Lade Veranstaltungen

Kunstfoyer Bayerische Versicherungskammer: Inge Morath – Homage

22. Dezember 2022 - 1. Mai 2023

Das Foto der Magnum Fotografin Inge Morath von Marilyn Monroe bei den Dreharbeiten des Kultfilms „The Misfits“ steht geradezu stellvertretend für das gesamte, ereignisreiche und überaus wichtige Kapitel der Kulturgeschichte der Nachkriegszeit von Kino, Fotografie, Literatur und bildenden Künsten. Es erzählt aber auch von der üblichen Arbeitsweise der Fotoschaffenden in der Frühzeit der Fotografenkooperative Magnum: Es zeigt die Hauptdarstellerin bereits jenseits ihres Zenits als Filmikone einer ganzen Generation. Zudem dokumentiert es die Dreharbeiten zu einer der großen Verfilmungen zeitgenössischer Literatur. Das Drehbuch zu dem Film schrieb niemand geringerer als der damals wohl bekannteste Schriftsteller seiner Zeit und noch Ehemann von Marilyn Monroe, Arthur Miller.

An diese Dreharbeiten erinnerten sich viele der dabei Gewesenen als eine einzige Katastrophe. Es waren die letzten großen Rollen von Marilyn und Clark Gable vor ihrem Tod. Es waren Dreharbeiten, die offensichtlich ein gewaltiges öffentliches Interesse auslösten, denn die Agentur Magnum, die sich die Bildrechte daran gesichert hatte, schickte gleich ein halbes Dutzend seiner Topfotografen, um für die bildhungrigen, illustrierten Magazine das Spektakel in ebenso spektakulären Fotografien hundertfach zu dokumentieren. Neben Inge Morath waren berühmte Reportergrößen wie Henri Cartier-Bresson, Eve Arnold oder Elliott Erwitt am Set. Zur bekanntesten Ikone wurde allerdings das sensible Foto von Inge Morath, auf dem das Glamour Girl Marilyn anscheinend so leichtfüßig über eine Wiese schlendert, wahrscheinlicher aber schwankte sie bereits unter zu viel Alkoholeinfluss.
Das Bild ist Teil einer grandiosen, von Isabel Siben und Anna-Patricia Kahn kuratierten und in Zusammenarbeit mit dem Inge Morath Estate sowie der Stiftung Kunstfoyer der Bayrischen Versicherungskammer, München, realisierten Ausstellung mit rund 200 Fotografien, die als Huldigung für die große Fotografin anlässlich ihres bevorstehenden 100. Geburtstages im Mai 2023 verstanden werden will.

 

Während der Dreharbeiten hat Inge Morath auch Arthur Miller kennengelernt, den sie später, nach seiner Scheidung von Marilyn Monroe, geheiratet hat und mit dem sie bis zu ihrem Tod zusammenblieb. Der Literat und die Fotografin unterhielten ein weit gewebtes Netzwerk zu Künstlern aus allen Bereichen weltweit, dem die Ausstellung viele der einzigartigen Porträts der Fotografin verdankt. Die illustre Namensliste reicht von den Bildhauern Calder und Giacometti über den Karikaturisten Saul Leitner bis hin zu dem Dichter Pablo Neruda und natürlich auch zu ihrem Mann den Dramatiker Arthur Miller.

Magnum coverte die Dreharbeiten großer Kinoproduktionen weltweit von Hollywood bis Paris oder London mit seinen besten Fotografen und auch Inge Morath, startete, wie auch einige der weniger bekannten Fotografien der Ausstellung beweisen, ihre Karriere mit Reportagen über Dreharbeiten zu Filmen großer Regisseure wie John Houstons „Moulin Rouge“ mit Zsa Zsa Gabor und José Ferrer oder Anatole Litvaks „Lieben Sie Brahms“ mit Ingrid Bergmann, Anthony Perkins und Yves Montand sowie „Taras Bulba“ nach einer Erzählung von Nicolai Gogol mit Jul Brynner, selbst ein großartiger Fotograf, Tony Curtis und die blutjunge Christine Kaufmann als Hauptdarsteller unter der Regie von J.Lee Thompson.

Die besondere Stärke der Fotografin zeigt sich in ihrem erzählenden Aufnahmestil, der eine ganze Geschichte in einem einzigen Augenblick komprimiert. Hier wird auch der Einfluss von Henri Cartier-Bresson und dessen Lehrbuch „Images à la Sauvette“ (The Decisive Moment) deutlich, das sie ebenso intensiv studierte wie als „Caption Writer“ bei Magnum seine Kontaktbögen.

 

Die Quahl der Wahl: das Studieren und Analysieren der Kontakt-Abzüge
hat Inge Morath als Caption Writer bei Magnum, unter anderen
für Henri Cartier-Bresson, gelernt.

