zu produzieren, in denen der Besucher optisch wandern kann wie im richtigen Wald.
Kommt da dann nicht doch das Problem des Zeitaufwands für die Nachbearbeitung auf Sie zu?
Norbert Rosing: Nein, deshalb habe ich mich ja für die Leica S2 entschieden. Sie arbeitet nicht nur mit dem universellen Adobe RAW-Format DNG, sondern zeigt beim Öffnen auf dem Kameramonitor auch das Bild so an, wie ich es später auch auf dem Mac Bildschirm habe. Bisher habe ich keine Notwenigkeit für eine Nachbearbeitung feststellen können.
Und was ist mit den Zwischentönen, von denen sie vorher sprachen?
Norbert Rosing: Die sind überraschenderweise im unbearbeiteten Zustand alle sehr fein abgestuft vorhanden. Der große Sensor und die verhältnismäßig großen Pixel verbunden mit der effektiven Rauschunterdrückung sorgen für eine Qualität, die meine Kleinbilddias auf Film bei weitem übertrifft, doch, wie schon gesagt: ein Dia bleibt ein Dia, ein digitales Bild bleibt flach. Ich will nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Heißt das, dass sie jetzt doch umsteigen auf die Digitalfotografie?
Norbert Rosing: Sagen wir es einmal so: Dort, wo ich mit der analogen Fotografie an die Grenzen stoße, setze ich zur Qualitätssteigerung die Leica S2 ein. Es ist eine Ergänzung, kein Ersatz.
Könnten Sie da nicht einfach eine analoge Mittelformatkamera einsetzen?
Norbert Rosing: Das wäre sicher eine Lösung. Nur wird das analoge Mittelformat genauso wenig weiterentwickelt wie Kleinbildsysteme. Ganz abgesehen davon, dass sie eine andere Form der Fotografie erfordern. Die Leica S2 kann ich weitgehend so handhaben wie meine anderen Spiegelreflexkameras und ich kann mich weitestgehend auf ein leuchtendes Bild im Sucher konzentrieren und habe mit Knöpfchen und Rädchen wenig zu tun. Das erleichtert die Arbeit deutlich.