Eine wie Keine: Die Lytro Lichtfeldkamera
Keine Frage, die Lytro Kamera signalisiert einen echten Neubeginn in der Welt der Fotografie. Wer sich eine Lytro kauft, der sollte zunächst einmal alles, was er über Fotografie gelernt und erfahren hat, vergessen. Zumindest vorrübergehend. Denn diese neuartige Kamera auf Basis der Lichtfeldtechnik ermöglicht eine völlig neue Art der Bildgestaltung und des Bilderlebnisses. Und wie es bei den ersten Vertretern neuer Techniken üblich: Der Einstieg in die neue Welt der refokussierbaren Living Pictures ist noch alles andere als perfekt. Aber er birgt jede Menge Entwicklungspotential.
Wer sich dennoch eine Lytro Kamera zulegt und mit ihr vorurteilsfrei herumexperimentiert, der kann mit Fug und Recht von sich sagen, an der Zukunft der Fotografie zu schnuppern. Später wird er einmal seinen Enkeln erzählen können, wie die Welt der Fotografie aussah, als man beim Fotografieren Autofokus nutzte, um scharfe Aufnahmen zu bekommen und die werden ihn fragen: „Autofokus, was ist das denn?“
Die Lytro Kamera ist der erste Vertreter einer neuen Generation von Aufnahmegeräten, die statt eines Schärfepunktes auf dem Sensor, auch die Richtung des auftreffenden Lichtstrahls definiert und somit Informationen über die Beschaffenheit des gesamten Raumes statt einer begrenzten Schärfenebene speichert. Ihr Erfinder Dr. Michael Ng, hatte dies in seiner Doktorarbeit beschrieben, und versucht, für seine Ideen einen Kamerahersteller zu finden. Vergebens, also hat er es selbst in die Hand genommen und vor zwei Jahren die Lytro erstmals vorgestellt. Jetzt ist sie auch bei uns erhältlich und ein echter Knaller, falls man genügend Spieltrieb und Technikbegeisterung und Freude an ungewöhnlichen Designkonzepten mitbringt.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird schon das Auspacken den frisch gebackenen Pionier der Lichtfeldfotografie begeistern. Die Lytro kommt in einem eleganten, weißen Karton und präsentiert sich in seinem Inneren wie auf einem Podest, um schon so ihre Einzigartigkeit zu demonstrieren. Schon damit rückt sie in die Ebene der Lifestyle Produkte, deren Sinn es ist, vor allem ihren Besitzern ein besonderes Lebensgefühl zu geben. Der Lytro gelingt dies durch ihr ungewöhnliches, ins Auge fallendes Design ebenso wie durch ihre revolutionäre Technik.
Etwas fummelig, der kleine Touschscreen zu Einstellung der Aufnahmeparameter. auch der Bildausschnitt ist nicht ganz einfach zu beurteilen.
Beginnen wir unseren Erfahrungsbericht mit der Beurteilung von Form und Handhabung. Schon hier überrascht die Kamera durch ihre minimalistische Formgebung als Quader von nur 4 x 4 x 11 Zentimetern Größe. Das Gewicht beträgt gerade einmal 155 Gramm, sodass sie keine Kameraausrüstung belastet und ohne weiteres als die ‚Kleine für besondere Fälle“ mitgeführt werden kann. Denn das sei gleich gesagt: Ein Ersatz für die bisher genutzte Kamera oder das Smartphone ist diese erste Vertreterin der neuen Fotowelt noch nicht.
Auf dem kleinen Metallquader, der an der Grifffläche eine elegante Gummiarmierung für einen sichereren Halt besitzt, muss man zunächst nach den Bedienelementen suchen. Oben befindet sich als kleine, bei Einhandbedienung gut fühlbare Vertiefung, der Auslöser, unten der Ein/Ausschalter und unter einer Abdeckung die USB Schnittstelle.
Interaktiv lässt sich durch Mausklick bestimmen, ob die Schärfe
auf dem Vorder- oder Hintergrund liegen soll.