Dabei interessierte sich Inge Morath zunächst nur am Rande für das Fotografieren. Eher schon für die Fotografie, denn für ihre Arbeit als Reporterin für verschiedene Illustrierte war sie berufsbedingt stets auf der Suche nach Fotografen, die sie für geeignet hielt, ihre Geschichten in Bilder umzusetzen. Den richtigen fand sie schon sehr früh in Ernst Haas, dem frühen Pionier der Farbfotografie. Robert Capa, Chef der von ihm mitbegründeten Fotoagentur Magnum wurde auf die beiden aufmerksam und animierte sie, nach Paris zu kommen. Während Ernst Haas dort auf Anhieb eine beispiellose Fotografenkarriere begann, fiel Inge Morath die Aufgabe zu, die Bildlegenden zu den Fotos der berühmten in aller Welt verstreuten Bildreporter von Magnum zu schreiben, deren Kontaktbögen sie auch auswertete. Vor allem beim Studieren der Kontaktbögen von Cartier-Bresson habe sie dabei das Fotografieren gelernt, erzählte sie selbst.

Inge Morath gilt als das erste weibliche Vollmitglied in der bis heute von Männern dominierten Fotografen-Kooperative Magnum. Wenn auch nur kurz, war vorher schon Gisèle Freund assoziiertes Magnum Mitglied und auch Eve Arnold gehörte zu diesem erlesenen Zirkel. Von der sozialistisch inspirierten Gisèle Freund hatte man sich nach einem kurzen Gastspiel schnell wieder getrennt.

Einen wichtigen Raum nehmen aber auch die großen Reisereportagen der Kosmopolitin Inge Morath in der Ausstellung ein, die sie nach China, Russland aber auch in den Iran führten. Viele davon unternahm sie später auch zusammen mit ihrem Mann Arthur Miller, der als Vorstand des Schriftstellerverbandes PEN häufig in Länder reiste, wo Kollegen wegen ihrer kritischen Meinung gefährdet waren. Eine ungewöhnliche Fotoserie aus China zeigt beispielsweise wie Arthur Miller dort versuchte mit einer Theatergruppe sein gesellschaftskritisches Stück „Tod eines Handlungsreisenden“ einzustudieren und ihnen nahezubringen.

Ein schönes Stilmittel der Präsentation der Bilder von Inge Morath sind die Wallpaper-Trenner zwischen den einzelnen Segmenten der Ausstellung, auf denen die Kuratorinnen jeweils ein Bild aus der folgenden Serie hervorgehoben haben, um bestimmte Akzente zu setzen, seien es die Qual der Wahl, die ein überdimensional vergrößerter Kontaktbogen, verdeutlicht oder einfach nur ein ins Auge springende Großvergrößerung einer typischen Morath-Ikone. Auf keinen Fall aber sollten Besucher den 50-minütigen Film versäumen, der in einem abgetrennten Kabinett läuft und in dem die von der Reporterin zur Künstlerin erhobene Fotografin über ihre persönliche Motivation und ihre Sicht auf die Fotografie spricht.

Die Kuratorinnen Isabel Siben (oben) und
Anna-Patricia Kahn (unten).

Inge Moraths Fotografien erzählen viele Geschichten, die sich nicht auf Anhieb dem fotografischen Blick erschließen. Es sind individuelle Erkundungen und fotografische Interpretationen ihres Umfelds, denen der Betrachter dennoch nicht auf den ersten Blick die Sorgfalt und Mühe anmerkt, die ihrer Realisierung vorausgegangen sind. Inge Morath liebte Motive bei wenig Licht, bei schlechtem Wetter und in schwierigen Situationen, wo sie die Kamera mit der Perspektive, dem Blickwinkel ihres inneren Auges, in Deckung bringen musste. Nie aber arbeitete sie, wie die meisten ihrer Magnum Kollegen, als Kriegsreporterin.

Fazit: ein gelungener, informativer und unterhaltsamer Blick auf die Welt der Nachkriegszeit Ende des letzten Jahrhunderts mit den Augen einer Frau auf der Suche nach verborgener Schönheit. So nah noch und doch schon so weit weg! Eine nostalgische Reise durch die hohe Zeit der Dokumentarfotografie und einer nach guter Fotografie dürstenden Medienlandschaft.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. Mai 2023 im Kunstfoyer, Versicherungskammer Kulturstiftung, Maximilianstraße 53, 80538 München.Einen umfangreichen Katalog, herausgegeben von Isabel Siben und Anna-Patricia Kahn mit 200 Abbildungen, gibt es übrigens auch in unserem Adventskalender zu gewinnen. Er kann im Kunstfoyer erworben werden.
Außerdem gibt es ihn als Buch mit Schutzumschlag bei Schirmer/Mosel.

Share This Event

  • Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

Details

Beginn:
22. Dezember 2022
Ende:
1. Mai 2023
Veranstaltungskategorie:

Veranstaltungsort

Kunstfoyer (München)
Maximilianstraße 53
München, Bayern 80538 Deutschland