Fotoausstellungen
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Ragnar Axelsson – „Arctic Heroes – Where the world is melting“
Ausstellungsort: Leica Galerie Zingst
Ausstellungsdauer: 30.09.2022 – 15.12.2022
Ausstellungseröffnung: 01.10.2022 | 18:00 Uhr
Ragnar Axelsson – „Arctic Heroes – Where the world is melting“
Ragnar Axelsson – „Arctic Heroes – Where the world is melting“
Für den isländischen Fotografen Ragnar Axelsson ist der grönländische Schlittenhund einer der größten Helden, die der Norden je gekannt hat . Die Serie „Arctic Heroes – Where the world is melting“ ist eine in Schwarzweiß fotografierte Hommage nicht nur an die Hunde, sondern auch an die durch die dramatisch fortschreitende Erderwärmung verschwindende Kultur der Arktis.
Christian Klant – „Landschaften“
Ausstellungsort: Max Hünten Haus Zingst
Ausstellungsdauer: 30.09.2022 – 15.01.2023
Ausstellungseröffnung: 30.09.2022 | 18:30 Uhr
Christian Klant fotografiert Landschaften auf Kollodium-Nassplatten und verbindet so das historische Verfahren mit aktuellen Motiven von zeitloser Schönheit.
Christian Klant – „Landschaften“
Christian Klant – „Landschaften“
Christian Klant – „Landschaften“
Die aufwändige Fotografie mit einer Großformatkamera und einem Dunkelkammerzelt vor Ort – an dem die Nassplatten nicht nur hergestellt, sondern auch direkt entwickelt werden – bedarf Geduld, Ruhe und vor allem Entschleunigung. Eine Mischung, die Christian Klant sehr schätzt: „Die Arbeit mit dem Verfahren zwingt mich dazu alles viel langsamer zu erleben. Diese Entschleunigung hat mir dabei geholfen, die Emotionen zu greifen, die mir zuvor noch durch die Finger geglitten sind.“
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John Huston, Marilyn Monroe, Clark Gable, Montgomery Clift, Eli Wallach and Arthur Miller on the set of “The Misfits”, Reno, Nevada, USA, 1960 |
Mit einer Vielfalt an besonderen Ausstellungen feiert die Bundeshauptstadt im Rahmen der Berlin Photo Week das 75-jährige Jubiläum der legendären Fotografen-Agentur Magnum Photos:
Ein besonderes Highlight zeigt die Helmut Newton Foundationmit der Ausstellung Magnum Photos: The Misfits (3. September – 20. November 2022): Arthur Millers berühmtes Stück wurde 1960 von Star-Regisseur John Huston in Starbesetzung verfilmt. Fast alle damaligen Magnum Mitglieder haben damals am Set fotografiert und weltberühmte Bilder aufgenommen, die anlässlich des Agentur-Jubiläums in Berlin gezeigt werden.
Alec Soth |
Bilder am Set: Die einfühlsam fotografierten Bilder rund um die The-Misfits-Produktion sind im wahrsten Sinne des Wortes “Blicke hinter die Kulissen”. So sieht man Marilyn Monroe in einer Aufnahme von Inge Morath, wie sie sich auf ihren Text konzentriert. Oder Montgomery Clift im Fonds eines Autos, aufgenommen von Dennis Stock. Ein weiteres Beispiel ist die berühmte Gruppenaufnahme mit den Schauspielern und Schauspielerinnen am Set, flankiert vom Regisseur und Autor, fotografiert von Elliott Erwitt. Darüber hinaus vereint die Ausstellung auch Aufnahmen von Henri Cartier-Bresson, Bruce Davidson, Cornell Capa, Ernst Haas, und Erich Hartmann. Kurzum: Die Ausstellung repräsentiert ein Who’s Who der damaligen (und heutigen) Fotografen-Legenden. Mit der Präsentation Magnum Photos: The Misfits feiert die Helmut Newton Stiftung den 75. Geburtstag der Fotoagentur. Im Rahmen der Berlin Photo Week finden zahlreiche weitere Veranstaltungen mit Mitgliedern der legendären Kooperative in Berlin statt. (Matthias Harder)
Myriam Boulos |
Ein weiteres Highlight ist die Ausstellung Jetzt: Magnum Photos in den Reinbeckhallen (3. September bis 20. November 2022); es handelt sich umeine kuratorische Bestandsaufnahme ikonischer Magnum Bilder sowie ein perspektivischer Blick auf aktuelle Arbeiten der Magnum FotografInnen. Es wird gezeigt, wie sie durch neue Arbeitsweisen ein Publikum erreichen, welches sich nicht nur für Magnum Photos interessiert, sondern auch für zeitgenössische Themen und deren fotografische Darstellung.
