Ein Herz und eine Seele? Ringfoto und europafoto Geschäftsführer Michael Gleich
und Christof Bergmann beim Shake Hands eskortiert von ihren
Verwaltungsratsvorsitzenden Rainer Th. Schorcht und Andreas Manthey.
Bevor die Geschäftsführer von europafoto und Ringfoto bei der Eröffnung ihrer ersten gemeinsamen Herbstmesse, ambitioniert als „Die Fotomesse des Fachhandels“ betitelt, gemeinsam vor ihre Mitglieder treten konnten, war eine schmerzliche Trennung nötig. Vor Jahren scheiterte bereits ein erster Anlauf, weil – wie Wirtschaftswoche es damals beschrieb – die handelnden Personen in ihren Ansichten zu weit auseinander lagen. Jetzt setzten die Verwaltungsratsvorsitzenden der Handelskooperationen das Thema Ehe erneut auf die Tageordnung. Zu bedrohlich sind die Entwicklungen am Fotomarkt. Zu groß die Herausforderungen des Wandels für den Fachhandel angesichts der Online-Händler und Technik-Großmärkte und zu unbedeutend der Einfluss des Vertriebskanals Fachhandel bei der Entscheidung der Leitmesse ihrer Branche, der photokina, ein neues Konzept mit jährlicher Frequenz, neuem Datum und kürzerer Laufzeit zu verpassen. Der wichtigste Vertriebskanal der Fotoindustrie wurde bei dieser Entscheidung schlichtweg übergangen und der Einfluss des Photoindustrie-Verbandes auf die photokina ist auf die Formulierung „ideller Partner“ geschrumpft.
Christof Bergmann und Michael Gleich bei ihrer ersten gemeinsamen Präsentation
von Zahlen und Trends der beiden Fotofachhandelskooperationen
Ringfoto und europafoto auf dem Herbsttermin
„Die Fotomesse des Fachhandels“ in Nürnberg.
Als der wichtige Messetermin im Herbst als Motor und Motivator für das Weihnachtsgeschäft nun praktisch ersatzlos weggefallen war, kamen die beiden Einkaufsgruppen schnell überein, ihre traditionellen Einkaufsmessen im Herbst zukünftig gemeinsam und in einem attraktiveren, größeren Rahmen zu gestalten. Die Messe Nürnberg, eines der modernsten Ausstellungszentren Deutschlands, erschien da den meisten als eine passende Antwort.
Offen, hell, geräumig mit einer hervorragenden Infrastruktur versehen wurde die erste gemeinsame Messe zu einem echten Highlight für Handelsgespräche, Produktdemonstrationen, Praxisworkshops, Neuheiten und Marktinformationen. Wichtiger noch aber war der individuelle Austausch untereinander zwischen den einzelnen Händlern, den Kooperationen und der Industrie. Allerdings waren auf der Messe die beiden Einkaufsgruppen mit ihren Angeboten noch mit eigenen, getrennten Ständen, wenn auch in unmittelbarer Nachbarschaft, vertreten. Ihr Auftritt spiegelte auch die jeweilige deutlich unterschiedliche DNA der Gruppen wider: Eine moderne Bar, weiße Sessel und Sitzgruppen bei europafoto, nüchterne, zweckmäßige Arbeitstische für die Ringfotohändler. Eine gemeinsame Cafereria für beide Gruppen in der Mitte. Ja, wozu brucht es da noch eine eigene europafoto Bar Offensichtlich ist für den Handel die Verpflegung ein wesentlicher Faktor für die Zufriedenheit und für so manchen Händler, war dieses Thema im Vergleich bei den früheren, getrennten Veranstaltungen der beiden Handelsgruppen offensichtlich besser gelöst worden.
Bis zu den Hauptversammlungen im Juni sollen alle Fragen
abstimmungsreif geklärt sein.
Die Geschäftsführer und Verwaltungsratsvorsitzenden jedenfalls demonstrierten Gemeinsamkeit und Übereinstimmung. Christof Bergmann, der ausgetauschte, neue Geschäftsführer europafoto und Michael Gleich, Geschäftsführer der Ringfoto, präsentierten gemeinsam die Ergebnisse und Ziele ihrer Gruppen, die sich soweit angenähert zu haben schienen, dass man sich fragte, warum nicht gleich so?
Wichtig war es den Geschäftsführern, ihren Mitgliedern klar zu machen, dass von einem Zusammenschluss die beide Gruppen profitieren würden. Dass dafür auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen, untersuchen nun unabhängige Wirtschaftsprüfer, die wie es Michael Gleich es ausdrückte, sicherstellen sollen, dass keiner der beiden irgendwelche Leichen im Keller hat.
Bei ihrer Präsentation der Pläne für eine gemeinsame Zukunft, arbeiteten die beiden Geschäftsführer auch einen Katalog eventuell auftretender Fragen und Zweifel ab. Fragen nach dem Warum der Fusion, den Vorteilen für die einzelnen Mitglieder und dem individuellen Stellenwerten innerhalb der erweiterten Gruppe wurden genauso abgearbeitet, wie versucht wurde, den Befürchtungen, dass sich die Verwaltung zu einem Wasserkopf entwickeln würde, zu begegnen. Auch die Frage, wie mit den individuellen Anteilen der Einzelmitglieder an ihrer Gruppe umgegangen würde, war Gesprächsthema. Nicht zuletzt spielen auch der Umgang mit den Unternehmenswerten, sprich Anteilen an Vermögenswerten bzw. Immobilien eine Rolle. Zu Fragen, die noch nicht beatwortet werden konnten, gehörte die nach dem Namen, unter dem man zukünftig zu operieren gedenke und wie mit den etablierten Markennamen Ringfoto und europafoto umgegangen würde. Letztere wurde mit einem klaren Bekenntnis zur Beibehaltung der bestehenden Marken beantwortet. Nur eine Frage konnte trotz einen klaren Bekenntnisses auf Augenhöhe verhandeln zu wollen, nicht ganz überzeugend geklärt werden: Übernimmt hier einer den anderen? Den immer wieder geäußerten Lippenbekenntnissen zum Trotz entstand für Außenstehende schon häufig der Eindruck, dass die Ringfotogruppe sich die europafoto Händler einverleiben werde. Das ließ sich an einigen Symptomen festmachen.
