„Aber, wie schrecklich, die Tränen kullern heiß, Landschaft und Nina
Und alles nur schwarzweiß“
ärgert sich in dem Song Due hast den Farbfilm vergessen die Sängerin Nina Hagen. Bei der aktuellen Renaissance der Schwarzweißfotografie möchte man auch so manchem Fotografen den Vorwurf machen, die Farbe zu vergessen. Schließlich ist unsere Welt bunt, zumindest meist farbig. Erst seit rund fünfzig Jahren hat sich die Farbe auch in der Breitenfotografie durchsetzen können. Und heute als Reaktion auf die farbige, digitale Bilderflut kehren zahlreiche Fotografen ihr wieder den Rücken zu. Warum? Weil Fotografie per se nie wirklich die Realität abbildet, sondern sie stets abstrahiert. Umso mehr Abstraktion, je einfacher die Sprache und umso geringer die Menge an Informationen. Das macht es den Betrachtern einfacher ein Bild zu lesen und zu verstehen. Aber Achtung: Inhaltslose Fotos werden auch durch das Weglassen der Farbe nicht besser.
Einer der ganz Großen der modernen Farbfotografie: Tobias Zielony,
der gerade im Museum Folkwang mit einer großen Ausstellung gefeiert wird.
Foto: Tobias Zielony
Aral-1, 2004 aus der Serie Tankstelle
Courtesy KOW, Berlin © Tobias Zielony
Es gab und gibt selbst unter den größten Fotografen Vertreter, die Farben im Foto für überflüssig hielten. Henri Cartier-Bresson gehörte zum Beispiel dazu und zugegeben, viele der weltweit gefragtesten Fotografien sind Schwarzweiß. Das ist allerdings nicht zuletzt auch damit zu erklären, dass es sich in der Mehrzahl um ältere Fotos aus der frühen Fotogeschichte handelt wie beispielsweise die Landschaftsbilder eines Anselm Adams, die Porträts von August Sander oder die Reportage Fotografien von Robert Frank und Wegee oder auch die sensiblen Beobachtungen des Kindermädchens Vivian Maier, deren späte, farbige Fotos neben den großartigen SW-Aufnahmen sehr zu Unrecht in den Hintergrund rücken.
Ernst Haas, ein Virtuose der Farbe in der Fotografie.
In der Fotografie dieses Jahrtausends, also der letzten 20 Jahre, sind große Namen wie der eines Sebastião Salgado, Peter Lindberg oder der weniger bekannten Fotokünstlerin Britta Jaschinski, die für außerordentliche Schwarzweißfotografie stehen, weniger häufig anzutreffen. Auch wenn augenblicklich wieder mehr Schwarzweiß fotografiert wird, bleibt in den Bildern zwar die Farbe weg aber oftmals auch der wirkliche Tiefgang.
Dennoch: Schwarzweiß ist eine wichtige Lektion auf dem Weg durch die Schule des Sehens: Das Fehlen der Farben macht Linien, Strukturen, Formen und Flächen deutlicher und auch einfacher erkennbar, in dem es farbige Bilddetails als Grautöne zusammenfasst, sie klarer trennt und damit die Bildinformationen automatisch komprimiert oder negativ ausgedrückt auch weglässt.
Fast schon ein Geheimtipp: die Farbfotografien
von Vivian Maier.
Dies soll kein Klagelied über das erneute Verschwinden der Farbe aus der künstlerischen Fotografie sein, sondern ein Anstoß dafür, sich wieder intensiver mit dem weitaus anspruchsvollerem Thema Farbe auseinander zu setzen wie es beispielsweise sehr früh ein Ernst Haas, später der in etwas in Vergessenheit geratene Cheyco Leidmann, ein Nick Night, Alex Web oder auch schon früh Saul Leitner vorgemacht haben. Als Inspiration auf dem Weg zu besseren Farbbildern sei die Lektüre der Bildbände dieser großartigen Fotografen empfohlen.