Magnum photographers at their annual general meeting interviewed by Arlene Francis for the NBC "Home Show". Erich HARTMANN, Inge MORATH, Ernst HAAS, Dennis STOCK, Burt GLINN, Eve ARNOLD et Henri CARTIER-BRESSON (on the swing). 1955. © Magnum Collection/Magnum Photos |
Diese Ausstellung ist das Ergebnis einer aktuellen Neuorientierung der Fotografen-Agentur und richtet einen perspektivischen Blick auf die Gegenwart der kurz nach dem zweiten Weltkrieg gegründeten Institution. Es wird gezeigt, wie sich die Agentur und die Fotografie in den letzten Jahren verändert hat und wie dies unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen über Länder und Kontinente hinweg zum Ausdruck bringt. Jetzt: Magnum Photos wird laufende und aktuelle Projekte von 20 FotografInnen - Khalik Allah, Olivia Arthur, Jonas Bendiksen, Myriam Boulos, Sabiha Çimen, Carolyn Drake, Gregory Halpern, Sohrab Hura, Alex Majoli, Cristina de Middel, Rafal Milach, Emin Özmen, Mark Power, Hannah Price, Alessandra Sanguinetti, Lindokuhle Sobekwa, Alec Soth, Mikhael Subotzky und Newsha Tavakolian - zeigen. Jede Position fordert die Betrachtenden auf, nicht nur darüber nachzudenken, wie sich fotografische Genres wie der Fotojournalismus verändern, sondern auch über die Rolle der Fotografie heute, sei es durch die Ergänzung von fiktiven und nicht-fiktiven Texten oder durch die Einbeziehung von Film, Ton, Architektur und Textilien. Mit der von Dr. Candice M. Hamelin kuratierten Ausstellung leistet die Stiftung Reinbeckhallen einen Beitrag zur vierten Ausgabe der Berlin Photo Week (2. bis 4. September). Die Gruppenausstellung wird von einem Rahmenprogramm begleitet, das Vorträge, Filmvorführungen und Workshops umfasst.
Die Berlin Photo Week findet seit 2018 in Berlin statt und versteht sich als Imaging Festival für alle, die Fotografie lieben. Die Intention der Berlin Photo Week liegt darin, Fotografie als Kulturgut auf der einen und als gesellschaftlich relevantes Massenphänomen auf der anderen Seite zu definieren und zu zeigen. Der Schwerpunkt liegt dementsprechend auf der Schaffung außergewöhnlicher Foto-Momente durch Funplaces, Fotowalks und Workshops sowie auf inspirierenden Angeboten wie Ausstellungen, Konferenzen, Talks, Networking-Events und Bilderschauen. Die B´Berlin Photo Week ist enger Partner der gleichzeitig stattfindenden internationalen Consumer Electronics Messe IFA (2. bis 6. September auf dem Messegelände Berlin).
Mehr Informationen unter:
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Bild: Wolga, Tamina Florentine Zuch
Flüsse waren während der gesamten Menschheitsgeschichte immer Lebensadern, unabhängig davon, wie breit und lang sie sind. Und wie Albert Schweitzer schon richtig sagte: Auch die großen Flüsse brauchen die kleinen Wasser.
Flüsse boten den frühen Siedlern frisches Wasser, Nahrung, einen Transportweg und oft auch Schutz, denn von der Flussseite waren sie nicht leicht anzugreifen. Heute sind große Flüsse wie die Oder, die Wolga oder der Ganges vor allem wichtige Transportwege ökonomischer und imperialer Macht und sie schaffen Verbindungen. Aber egal, an welchem Fluss man steht, Leine oder Elbe, sie befördern immer auch unser Fernweh, bergen Mythen, erzählen Geschichten und versprechen Abenteuer.
Weil die Flüsse dieser Welt so verschieden sind, zeigen die GAF in dieser Ausstellung die Arbeiten von 4 Fotografen und einer Fotografin. Sie stammen aus Italien, Polen und Deutschland. Ihre Flussgeschichten sind so unterschiedlich fotografiert, wie es die 5 Flüsse sind, ihre Hauptdarsteller
Bild: Isar, Martin Friedrich
Nur 295 Kilometer lang ist die Isar und sie ist in ihrem ganzen Lauf nicht schiffbar. Der Fotograf Martin Friedrich hat sie über mehrere Jahre hinweg zu jeder Jahreszeit mit einer Großbildkamera und analog fotografiert. Ohne dabei Menschen abzubilden, hat er sich ganz auf ihre Physiognomie beschränkt. Der Mensch tritt in seiner Serie nur als Schöpfer urbaner Spuren in Erscheinung.
Bild: Ganga Ma, Giulio Di Sturco
10 Jahre lang hat der italienische Fotograf Giulio Di Sturco den Ganges für sein Projekt »Ganga Ma«auf einer Länge von 2.500 Kilometer in größtenteils quadratischen Bildern fotografiert. Der Fluss bildet die Lebensgrundlage für 400 Millionen Menschen, die an seinen Ufern leben. Die Vergiftung des Flusses und der gesunkene Wasserstand bedrohen ihren Lebensraum. Basierend auf den Traditionen der Dokumentarfotografie bemüht er sich in seiner Bildsprache, die durch eine ganz eigene Farbigkeit der Ganges-Bilder dominiert wird, um eine Mischung von Realität und Fiktion.
Bild: Wolga, Tamina Florentine Zuch
Die Fotografin Tamina-Florentine Zuch hat für den stern mit der Reporterin Bettina Sengling fast die gesamte Wolga bereist, mit 3.500 Kilometern der längste Fluss Europas. Dabei hat sie von Kamelzüchtern über Fischern bis zu der Zukunftsstadt Innopolis das enorm unterschiedliche Leben am Strom fotografiert und versucht, seinen Mythos zu ergründen.
