Rainer Führes
„Die Imagingbranche ist auf Wachstumskurs“, so Rainer Führes, Vorsitzender des Photoindustrie-Verband e.V. (PIV) trotz weiter sinkender Kameraverkäufe. „Der Consumer-Imagingmarkt, der den gesamten Imagingworkflow von der Aufnahme, Bearbeitung, Transfer, Sicherung bis hin zur Ausgabe umfasst, befindet sich auf stabilem Niveau mit klarem künftigem Wachstumspotenzial. Smarte Innovationen stehen im zentralen Fokus der aktuellen technologischen Weiterentwicklungen.“
360-Grad-Kameras, deren Modellvielfalt weiter steigt, erobern zunehmend den Markt. Virtual Reality (VR) ist für die nächsten Jahre ein aufstrebendes Marktsegment. Multicopter, die Anzahl an Modellen nimmt kontinuierlich zu, erobern jetzt auch die Unterwasserwelt, wie Produktneueinführungen zu Beginn des Jahres 2017 zeigen. Das belebt auf die nächsten Jahre zusätzlich den von der GfK, bereits positiv prognostizierten Markt. Imaging Apps, fester Bestandteil des Imaging Ökosystems, generieren verstärkt nachgelagerte Wertschöpfungen. Bild- und Videodaten wachsen überproportional.
Das ist soweit alles richtig! Nur sind die Gewinner dieser smarten Sparten weniger die klassischen Kamerahersteller sondern vielmehr Newcomer und Start-ups vor allem aus China oder dem Siliocon Valley und ihre Produkte werden im Fotofachhandel kaum repräsentiert. Auch die im Bericht des PIV genannten smarten Speicherlösungen spiegeln wohl eher Wunschdenken der Branche als konkrete, marktrelevante Produkte wieder. „Maßgeblich zur Datensicherheit und anwenderfreundlichen Verwaltung“ wie der PIV angibt, tragen sie leider noch immer nicht wirklich bei. Im Gegenteil, man fragt sich, warum der PIV so relevante Themen wie die Datensicherheit und Verschlüsselungstechnologien für Kameras, wie sie die professionellen, fotografischen und journalistischen Verbände zum Schutz der auf in Krisenregionen beschlagnahmten Equipments befindlichen Bilder schon lange fordern, genauso wenig verfolgt wie etwa die Aufstellung klarer gesetzlicher Regeln für die Drohnenfotografie.
Tatsächliche Wachstumssegmente aus der Analogzeit, wie sie beispielsweise mit dem Sofortbild oder der Wiedereinführung von analogen Filmmaterialien zurückkehren, sind sicher für die nächsten Jahre gesehen leicht wachsende Segmente im Imagingmarkt, doch werden sie über eine gesunde Nische für Liebhaber kaum hinauskommen. Da täuscht auch der Hinweis auf die von Wachstumsraten von knapp unter 50 Prozent gesegneten guten alten Schallplatte einen Markt vor, der ebenfalls über eine gesunde Nische nicht hinauskommt. Aktuell sind es deutlich weniger als 5 Prozent am Gesamtmarkt. Wie nachhaltig sich das Wachstum dieser Nischenmärkte entwickelt sei dahin gestellt.
Das hoffen auf eine Renaissance trägt wohl kaum als Zukunftsstrategie. Richtig als relevanten Hoffnungsträger hat PIV den Outputbereich identifiziert: „Die Ausgabe von Bildern auf allen nur denkbaren Medien, ist gefragt wie Jahre nicht mehr. Hierzu zählen nicht nur klassische Fotodrucke im Postkartenformat, sondern auch großformatige Drucke auf Acryl und Alu, Holz und Canvas sowie hochwertige Fotobücher mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.“
Traditionell schwer tut sich der Photoindustrie-Verband mit der Beurteilung und Vereinnahmung der industriellen Bildtechnik. Zwar steigt, wie der Bericht feststellt, die Relevanz von Bildern mit der digitalen Transformation. Doch die „diversen Aufnahmesysteme, mit ihren nachgelagerten smarten Lösungen“, die demnach aktuell den Bereich Smart Home verstärken, haben mit den auf der photokina und vom PIV vertretenen Industrien wenig zu tun. Die laut PIV für Schlagzeilen sorgenden, fest eingebauten Kameras in Kühlschränken und Aufnahmelösungen zum Nachrüsten, sind Bauteile mit denen die Kameraindustrie in ihren Marktsegmenten wohl kaum Mehrwerte zu generieren in der Lage ist. Hier werden die günstigsten und schnellsten Massenfertiger ihren Profit machen. Das gilt auch für die als Trendthema bezeichneten kleinen, mit Kameras ausgestatteten Roboter, die Menschen in Zukunft begleiten werden.