Die sonstigen Einstellungen erfolgen über das quadratische Touschscreen Display, das die gesamte Kamerarückseite einnimmt. Zwei Betriebsmodi stehen zur Verfügung: Vollautomatik und manuell in den Parametern ISO und Verschlusszeit beeinflussbares Fotografieren. Auch ein ND-Filter kann eingesteuert werden, wenn trotz niedrigster Sensorempfindlichkeit bei gleißendem Sonnenlicht die kürzeste Verschlusszeit von 1/250 Sekunde zu lang ist. Ein einfacher Wischer nach oben über das Display aktiviert das Einstellungsmenü für die Wahl der Betriebsarten, mit Papierkorb, Bildbewertung, WiFi-Funktion, Speicherplatz- und Ladezustandsanzeige. Ein kleines Zahnradsymbol oben rechts dient zum Aufrufen des Grundmenüs für die grundlegenden Einstellparameter wie Sprache, Info- und Firmware-Anzeige. Am oberen Rand wird der Zoomfaktor angezeigt. Die Zoomverstellung erfolgt durch ein leichtes Streichen über den oberen Displayrand. Das Bedienungskonzept ist einfach und auch ohne Studium der Bedienungsanleitung zu erfassen und durchdacht. Leider reicht die Displayqualität nicht aus, um komfortabel in jeder Situation in den Genuss dieser Vorzüge zu kommen. Sei es die Spiegelung die stört oder dass die Helligkeit nicht ausreicht oder die Auflösung zu gering ist.
Auch die Lage des Monitors ist zur Ausschnittwahl nicht optimal gewählt. Normalerweise wird die Kamera in Augenhöhe gehalten. Bei einem niedrigen Aufnahmestandpunkt ist der Einblick schwierig, es sei denn, man wirft sich auf den Boden. Kleiner Verbesserungsvorschlag für kommende Kameragenerationen: Klappbarer Monitor und eine Teleskop-Sonnenblende für das Display. Netter Gag: Der quadratische Objektivdeckel, der magnetisch hält.
Auch nachträglich kann der Anwender durch Mausklick
die Schärfe wahlweise auf die vordere oder die hintere Blüte legen.
Umdenken bei der Motivwahl
Um die Besonderheit der im Nachhinein möglichen Fokuswahl in Form eines interaktiven ‚Living Picture‘ erlebbar zu machen, eignen sich besonders Motive mit kleinen Objekten im Vordergrund und mehreren im Raum gestaffelten Objekten in unterschiedlichen Entfernungsebenen. Da die Schärfentiefe in der herkömmlichen Fotografie vom Abbildungsmaßstab abhängt sind einerseits Nahaufnahmen und andererseits Telemotive mit dominanten, seitlichen Objekten im Vordergrund geeignet.
Zwar lassen sich die Bilder auch auf dem Kameradisplay anschauen und auch refokussieren. Doch für ein echtes Raumerlebnis oder eine Verschiebung der Perspektive reicht das nicht aus. Um die Bilder erlebbar zu machen, sollten sie mit der Desktopsoftware auf dem PC angeschaut werden. Dort lassen sie sich bis zu einem gewissen Grad auch bearbeiten aber vor allem in einer geringen Auflösung auch als JPGs exportieren. Außerdem stehen einige Effektfilter zur Verfügung. Besonders interessant erschien uns die Umwandlung in eine Hochkontrast-Schwarzweißaufnahme auch als Film-Noir bekannt.
Zur heutigen Generation der Bildermacher gehört natürlich das Teilen von Fotos über entsprechende Internetplattformen. Lytro Bilder können auf Facebook oder auf dem Lytro.com Portal gezeigt werden. Hier könnte die Lytro auch eine ganz neue Form der heute so beliebten ‚Selfies‘ der Selbstporträts im Netz werden, wobei sich bei der Wiedergabe die Schärfe abwechselnd auf das Gesicht und das Geschehen im Hintergrund legen lässt.
Fazit: Uns hat der Blick durch das Schlüsselloch in die Tür zur Zukunft der Fotografie viel Spaß gemacht. Die Kamera ist nicht perfekt aber ein tolles Spielzeug, auch um neue kreative Gestaltungswege zu erkunden. Sie vermittelt das Gefühl, als Pionier einer neuen Aera der Fotografie dabei zu sein.
Auch nachträglich kann die Person im Verdergrund
präzise auf das Auge fokussiert werden.
Tipps für effektvolle Lytro Fotos
Kleine Objekte groß im Vordergrund, plakativer Hintergrund, z.B. große Gebäude
Motive mit im Raum gestaffelten Objekten
Wegen des geringen Dynamikumfangs Motive ohne Helligkeitskontraste wählen
Die als Zubehör erhältliche Stativschelle und ein Stativ verwenden.
Nahaufnahmen mit kleinen Objekten in unterschiedlicher Entfernung