In einer spannenden Mischung aus Landschaften, Portraits und szenischen Bildern hat der deutsch-amerikanische Fotograf Jasper Bastian in seiner Arbeit »Across the River«den wahrscheinlich bedeutendsten Teil des Flusses Ibar fotografiert, wo er die nord-kosovoische Stadt Mitrovica seit 22 Jahren nicht nur geografisch teilt, sondern sie auch in einen serbischsprachigen und einen albanischsprachigen Teil spaltet. Seitdem ist der Fluss für viele Albaner als auch Serben aus Angst voreinander zu einer unsichtbaren Grenze geworden.
Bild: Oder, Mikolaj Nowacki
Mit enorm impressiven Sichtweisen, die dem Fluss eine ganz besondere Ästhetik verleihen, hat der polnische Fotograf Mikolaj Nowackis Polens größten Fluss, die Oder, fotografiert. Sie ist der Fluss seiner Kindheit und Jugend in Breslau und an ihren Ufern hat er viel Zeit verbracht und seiner Fernweh Nahrung gegeben. Ab der Neißemündung ist die Oder bis nördlich von Schwedt Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen.
Galerie für Fotografie Hannover (GAF)
Eisfabrik
Seilerstraße 15d
Hannover 30171
Germany
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Fotograf unbekannt - Agfa Rohpapierlager 1956 Sammlung Agfa Museum Ludwig Köln
Seit ihrer Erfindung ist die Fotografie von der Gewinnung und der Ausbeutung so genannter natürlicher Rohstoffe abhängig. Im 19. Jahrhundert waren es Salz, Kupfer und Silber, die für die ersten Fotografien auf Kupferplatten und für Salzpapierabzüge genutzt wurden. Mit dem Aufkommen der Silbergelatineabzüge im späten 20. Jahrhundert wurde die Fotoindustrie mit etwa einem Viertel des weltweiten Verbrauchs zur wichtigsten Abnehmerin für Silber. Im Zeitalter der digitalen Fotografie und der Smartphones ist die Bildproduktion auf seltene Erden und Metalle wie Koltan, Kobalt und Europium angewiesen. Die Speicherung der Bilder und ihre Distribution produzieren zudem großen Mengen an CO2.
Photography Mary Mattingly - Mineral Seep 2016
Photography Ignacio Acosta Computer Aid
Anhand historischer Fotografien und zeitgenössischer künstlerischer Positionen sowie Interviews mit Restaurator*innen, Geolog*innen und Klimaforscher*innen erzählt sie die Geschichte der Fotografie als eine Geschichte der industriellen Fertigung und zeigt, dass das Medium tief in die vom Menschen verursachten Veränderungen der Natur verwickelt ist.
Fotograf unbekannt - Silberbarren im Tresor 1945 Kodak Collection, Eastman Kodak Company
Photography John Cooper - Minenarbeiterin 1860er Jahre Trinity College Library Cambridge
Beteiligte Künstler*innen: Ignacio Acosta, F&?D Cartier, Optics Division of the Metabolic Studio (Lauren Bon, Tristan Duke, Richard Nielsen), Susanne Kriemann, Mary Mattingly, Daphné Nan Le Sergent, Lisa Rave, Alison Rossiter, Robert Smithson, Simon Starling, Anaïs Tondeur, James Welling, Noa Yafe, Tobias Zielony
Die Ausstellung wird kuratiert von dem Künstler, Autor und Kurator Boaz Levin und Dr. Esther Ruelfs, Leiterin der Sammlung Fotografie und neue Medien am MK&G.
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In der Fußgängerzone von Sanremo veranstalten ligurische Gruppen der transfeministischen Bewegung
"Non una di meno" einen Flashmob gegen Sexismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Sie kontern damit den Worten des Moderators Amadeus, der eine Co-Moderatorin des Festival die Sanremo, dem wichtigsten Musikfestival Italiens, wie folgt vorgestellt hat: Sie ist in der Lage, einen Schritt hinter einem grossen Mann zu bleiben.
© Franziska Gilli
In wenigen Ländern Europas sind derart festgefahrene weibliche Stereotype so weit verbreitet wie in Italien. Lasziv tanzen junge Frauen durchs Hauptabendprogramm, seit Jahrzehnten. Die Mutter ist Ikone, gleichzeitig wird im Land der Kavaliere und Charmeure im Durchschnitt alle drei Tage eine Frau, meist von ihrem Partner, ermordet.
Die „Suore Pie Operaie dell’Immacolata Concezione“
(Barmherzige Arbeiterschwestern der Unbefleckten Empfängnis)
im mittelitalienischen Ascoli Piceno haben ihr Leben dem Ziel verschrieben,
ein lebendiges Abbild der Jungfrau Maria zu sein.
© Franziska Gilli
Eine Performancekünstlerin kurz vor dem Auftritt während einer Demonstration
der transfeministischen Bewegung "Non una di meno" in Rom am 23. November 2019
anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen,
bei dem sie sich aus den Zwängen ihres Kostüms befreit.
