Nikon 1 J3 Vorder- und Rückseite.
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Die Nachfrage für Kompaktkameras geht drastisch zurück. Verständlich, denn für den schnellen Schnappschuss als visuelle Gedächtnisstütze reicht ein Handyfoto oder -film und für die kreative Fotografie bietet diese Klasse, einmal abgesehen von einigen wenigen Topmodellen, nicht genug. Das heißt keineswegs, dass die Begeisterung für die Fotografie und liebevoll gestaltete Fotos nachlässt. Noch immer ist das Fotografieren das beliebteste Hobby der Deutschen. Doch gleichzeitig sind viele angesichts des technischen Fortschritts nicht mehr bereit, sich mit umfangreichen, schweren und häufig immer noch umständlich zu bedienenden Aufnahmegeräten zu belasten. Und das ist auch für die meisten fotografischen Aufgaben und ohne Zugeständnis an den eigenen Qualitätsanspruch nicht mehr nötig.
Die neue Kategorie der kompakten Systemkameras schließt immer erfolgreicher die Lücke zwischen Kompaktkamera und Spiegelreflex. Sie bietet hohe Bildqualität und kreative Flexibilität, die der bisher als unverzichtbares Werkzeug der kreativen Fotografie geltenden Spiegelreflexklasse gleichkommen und sie in mancher Hinsicht sogar übertreffen. Eine Kamerareihe, die beispielhaft die neue, leichte Art der kreativen Fotografie repräsentiert, ist die Nikon 1 Systemkameraserie und hier insbesondere die Nikon 1 J3, die wir sehr gründlich mit sehr überraschenden Ergebnissen in der Praxis ausprobieren konnten.
Die Nikon 1 J3 kommt mit wenig Licht aus. Die Aufnahme der Plastik von Walter de Maria „Large Red Sphere‘ im Türkentor in München, entstand mit dem Standardzoom 1Nikkor 10 – 30 mm 1:3,5-5,6 VR
Ersteindruck
Die Nikon 1 J3 zählt, wie alle Kameras der Nikon 1 Linie, zu den kleinsten Vertretern der neuen Systemkameraklasse und wohl auch zu den schönsten. Sie beherbergt in ihrem edel gestalteten, superkompakten Aluminiumgehäuse mehr Technik, als es so manche klobige Spiegelreflexkamera aufweisen kann. Trotz ihrer geringen Größe bietet sie einen eingebauten Blitz, der sich sogar für indirekte Blitzbeleuchtung nach oben lenken lässt. Über ein Funktionswahlrad auf der Oberseite wird eine der fünf Betriebsarten eingestellt. Auf der Rückseite gibt es den Multifunktionswähler, mit dem die Optionen gewählt und die Voreinstellungen vorgenommen werden. Das Alles geht recht einfach, schnell und unkompliziert vor sich. Außer dem praktischen Multifunktionswähler mit Vierwegeschalter und seiner OK-Bestätigungstaste Taste in der Mitte gibt es nur noch die Menü- und die Wiedergabetaste auf der Kamerarückseite. Eine kleine Erhöhung neben der Daumenablage sorgt für sicheren Halt der schmalen Kamera, der durch Anbringen eines optional erhältlichen Minihandgriffs noch verbessert werden kann. Der Handgriff wird allerding am Stativgewinde befestigt und deckt das Akku- und Speicherkartenfach ab. Wir haben deshalb lieber darauf verzichtet und uns stattdessen auf eine Handschlaufe verlassen, mit der die leichte Kamera einfach am Handgelenk getragen wird. Übrigens gibt es die auch in unterschiedlichen Farben, passend zur Farbe des Kameragehäuses.
Ein praktisches, flexibel einsetzbares Allround-Objektiv,
das im Kit erhältliche 1 Nikkor 10 -30 mm VR.