„Vernetzte 360-Grad-Indoorkameras im Zusammenhang mit Smart Home, sind ein weiteres Zukunftsthema von enormem Marktpotenzial“, heißt es im PIV Bericht weiter und auch: „Ein, auf die nächsten Jahre überdurchschnittlich boomendes Segment, ist die Sicherheitstechnik im öffentlichen und privaten Raum. Über 170.000 Sicherheitskameras werden nach aktueller Recherche weltweit täglich gefertigt – ein Markt von jährlich über 62 Millionen verkauften Sicherheitskameras. Diese sind in zunehmend smarte Systeme aus Software sowie Displays eingebettet. Innerhalb des Imaging Ökosystems stellt die Sicherheitstechnik, deren Herzstück Imagingtechnologien sind, einen selbstständigen Bereich dar. Allein Bahn und Bund haben für Deutschland vereinbart, bis 2023 gemeinsam 85 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung der Bild- und Videotechnik zu investieren. Mobile Kameras, sogenannte Bodycams, sind im Segment der Aufnahmegeräte ein weiterer zentraler Baustein für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum und von wachsender Marktbedeutung. Sie ergänzen beispielsweise hier in Deutschland, die rund 5.000 Sicherheitskameras in etwa 700 Bahnhöfen.“
Hiervon wird aus der klassischen Fotoindustrie wohl vor allem Canon profitieren, die Firma die in diesem Segment wohl die größten Geschäfte von allen PIV Mitgliedern macht. Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Vorstandsvorsitzende dies in seiner Mitteilung besonders hervorhebt. Vielleicht sind dies auch alles erste Anzeichen dafür, dass sich die traditionellen BIG-Player des Fotomarktes vom B 2 C Geschäft mit Aufnahmegeräten, Zubehör und Dienstleitung auf das B 2 B Geschäft mit industriellen Imaging Technologien umstellen. Darauf verweist auch folgender Absatz im PIV Bericht:
„Robotronik ist sowohl in den Bereichen B2C als auch B2B ein Zukunftsmarkt mit enormem Marktpotenzial. Aufnahmesysteme und smarte Innovationen sind hier von elementarer Bedeutung. Für einen Fleck oder eine Wollmaus gehen sie jede Extrameile und zum Spielen oder Vorlesen einer Gutenachtgeschichte, sind sie nie zu müde – Haushalts- und Unterhaltungsroboter werden verstärkt zu beliebten Mitbewohnern. Sicherheits- und Überwachungsroboter werden bereits in Pilotprojekten getestet. In Deutschland kommen laut International Federation of Robotics (IFR) im produzierenden Gewerbe bereits 301 Roboter auf 10.000 Beschäftige. Vor allem Automobilhersteller setzen schon seit längerem auf die mechanischen Mitarbeiter. Verstärkt wird im Zusammenhang mit Robotronik an künstlicher Intelligenz gearbeitet. Die technische Evolution wird sehr viel schneller und gezielter sein, als die biologische.“
Wird es demnächst keine Fotografen mehr geben sondern Fotoroboter? Ein neues Hobby und ein neues Berufsbild: Statt den Himmel, wie die Drohnen, erobern jetzt die mobilen Fotoroboter auch den Boden. So sieht PIV auch die Augmented Reality (AR) zum Durchbruch im Massenmarkt heranreifen. „Die Entwickler von AR-Brillen fokussieren sich derzeit auf Geschäftsanwendungen. Enormes künftiges Marktpotenzial liegt in AR auch deshalb, weil die technologische Infrastruktur für AR-Lösungen bereits vorliegt. Auf aktuellen Smartphones lassen sich schon jetzt AR-Anwendungen ohne Datenbrillen durchführen.“
Diese Entwicklung veranlasst Rainer Führes zu dem abschließenden Statement: „Die Digitale Transformation setzt Zeichen und sorgt für Wachstum. Imagingplayer treiben ihre Entwicklung von reinen Hardware- zu zusätzlichen Software- und Dienstleistungsspezialisten weiter voran und bieten verstärkt auch Imaginglösungen für B2B an. Das Imaging Ökosystem gewinnt durch Innovationen rund um Smart Home, Automotiv, Robotronik sowie Sicherheitstechnik weiter an Relevanz“.
Die kreative Fotografie, deren Bilder mehr als tausend Worte sagen und auch die visuelle Kommunikation, die die Bilder – wie es auch Rainer Führes noch auf der photokina prophezeite – als die neuen Worte sieht , werden nach diesen Prognosen von der Imaging Branche als obsolet in die Wüste der Bedeutungslosigkeit geschickt.
Doch glauben Sie mir: Fotografieren, das Festhalten der Zeit zur Wahrung von Erinnerungen, zur Wiederbelebung von Vergangenen oder zur künstlerischen Interpretation der Realität wird sich notfalls ohne die einstigen Platzhirsche des Genres weiterentwickeln. Sie wird Produkte generieren, mit denen wir visuelle Erlebnisse gestalten werden, wie sie viele heute noch kaum für möglich halten. Sie werden uns erlauben, in Welten einzutauchen, von denen wir bis heute noch nichts ahnen und sie werden uns neue Mittel des visuellen Storytellings an die Hand geben, mit denen wir vernetzte Partner, intelligent oder meinetwegen auch smart, immer eindrucksvoller an unserem bilderreichen Leben teilhaben lassen können.
Brigitte Henninges