© Franziska Gilli
Die dominierenden Pole sind zwei sich seit Jahrhunderten wiederholende Narrative: die Hure und die Heilige, Maria Magdalena und die Jungfrau Maria.
Franziska Gilli und Barbara Bachmann setzen den beiden Stereotypen Bilder aus der Realität entgegen. und sie beschäftigen sich mit den Ursachen und Folgen des Frauenbildes: Der Dominanz der katholischen Kirche, der Zeit des Faschismus, dem Einfluss des Unterhaltungsfernsehens. Daneben existiert auch ein anderes Italien. Eines, das die widersprüchlichen Verhältnisse seit Jahrzehnten anprangert. Ein Italien, in dem sich eine der lautesten, feministischen Bewegungen Europas gebildet hat: Non una di meno.
Mitglieder der römischen Lokalgruppe der transfeministischen Bewegung
"Non una di meno" stehen für eine Schweigeminute auf der Spanischen Treppe
in Rom am 8. März 2020, Weltfrauentag.
© Franziska Gilli
Gäste in der Fußball-Talkshow "Il processo di Biscardi".
© Franziska Gilli
Biografien:
Franziska Gilli, geboren 1987 in Bozen, Italien, lebt als freie Fotografin in Hannover. Sie studierte Kulturmanagement sowie Fotojournalismus und Dokumentarfotografie in Freiburg, Hannover und Brüssel. Ihre Arbeiten wurden u. a. in der „Neuen Zürcher Zeitung“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht und bei internationalen Fotofestivals wie dem Copenhagen Photo Festival ausgestellt. Sie ist Mitglied der Agentur laif.
Barbara Bachmann, geboren 1985 in Bruneck, Italien, ist freie Reporterin und arbeitet für deutschsprachige Magazine und Wochenzeitungen, darunter „Reportagen“, „mare“, das „Süddeutsche Zeitung Magazin“ und „Die Zeit“. Sie ist Absolventin der Reportageschule Reutlingen und studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Spanisch in Innsbruck und Le?n. Ihre Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Axel-Springer-Preis. Sie lebt in Südtirol.
Barbara Bachmann | Franziska Gilli
Hure oder Heilige - Frau sein in Italien
Ota-Bindung | 17 x 23 cm | 224 Seiten
Preis Euro 24,90
ISBN 978-88-7283-731-3
https://www.raetia.com/de/geschichte-und-politik/629-hure-oder-heilige.html
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Sie wachsen fast allen Menschen, sobald die Phase der Kindheit vorüber ist. Und sie sind so natürlich, wie es Natur nur sein kann. Doch sie erfreuen sich eines zweifelhaften Rufs. Gemeint sind die Achselhaare. Für die meisten gehören sie zur selbstverständlichen Ausstattung ihres Körpers. Sie schenken ihnen keine besondere Aufmerksamkeit. Andere, vor allem jüngere, rücken den Achselhaaren dagegen mit dem Rasiermesser zu Leibe. Sie betrachten sie als Makel, der beseitigt werden muss. Schon die Elite im alten Rom vermied es peinlichst, sie öffentlich zu zeigen.
Ben Hopper - Maya Felix for Natural Beauty
Seit in den Siebziger- und Achtzigerjahren weitgehend textilfreies Sonnenbaden in der westlichen Welt Mode geworden ist, gelten Achselhaare als unfein und in manchen Augen sogar als schmuddelig. Kurzschlüsse auf den Charakter ihrer Träger liegen nahe. Sie beschädigen das perfekte Körperbild, das die einschlägigen Hochglanz-Magazine verbreiten. Den unsichtbaren, jedoch suggestiv zwingenden Imperativen der Mode, die sie Bild werden lassen, gehorchen mittlerweile nicht nur Frauen, sondern in wachsendem Maße auch Männer. Entgegen dem dringenden Rat von Medizinern schreiten sie vor jeder Urlaubssaison zur radikalen Prozedur der systematischen Körperenthaarung.
Ana Lucia Lucana - Marysand
Helmut Newton - Portrait of Violetta 1979
Einer, der in der Praxis des Epilierens eine weitgehenden De-Naturisierung des menschlichen Körpers erblickt, ist Michael Horbach; ein bedeutender Sammler fotografischer Bilder, selbst Fotograf und oft auch Kurator von gelobten Ausstellungen in seinen weitläufigen Räumen. Ein Teil seiner fotografischen Sammlung ist dem scheinbaren Randthema Achselhaare gewidmet, das sich gerade in der Verdichtung durch die Anzahl bemerkenswerter Bilder als weniger randständig denn auf den ersten Blick vermutet entpuppt. Vielmehr entfalten die Bilder der Sammlung dank ihrer Menge vielfältige Referenzen auf tiefergehende kulturelle, soziale und auch politische Zusammenhänge. Sie entwerfen in ihrer Beziehung auf- und zueinander zugleich ein eindrucksvolles und obendrein attraktives Gegenbild zu dem vorherrschenden Schönheitsideal der modernen Wohlstandsgesellschaft. Klaus Honnef, als Kurator der Ausstellung und Herausgeber eines umfangreichen Kataloges, hat dem ungewöhnlichen Thema den Titel „Unverschämte Schönheit“ gegeben.