Objektiv betrachtet
Als Objektive haben wir bei unseren Tests das 1 Nikkor 10-30 mm 1:3,5-5,6 VR und das neue 10 bis 100 mm 1:4 – 5,6 ausprobiert. Bezüglich der Qualität haben wir bei dem Standard-Weitwinkelzoom 10 bis 30 mm keine Unterschiede zum neuen Telezoom bei den kurzen Brennweiten feststellen können. Auch die leicht höhere Lichtstärke bringt bei der hohen Lichtempfindlichkeit des Sensors der Kamera mit maximal ISO 6400 kaum einen Vorteil. Es geht wohl eher um Größe und Gewicht, ob man sich dafür entscheidet mit dem Telezoom 10 bis 100 mm oder mit Standardzoom 10 bis 100 mm zu fotografieren. Der Cropfaktor für das kleine CX Sensorformat der Nikon 1 Kameras beträgt 2,7x, so dass sich mit dem 10 bis 100 mm Zoom ein Brennweitenbereich von etwa 27 bis 270 mm ergibt, was für eine Vielzahl von Aufnahmesituationen völlig ausreicht. Gefallen hat uns auch das Design des neuen Telezooms, dessen silberner Aluminium-Tubus gut zur Silberversion unserer Testkamera passt. Da die Kamera deutlich leichter ist als das Objektiv hat sich für uns die Haltung der Aufnahmekombination am Objektiv bewährt. Der Einstellring für die manuelle Zoomverstellung ist mit einem Lockmechanismus versehen, der bei der Entriegelung automatisch auch die Kamera ein- und ausschaltet. Die geriffelte Oberfläche des Zoomrings aus Aluminium gewährt eine komfortable, sichere Handhabung und sieht obendrein auch noch besonders elegant aus. Das Tele-Zoom ist etwas schwergängig, was versehentliches Verstellen verhindert. Es läuft aber sehr sanft und leicht genug, um, beim Filmen ruckfreie Zooms vornehmen zu können. Es gibt inzwischen eine ausreichende Auswahl an interessanten Wechselobjektiven. Wer bereits eine Nikon DSLR mit Objektiven besitzt, kann mit dem optional erhältlichen Bajonettadapter FT1 auch die AF-S Nikkor Objektive an der Nikon 1 J3 verwenden. Das ist besonders bei der Verwendung von Teleobjektiven interessant, deren Telewirkung durch den Crop-Faktor 2,7x enorm gesteigert wird. So wird zum Beispiel aus dem 1:2,8 70 -200 mm ein Super-Tele-Zoom mit einer maximalen Brennweite von 540 mm bezogen auf das Kleinbild. Dabei bleibt sogar die AF-Steuerung erhalten.
Aufnahme aus der Hand links ohne und rechts mit Nachtaufnahme im Kreativmodus.
Sonderfunktionen der Nikon 1 J3
Nun zu dem Besonderheiten der Nikon 1 J3: Wie alle Nikon 1 Kameras verfügt auch sie über die exklusiven Sonderfunktionen ‚ Bewegter Schnappschuss‘ und ‚Best Moment Capture‘. Die neuartige Funktion „Bewegter Schnappschuss‘ ist eine Kombi von Film und Foto, bei der nach einer kurzen Videosequenz das Schlussbild eingefroren wird. Zur Speicherung bewegter Schnappschüsse stehen das eigene Nikon NMS-Format und das universelle MOV-Datei Format zur Wahl. Das Nikon Format benötigt weniger Speicherplatz, lässt sich aber nur mit kompatibler Software wiedergeben, während sich die MOV-Datei von einer Vielzahl von Programmen wiedergegeben werden kann. Vor allem kann es auch für die Wiedergabe auf Social Network Plattformen im Internet genutzt werden, wo die effektvolle Mischung aus Bewegt- und Stehbildern sicher für Aufmerksamkeit sorgen. Übrigens: Für das schnelle, kabellose Hochladen von Fotos ins Internet oder auf den PC gibt es als optionales Zubehör einen WiFi-Adapter.
Best Moment Capture
Eine Gewähr auch wirklich den richtigen Moment zu erwischen, verspicht die Funktion ‚Best Moment Capture‘. Dieser Modus eignet sich für Szenen die schwer zu erfassen sind und bietet die beiden Optionen Live-Zeitlupe und Smat Photo Selector. In der Funktion Smart Photo Selector‘zeichnet die Kamera sobald sie nach dem Antippen des Auslösers scharfgestellt hat kontinuierlich Bilder auf, die sie im Pufferspeicher ablegt. Ändert sich der Abstand zum Motiv, zieht die Kamera automatische die Schärfe nach. Wird der Auslöser ganz durchgedrückt speichert die Kamera sowohl Aufnahmen, die sie davor und auch welche, die sie danach noch aufgezeichnet hat. Wurden die Aufnahmen und die Speicherung abgeschlossen, zeigt die Kamera die von ihr als ‚bestes Bild‘ identifizierte Aufnahme auf dem Display an. In der Wiedergabe kann mit dem Multifunktionswähler auch durch die übrigen Aufnahmen geblättert und individuell die beste Aufnahme bestimmt werden. Gerade bei Action Szenen ist der Smart Photo Sector‘ eine sehr praktische Hilfe , den richtigen Augenblick eines Geschehens einzufangen. Die Fotos die nicht benötigt werden, können entweder einzeln oder über die Funktion ‚Alle außer Bestshot‘ gelöscht werden.