Der Vortrag von Martin Wagner, Trendscout und DigiGuru der
Ringfoto Gruppe, gehört zum Standardprogramm
der Rinfotoherbstmesse.
Das erste und wichtigste ist die Tatsache, dass die europafoto Gruppe ihren langjährigen Geschäftsführer Robby Kreft hat opfern müssen, um ernsthaft in Fusionsverhandlungen eintreten zu können. Der gemeinsamen Messe hatte er ja bereits zugestimmt. Die Nähe der Nürnberger Messe zum Fürther Firmensitz der Ringfoto Gruppe mag Zufall sein, denn die Wahl eines modernen Veranstaltungsortes war zwar teuer aber sicher richtig, wenn auch immer wieder betont wurde, dass dieser Punkt auf alle Fälle auch aus Kostengründen diskutierbar sei. Der Ablauf, das Vortrags-, Informations- und Workshop-Programm aber zeigte deutlich die Handschrift des Platzhirsches. – angefangen von den Essensmarken bis hin zu dem traditionellen Motivationsvortrag des Innovationsscouts und Digi Gurus Martin Wagner.
Die Fotomesse war zweifellos mehr als nur ein zusammengelegter Herbsttermin zur Vorbereitung des weihnachtlichen Saisongeschäfts. Es war eine Entscheidung der Vernunft, mit der der Fotofachhandel seine Position gegenüber der Industrie aber auch gegenüber dem Wettbewerb mit Onlinehändlern und Großmärkten stärken kann. Um die Fusion zum Erfolg zu führen sind jedoch noch gewaltige Herausforderungen zu bewältigen. Das Zeitkorsett ist eng geschnürrt. Spätestens Anfang nächsten Jahres sollen die technischen Fragen zur Zusammenführung der Unternehmen geklärt sein. Zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlungen beider Gruppen sollen alle Fragen soweit geklärt sein, dass ihre Mitglieder über eine Fusion abstimmen können. Welche Bedeutung diese für die gesamte Branche hat, zeigte die große Zahl führender Manager aus Industrie und Handel. Auch Abordnungen des Photoindustrie-Verbandes, der photokina und der KoelnMesse wurden gesichtet.
Noch hatte jede Kooperation auf der
ersten gemeinsamen Herbstmesse ihren eigenen Stand.
Als Veranstalter von „Die Fotomesse des Fachhandels“ können die beiden Einkaufskooperationen ihren ersten großen Erfolg verbuchen. So vermeldete Ringfoto 35 Prozent mehr Besucher, ließ aber offen, ob es zusammen 35 Prozent mehr waren oder ob es die dazugekommenen europafoto Händler waren, die den Zuwachs brachten. Insgesamt konnten die Veranstalter knapp 1864 Besucher verzeichnen, was einem Besucher-Plus von 35 Prozent gegenüber der letzten RIingfoto-Herbstmesse entspricht. In Summe waren 550 Geschäfte von Ringfoto und europafoto bei der Messe vertreten. Insgesamt vertritt die Ringfotogruppe über 1.340 Mitglieder mit rund 1.700 Vertriebsstellen, Tausenden von Fachberatern und mehr als 1,24 Millarden Euro Außenumsatz. Damit kann sie sich stolz größte Foto-Einkaufsgruppe Europas nennen.
Keinesfalls bescheidener kommt die europafoto GmbH daher. Sie ist nach eigener Aussage mit ihren europäischen Gesellschaftern seit 2012 erstmals eine der umsatzstärksten Fotoverbundgruppen Europas. Gemeinsam erwirtschafteten die Gesellschafter in ihrer über 400 Outlets über 423 Millionen Euro. Insgesamt hat der Fotofachhandel am Vertrieb von Fotoprodukten in Deutschland einen Anteil von über 40 Prozent, was ihm gegenüber den Lieferanten aus Industrie aber auch im Bereich Dienstleistung zu einem wichtigen, unverzichtbaren Partner macht.
Die eingeführten Marken Ringfoto und europafoto sollen auch in dem
neuen, gemeinsamen Unternehmen weitergeführt werden.
Trotz des Erfolges von „Die Fotomesse“ gaben die beiden Geschäftsführer Christof Bergmann und Michael Gleich ein klares Bekenntnis zur photokina ab. Allerdings seien ihre Vorstellung und Forderungen an die KoelnMesse durch das neue Konzept keinesfalls ausreichend erfüllt. Als erstarke, vereinte Gruppe, hofft man auch dort nun offene Ohren zu finden.
„Die Branche braucht eine photokina“, hieß es in Nürnberg unisono. Doch hinter vorgehaltener Hand hieß es auch: „Aber nicht so!“ Bis auf weiteres haben die beiden Kooperationen ihre weniger wichtigen Frühjahrsmessen wegen des neuen photokina Termins im Mai zugunsten einer gemeinsamen Roadshow im Frühjahr aufgegeben. Der Tanz in den Mai ist für die Fotofachhändler aber ganz offensichtlich weniger reizvoll als das Erntefest zum Ende des Jahres!