Edward Weston - Nude 1937
Will McBride - „Zeig mal!“ München 1970
Bilder von Fotografinnen und Fotografen mit berühmten Namen haben das Gegenbild der „Unverschämte(n) Schönheit“ ins Werk gesetzt. Samt und sonders stammen sie aus der Sammlung Horbachs und zeigen, dass das Epilieren, ein vergleichsweise neues Phänomen ist. Der Zeitraum der Ausstellung erstreckt sich auf die letzten hundert Jahre, und in den Bildern der Pioniere, die das Medium Fotografie in den Zwanzigerjahren zum künstlerischen Ausdrucksmittel gemacht haben, finden sie sich wie selbstverständlich. Zum Beispiel (in der chronologischen Reihenfolge) bei Germaine Krull, Man Ray, Heinz Hajek-Halke, Edward Weston und Tim Gidal ebenso wie in der Nachkriegszeit bei Federico Patellani, Mario de Biasi und Lucien Clerque, und „natürlich“ Helmut Newton, der den Sex in die Modefotografie eingebracht hat. Desgleichen noch bei Lee Friedlander, Olaf Martens, Birgit Kleber, Marlo Broekmans und Annette Frick. Bei den beiden zuletzt genannten Künstlerinnen verstehen sie sich gleichzeitig als Statement ihrer körperlichen Autonomie.
Franco Fontana - o.T. 1984
Die Bilder der bekannten und weniger bekannten Fotografinnen und Fotografen versammeln zahlreiche Gattungen des Fotografischen, vom Porträt bis zum Akt, von der journalistischen Fotografie bis zur modernen Kunstfotografie. Dabei feiert die Erotik der Körper gerade vor der Folie einer sterilen Magazin-Fotografie ein faszinierendes Comeback, als ur-menschliches und ur-natürliches Element.
Man Ray - Erotique Voilée Meret Oppenheim
Erwähnenswert ist ferner, dass in Sammlung und Ausstellung zahlreiche Künstlerinnen und Fotografinnen vertreten sind. Erheblich mehr als in üblichen fotografischen Ausstellungen. Namentlich ihren Arbeiten verdankt sich der dramatische Wandel in der fotografischen Einstellung, weg vom beobachtenden männlichen Blick aus der Distanz hin zu einer visuellen Teilhabe an der leiblichen Ausdruckskraft des Körpers durch erhöhte Intensität.
So wirken die „Bilder der Achselhaare“ in der korrespondierenden Zusammenschau wie ein wunderbares Spiegel-Mosaik der faszinierenden und wechselfreudigen Mannigfaltigkeit der fotografischen Kunst vor dem Hintergrund sozialer, kultureller, politischer, ökonomischer und wissenschaftlicher Umwälzungen in der Abenddämmerung der Moderne. Und weil es so unzeitgemäß erscheint, fällt es umso nachhaltiger aus.
Text: Klaus Honnef
Michael Horbach Stiftung Wormser Straße 23, 50677 Köln
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Rheinisches Bildarchiv Köln |
Raghubir Singh Ein Geschäft für Zigaretten und Tee in Süd-Kalkutta,1987 Museum Ludwig, Köln |
Der indische Fotograf Raghubir Singh (1942–1999) kehrte immer wieder nach Kolkata (bis 2001 Kalkutta) zurück und erstellte über die Jahre ein komplexes und vielschichtiges Fotoporträt der Metropole. Aufgewachsen in Jaipur, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Rajasthan, besuchte Singh Kolkata 1961 das erste Mal. In den frühen 1970er Jahren lebte er noch in Jaipur; danach verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Hongkong und Paris; später lebte er in London und New York. Vor allem in seinen Straßenansichten verdichtet Singh die vielfachen Eindrücke Kolkatas in farblich und kompositorisch beeindruckenden Fotografien. Die Farbigkeit ist für Singh kennzeichnend für Geografie und Kultur Indiens. In seinen Fotografien wird mit ihrer Hilfe die Aufmerksamkeit über das ganze Bild verteilt, sodass Vorder-und Hintergrund häufig wie auf einer Ebene erscheinen. Die unterschiedlichen historischen Zeitschichten sind auf diese Weise in der Fotografie gleichermaßen vergegenwärtigt. Singhs Fotografien sind die Hommage eines Kosmopoliten an eine kosmopolitische Stadt.
Raghubir Singh Innenhof eines alten Hauses, Kalkutta,1971-1972 Museum Ludwig, Köln |
Im Fotoraum präsentiert das Museum Ludwig zwölf Fotografien aus der „Kalkutta“-Serie von Singh, die sich seit 2017 in seiner Sammlung befinden. In der Präsentation sind sie um fünf Fotografien von Henri Cartier-Bresson ergänzt, die dieser während seiner Indien-Reise 1947 aufnahm. Die Zitate aus der Einführung von R.P. Gupta zu Calcutta. The Home and the Street von 1988sowie aus Singhs einführendem Text zu River of Colour: The India of Raghubir Singh von 1998 kommentieren seine Aufnahmen sowie diejenigen Cartier-Bressons und verdeutlichen seine fotografische Haltung.