Eine weitere Methode den optimalen Moment einzufangen ist die Live-Zeitlupe. Auch diese findet sich im Menu ‚Best Moment Capture‘. In dieser Einstellung nimmt die Kamera eine kurze Sequenz von Fotos auf, die sie dann in Zeitlupe auf dem Monitor wiedergibt. Auch dabei beginnt die Aufnahme bereits, sobald der Auslöser bis zum ersten Druckpunkt gedrückt wird. Bis zu 20 Fotos nimmt die Kamera dann innerhalb von etwa 1,3 Sekunden auf, die sie dann in einer Schleife au dem Monitor wiedergibt, bis der Fotograf sich das beste Bild ausgesucht und seine Wahl mit dem vollständigen Durchdrücken des Auslösers bestätigt hat.
Einfach und schnell führt der Automatik Modus der Nikon 1 J3 zu guten Ergebnissen.
Kreativprogramme
Neben den Standard-Belichtungsautomatiken PSAM stellt die Nikon 1 J3 7 weitere Programme für spezielle kreative Aufgaben zur Verfügung. Darunter finden sich Spezialautomatiken für spezifische Motivsituationen wie Porträt, Nachtporträt oder Nachtaufnahmen ebenso wie digitale Effektfilter, mit denen sich Aufnahmen verfremden oder mit einer besonderen Charakteristik wie Weichzeichner, Monochrom. Miniatureffekt oder selektive Farbe versehen lassen. Dabei kann der Fotograf die Stärke der Wirkung steuern oder auch die Filtereffekte variieren. Ob nun im Monochrom Modus eine Tonung gewählt oder die Weichzeichner-Wirkung verstärkt oder verringert werden soll, die Nikon 1 J3 liefert unendliche Varianten zur Realisierung des eigenen Gestaltungswillens.
Picture Control
Professionelle Eingriffsmöglichkeiten in die Bildverarbeitung der Kamera liefert die exklusive Nikon Funktion ‚Picture Control‘. Sie kann über voreingestellte Konfigurationen auch von Einsteigern einfach genutzt werden, bietet aber Fortgeschrittenen professionelle Werkzeuge zur individuellen Anpassung der Bildverarbeitung an den eigenen Geschmack und die persönlichen Gestaltungswünsche. So bietet die Kamera im Picture Control Menü sechs voreingestellte Konfigurationen mit der Bezeichnung Standard, Neutral, Brillant Monochrom, Porträt und Landschaft, die vom Anwender verändert und seinen Vorstellungen entsprechend angepasst werden können. Diese individuellen Einstellungen lassen sich sogar auf der Speicherkarte speichern und in kompatiblen Kameras wieder aufrufen und verwenden. Auch eine Übernahme in die mitgelieferte Software NX2 View oder in das optional erhältliche Programm NX2 Capture ist möglich. Praktisch ist die Kennzeichnung der modifizierten Konfigurationen durch ein Sternchen und die Möglichkeit der separaten Speicherung von benutzerdefinierten Konfigurationen in neun unterschiedlichen Speicherplätzen.
Aufnahme aus freier Hand im Nachtaufnahmemodus.
Veränderungen die der Fotograf an den Picture Control Konfigurationen vornehmen kann, betreffen Scharfzeichnung, Kontrast, Helligkeit, Farbsättigung, Farbton. Filtereffekte und auch Tonungen. Besonders interessant für Liebhaber der Schwarzweißfotografie ist die Möglichkeit, die aus der analogen SW-Fotografie her bekannten SW-Filter Gelb, Orange Rot und Grün zu verwenden, mit denen sich beispielsweise bei Landschaftsaufnahmen der Himmel abdunkeln (Gelb, Orange, Rot) oder bei Porträts (Grün) die Hauttöne weicher darstellen lassen.
Fazit
Die Nikon 1 J3 gleicht zwar in Größe und Design einer Premium Kompaktkamera übertrifft diese Klasse jedoch bezüglich ihrer kreativen Möglichkeiten bei weitem. Mit 14,2 Megapixeln bietet sie eine sehr hohe Auflösung, die auch für Großvergrößerungen reicht. Doch nicht nur Wechselobjektive sorgen für eine hohe gestalterische Flexibilität. Es sind zudem vor allem auch die neuartigen Aufnahmefunktionen wie ‚Bewegter Schnappschuss‘ und Best Moment Capture sowie die Vielzahl individuell konfigurierbarer Aufnahmemodi, die diese kleine und elegante Kamera so reizvoll machen. Einziger Kritikpunkt ist der Verzicht auf einen Sucher, das sich über das Display auch in der hellsten Einstellung bei starkem Sonnenlicht am Meer oder bei Schnee in den Bergen die Wahl und Beurteilung des Bildausschnitts schwierig gestaltet. Ansonsten empfiehlt sich die Nikon 1 J3 für schnelle, spontane Schnappschüsse ebenso wie für aufwendig gestaltete Fotografien mit hohem Qualitätsanspruch. Was Schnelligkeit und Reaktionszeiten betrifft, repräsentiert die Nikon 1 J3 eine Klasse für sich.