Das Auftauchen des Rollfims in den Jahren ab 1880 hat die Welt der Fotografie grundlegend verändert. Es ermöglichte die Entwicklung kleinerer, mechanisch gesteuerter Kameras. Die Zahl derjenigen, die sie bedienen konnten stieg kontinuierlich. Gegenüber den bis dahin verwewndeten Glasplatten bot der film durch die Abfolge nacheinander aufgenommener Bilder einen enormen Zuwachs an Bedienkomfort.
35-mm-Film aus Zellulosenitrat mit Lumière-Perforation und Metalldose (links). Kodak Tank, 1911 (mitte). Zur Spulenbox aus Holz gehört eine Entwicklerdose aus chromiertem Metall, in die der auf einen Acetatträger gerollte Film zur Entwicklung hineingelegt wird. 35-mm-Farbdiapositivfilm Kodachrome K-135 (rechts), um 1970, mit Filmtasche für die Einsendung ins
Entwicklungslabor.
„Die Ausstellung veranschaulicht die triumphale Demokratisierung der Fotografie durch ihre Nutzung von einem städnig wachsenden Heer von Amateur- und Berufsfotografen“, heißt es in einem offiziellen Komunique des Museums. „Der Besucher entdeckt neben diversen, oft unbekannten Fotoausrüstungen auch verwunderliche Anwendungen.“
Noch vor George Eastmans Rollfilm gibt es im Deutsch-Französischen Krieg von 1870 ein erstes Beispiel für einen Film des Chemikers und Fotografen Prudent René-Patrice Dagron. Damals wurden wichtige Dokumente fotografisch auf Kollodiumpapier verkleinert und mit Brieftauben ins belagerte Paris
gebracht.
Nachdem Eastman die kleine, benutzerfreundliche Kodak Kamera mit Rollfilm und den berühmten Slogan «You press the button, we do the rest», auf den Markt brachte, wird die Fotografiefür alle möglich. Sie wird zur «Zeugin
glücklicher Tage» im Leben von Hobbyfotografen und ihrer Familien. Das nun für jedermann zugängliche fotografische Bild wird spontaner.
Von der Erfindung des Kinos zum goldenen Zeitalter der Illustrierten
Die mit dem Rolfilm bestückte Rolleiflex Kamera wird zum Arbeitsinstrument des Fotoreporters schlechthin und leistet ab Ende der 20er Jahren ihren Beitrag zum goldenen Zeitalter der Illustrierten.
Der Cinématographe der Gebrüder Lumière (links), ab 1895 auf dem Markt, war Aufnahmegerät und Projektor in einem. Die Rolleiflex-Kamera (mitte) für das Format 6×6 cm, erstes Modell, um 1930. Ihr Visiersystem macht sie sehr diskret und bei den Reportern der ersten Stunde sehr beliebt. Leica 1 Modell A von 1925 (erste Lieferung in die Schweiz) für das Kleinformat mit 50-mm Elmax- Objektiv (rechts).
Die Verwendung des Films führt zudem zur Entstehung des Kinos. Der von Edison entwickelte 35-mm-Kinofilm ernöglicht eine weitere Neuerung im Kamerabereich. Er liefert die Basis für die berühmte Leica von Oskar Barnack. Mit diesem Apparat nimmt ab 1925 das Konzept der modernen Fotokamera Gestalt an.
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wird die Fotografie immer «enthüllender». Die Fabrikanten entwickeln immer patentere Hilfsmittel, die sich bei Fotografen grosser Beliebtheit erfreuen – auf der Suche nach
«gestohlenen» Augenblicken, die nicht gestellte und nicht abgesprochene Bilder bieten.
«Das Leben sehen, die Welt sehen, Augenzeuge grosser Ereignisse sein, die Gesichter der Armen und das Gehabe der Stolzen erblicken – Maschinen, Armeen, Menschenmassen, Schatten im Dschungel und auf der Mondoberfläche; die Werke des Menschen sehen, seine Gemälde, Bauwerke; Dinge wahrnehmen, die Tausende von Kilometern entfernt sind, hinter Mauern, in Innenräumen, an die heranzukommen gefährlich ist; Frauen, die Männer lieben, und Scharen von Kindern; sehen, und am Sehen Freude haben; sehen und
staunen; sehen und belehrt werden.»
Manifest von «LIFE», 23. November 1936
Die triumphale Demokratisierung der Fotografie
Nach Kriegsende sorgt der schnelle Wirtschaftsaufschwung zusammen mit der Tatsache, dass die Menschen über mehr Freizeit verfügen, in der Fotoindustrie für neuen Elan. Der geniale amerikanische Physiker Edwin
Herbert Land lanciert mit der Polaroidkamera das erste befriedigende Sofortbildverfahren.
Die Mechanik wird raffinierter, Spiegelreflexkameras werden effizienter und sind mit immer leistungsfähigeren Belichtungsmessern ausgestattet.
Da sich der Film hervorragend für eine industrielle Verarbeitung eignet, werden Fotos schnell zum Massenartikel.
Mit dem allgemeinen Durchbruch der Farbfotografie in den 1960er Jahren gelangen der Film und seine Entwicklung ins Angebot der Supermärkte. Die grösste Revolution der Nachkriegszeit ist die Erfindung des Kassettenfilms der Kodak Instamatic, die mit 70 Millionen Exemplaren zur meistverkauften Fotokamera der Welt wird.
Ab dieser Zeit bringt die japanische Industrie der 35 mm Spiegelreflexkamera für Profi- und Hobbyfotografen eine beachtliche Entwicklung. Die technischen Fortschritte der letzten 30 Jahre beruhen hauptsächlich auf der Automatisierung der Fotokameras dank der Elektronik: automatischer Filmeinzug und motorische Rückspulung, Berechnung der Belichtungszeit und vor allem das Aufkommen von Autofokussystemen, die eine automatische Scharfstellung ermöglichen.