Raghubir Singh |
Raghubir Singh begann in den 1960er Jahren als Fotojournalist für indische und internationale Publikationen zu arbeiten wie National Geographic, Life, Time und New York Times. Bereits als Schulkind entdeckte er Henri Cartier-Bressons Fotobuch Beautiful Jaipur. 1966 begegnete er Cartier-Bresson, der einen wichtigen Einfluss auf seine Arbeitsweise hatte, erstmals persönlich. Wie diesem ging es auch Singh darum, die Momenthaftigkeit des Augenblicks mit kompositorischer Strenge zu verbinden. Anders als sein Vorbild entschied er sich aber sehr früh für die Farbfotografie. In seinem grundlegenden Text „River of Colour: An Indian View“ erläutert Singh 1998, inwieweit die Wertschätzung der Farbe in der indischen Ästhetik und Kulturgeschichte begründet liegt und die Ablehnung der Farbfotografie als vulgär (Walker Evans) im westlichen Wertesystem verankert ist. Zugleich stehe das Sehen nicht wie in der westlichen Tradition für eine distanzierte Wahrnehmung, sondern für eine, bei der die Sensualität des Tastsinns und Gemeinsinns enthalten ist. Es war nicht Singhs Interesse, mit der Farbfotografie einen neuen Stil als Antwort auf die modernistische Fotografie eines Cartier-Bresson, Andre Kertesz‘ oder auch Lee Friedlander zu begründen. Vielmehr wollte er die Fotografie aus indischer Perspektive prägen.
Raghubir Singh Ein Bräutigam und seine Begleiter, aus der Gemeinschaft der Marwari, Kalkutta, 1968 Museum Ludwig, Köln |
„Western modernism in photography will in time be broadened, by non-Western artists through a fine disregard of the philosophical stance of the West and of the related rules of the game", so Singhs Überzeugung.
In diesem Sinne entwickelte Singh um 1980 eine fotografische Haltung, die die Merkmale der Street photography, wie Schnappschussästhetik und ungewöhnliche Bildausschnitte, einsetzte, ohne sich jedoch von den gewählten Sujets als „entfremdete und verworfene" - so Singh - zu distanzieren. Die Intensität der Farbfotografien von Singh beruht wesentlich auf seiner Fähigkeit, der modernistischen Fotografie in diesem Sinne eine neue Wendung zu geben.
Raghubir Singh Shitala (indische Pockengöttin) und Lingams aus Stein, zu Zwecken der Andacht, Kalkutta, 1988 Museum Ludwig, Köln |
Singh nutzte den Ausschnitt, um Alltagssituationen im öffentlichen Raum als verdichtete Ereignisse zu vermitteln, wie zum Beispiel eine Auseinandersetzung im Straßenverkehr oder der Handel vor der Börse. Auf einer Aufnahme von Gläubigen, die das Durga Puja Fest im Kali Tempel Komplex feiern, ist ein Auto zentral ins Bild gesetzt; es wird dadurch gleichbedeutend mit der religiösen Szene und nimmt ihr die Zeitlosigkeit. In der Aufnahme eines Zigaretten- und Teeladens entsteht durch eine Trennwand und einen eingezogenen Boden eine Bild-im Bildkonstruktion, die zur genauen Betrachtung der Fotografie herausfordert.
In vielen Fotografien bringt Singh Alt und Neu, Geschichte und Jetztzeit in ein spannungsvolles Verhältnis, so zum Beispiel in der Aufnahme des Innenhofs eines herrschaftlichen Gebäudes, in der die alte koloniale Welt korinthischer Säulen und einer neoklassizistischen Venusdarstellung mit Rindern, Hühnern und Katze belebt ist.
Die Fotografien der „Kalkutta"-Serie vermitteln Singhs genaue Kenntnis der Metropole und ihrer langen Geschichte, die von der sogenannten bengalischen Renaissance geprägt war - einer Reformbewegung Intellektueller Anfang des 19 Jahrhunderts, die kulturellen, sozialen und politischen Wandel initiierten. Zu ihnen gehörte der Dichter, Musiker und Philosoph Rabindranath Tagore, dem Singh in Fotografien wie dem ehemaligen Musikzimmer im Hause der Gosh-Familie Tribut zollt. Eine andere Fotografie zeigt zwei Hausangestellte, die getrennt von den anderen Gästen einem Konzert von Tagore-Liedern lauschen. Von Singhs Porträts aus der „Kalkutta"-Serie ist eine Aufnahme des Filmemachers Satyajit Ray ausgestellt. Singh sah in dessen Filmen ein Vorbild für die gelungene Weiterentwicklung der Verbindung von Ost und West, wie sie bereits in der bengalischen Renaissance angelegt war.
Raghubir Singh hat 13 Fotobücher veröffentlicht und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Werke von Singh befinden sich beispielsweise im Metropolitan Museum of Art, Museum of Modern Art und dem Art Institute Chicago.
Kuratorin: Barbara Engelbach
Web und Social Media
Zur Ausstellung kommuniziert das Museum Ludwig auf seinen Social-Media-Kanälen mit dem Hashtag # RaghubirSingh
Facebook/lnstagram/Twitter/Vimeo: @Museumludwig - www.museum-ludwig.de
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Aus der Serie Porsche Snow & Track.
Sport, Abenteuer und eine außergewöhnliche "Driving Experience" stehen natürlich bei den Fotografien des Porsche Events "Snow & Track" im Vordergrund. Und natürlich die Faszination an der Technik, die auch widrige Straßenverhältnisse bravourös meistert. Das klassische, minimalistische Porsche Design, das die Kraft ahnen lässt, die unter der Karosserie lauert. Es ist klassische Autofotografie in Aktion, bei der die Ästhetik des Designs, das Erlebnis unwirtliche Straßenverhältnisse souverän meistern zu können, die Faszination in den Gesichtern der Betrachter auslöst.
"Follow the Sun" - Foto Julian Plack.
Nostalgie dagegen kommt bei den Bildern des international tätigen Münchner Lifestyle-, Travel- und People-Fotografen Julian Plack auf. Sie sind ein Mix aus ästhetisch inszenierten Situationen in traumhaften Landschaften, wie beispielsweise im Monument Valley, wo der Fotograf Cowboy-Romantik mit klassischen Oldtimer Automobilen paart und die Betrachter emotional in eine visuelle Nostalgie eintauchen lässt. Immer bemüht sich Julian Plack, eine Beziehung zwischen Umfeld, Automobil und den Menschen in seinen Bildern zu knüpfen. Er liebt direktes Licht und kräftige Farben.
Ein ganz anderer Ansatz prägt die Fotografien von Julian A. Kramer. Seine Automobilbilder wecken nicht durch Luxus, Technik und Design das Interesse, sondern durch Details, die mehr oder weniger auffällig auf die Menschen denen die Fahrzeige gehören, schließen lassen. Julian Kramer, der diese Bilder bereits in New York ausgestellt hat, weckt die Neugier. Was sagen die Gegenstände, Aufkleber, Zierleisten oder überhaupt Dekorationen am und im Auto über die Rolle des Automobils über die Leute aus, die sie fahren? Wie kommt der Husky in den gelben unter Palmen in südlicher Sonne geparkten Auto? Der Fokus dieser Bildserie liegt auf der Straßen- und Dokumentarfotografie. Es sind nicht Technik und Design, nicht Retro oder Moderne, nicht sportliche oder praktische Aspekte, die seinen Blick auf Autos lenkt. Es sind vielmehr ungewöhnliche Details oder Auffälligkeiten, die Rückschlüsse über die Menschen, denen das Auto gehört zulassen, aber die auch die Fantasie anregen zu Spekulationen über das Leben derjenigen, die sie besitzen.
Husky im "Schlitten" unter Palmen: Foto: Julian A. Kramer
Der Galerist Stefan Huber hat hier eine facettenreiche Bilderschau zum Thema Automobil zusammengestellt und in der Leica Galerie mit viel Können abwechslungsreich gehängt, sodass nur eine kleine, unbedeutende Kritik sich aufdrängt: Der Titel „Ingnition“ (Zündung) ist wahrlich nur der kleinste gemeinsame Nenner, für dieses umfangreiche und interessant aufgefächerte Thema, das in seiner gesellschaftlichen Bedeutung nur einen Teilaspekt des „Großen Ganzen“, der Mobilität darstellt. Klaus Dierßen, Professor an der Universität Hildesheim, Studiengang Fotografie hat einmal bei der Eröffnung der Ausstellung „Young Professionals“ in Zingst gesagt, Kuratoren agierten als „Geschmacksverstärker der Fotografie“. Das hat Stefan Huber mit der Ausstellung „Ignition“ in der Münchner Leica Galerie erneut bestätigt.
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"Ergun Çagatay - Wir sind von hier. Türkisch-deutsches Leben 1990." ist ein Ausstellungsprojekt des Ruhr Museums, Essen in Kooperation mit dem Goethe-Institut, Istanbul, dem Museum für Hamburgische Geschichte und dem Museum Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin
Türkische Fraueninitiative auf der Kundgebung gegen
den Entwurf des neuen Ausländergesetzes, Hamburg, 31. März 1990
© Ergun Çagatay/Fotoarchiv Ruhr
Museum/Stadtmuseum Berlin/Stiftung Historische Museen Hamburg
Kinder vor einem Hauseingang, Berlin-Kreuzberg
© Ergun Cagatay /Fotoarchiv Ruhr
Museum/Stadtmuseum Berlin/Stiftung Historische Museen Hamburg
Historische Straßenbahn des Typs 3344 im Pendelverkehr vor dem Türkischen Basar,
Bahnsteighalle des stillgelegten Jugendstil-Hochbahnhofs Bülowstraße, Berlin-Schöneberg
© Ergun Cagatay /Fotoarchiv Ruhr Museum/Stadtmuseum Berlin/Stiftung
Historische Museen Hamburg
Nach Stationen in Essen, Istanbul und Hamburg nimmt die Ausstellung die Besucher*innen mit auf Çagatays Reise von Hamburg über Köln und Werl nach Berlin und zurück in den Westen nach Duisburg. Neben den ortsspezifischen Arbeits- und Lebensbedingungen deutsch-türkischer Communities in diesen Städten fanden auch politische Themen immer wieder Eingang in Çagatays Motivauswahl. So dokumentierte er etwa die migrantischen Kämpfe um gesellschaftliche Teilhabe dieser Zeit. In verschiedenen Fotografien deutete er zudem den gesellschaftlichen Rechts-Ruck an.
Wartesaal mit Nummern-Aufrufanlage, Ausländerbehörde im Bieber-Haus, Hamburg-St. Georg
© Ergun Çagatay /Fotoarchiv Ruhr Museum/Stadtmuseum Berlin/Stiftung
Historische Museen Hamburg
Selbstbildnis des Fotojournalisten Ergun Ça?atay in Grubenkleidung vor Beginn der Anfahrt,
Bergwerk Walsum, Duisburg
© Ergun Çagatay/Fotoarchiv Ruhr Museum/Stadtmuseum
Berlin/Stiftung Historische Museen Hamburg
Rund 30 Jahre nach dem Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei entstanden, sind Ergun Çagatays F-tos inzwischen wichtige zeithistorische Dokumente. Sie bieten eine not-wendige Ergänzung zum herrschenden Narrativ der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der Wendejahre. Die Geschichten von Mig-rant*innen spielen hierbei nach wie vor viel zu selten eine Rolle. Im Be-gleitprogramm zur Ausstellung möchte das MEK deshalb den Raum für diese Perspektiven öffnen: Tandemführungen mit den portraitierten Personen sowie Erzählcafés werden persönliche Einblicke und Möglichkeiten zum Dialog bieten. Zum 3. Oktober wird darüber hinaus die seit mehr als 60 Jahren gewachsene deutsch-türkische Geschichte mit einem Kulturtag gefeiert.
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Toni Schneiders (1920-2006), Lichtspuren, Dom / Hamburg, 1950
Sammlung Stiftung F.C. Gundlach
Courtesy: Stiftung F.C. Gundlach,
Hamburg, © Nachlass Toni Schneiders, Stiftung F.C. Gundlach
Toni Schneiders ist einer der stilprägenden Fotografen Deutschlands nach 1945. Mit seinen feinsinnigen Aufnahmen hat er entscheidend dazu beigetragen, die Bildsprache der fotografischen Avantgarde der 1950er Jahre zu erweitern. Als Mitbegründer der Fotografengruppe »fotoform« 1949 und als Teil der Bewegung »subjektive fotografie« seit 1952 entwickelte er eine eigene Bildästhetik, die unter Wahrung des Wirklichkeitsbezuges der individuellen Gestaltung und autonomen Bildwirklichkeit weiten Raum einräumt. Diese Betonung formaler Qualitäten und Mittel übertrug Toni Schneiders auch auf seine Reisefotografien aus aller Welt. Mit der Befreiung des fotografischen Ausdrucks begründeten Toni Schneiders und seine Weggefährten in der Nachkriegszeit eine Tradition, die bis in die aktuelle Fotografie hinein reicht.
Toni Schneiders (1920-2006), Ein Mann allein, Kempten, 1951
Sammlung Stiftung F.C.- Gundlach
Courtesy: Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg, © Nachlass Toni Schneiders, Stiftung F.C. Gundlach
Möglich geworden ist die Retrospektive sowohl durch die Mitwirkung der Tochter des Fotografen, Ulrike Schneiders, deren Kenntnis des Œuvres bei der Entstehung von Ausstellung und Buch von großer Hilfe war, als auch durch die wissenschaftliche Expertise von Sebastian Lux und Franziska Mecklenburg von der Stiftung F.C. Gundlach, die die Ausstellung unter Mitwirkung von Christoph Bauer vom Kunstmuseum Singen kuratieren. Längst sind viele der Schwarz-Weiß Aufnahmen von Toni Schneiders Klassiker der modernen Fotografie geworden. In der aktuellen Schau sind darüber hinaus erstmals bislang unveröffentlichte Motive aus dem Negativarchiv zu sehen.
Toni Schneiders (1920-2006), Wassertropfen, 1960
Sammlung Stiftung F.C. Gundlach
Courtesy: Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg, © Nachlass Toni Schneiders, Stiftung F.C. Gundlach
Wirklichkeitsbezug und Gestaltungswillen – mit diesem doppelten Anspruch nimmt Toni Schneiders eine vermittelnde Position zwischen sachlich-dokumentarischer Darstellung und formalem Schaffen ein. »Einfach, klar und wahr«, so Toni Schneiders, sollte eine zeitlos gültige Aufnahme sein. Für seine präzise komponierten Aufnahmen fand er die Schönheit der grafischen Form in den einfachen Dingen in der Natur, in der Landschaft und im Alltag der Menschen. Mit bedingungslos fotografischem Blick wählte er Bildausschnitte, hob Linien, Konturen und Strukturen hervor und arbeitete einfühlsam mit vorhandenem Licht. In seinem unmittelbaren Lebensumfeld im Alpenvorland und auf Reisen in aller Welt hielt Toni Schneiders markante Momente der Wirklichkeit und des Lebens fest, deren Protagonist ein Mensch, ein Objekt oder eine Landschaft sein konnten.
Toni Schneiders (1920-2006), Ein Mann allein, Kempten, 1951
Sammlung Stiftung F.C.- Gundlach
Courtesy: Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg, © Nachlass Toni Schneiders, Stiftung F.C. Gundlach
Bei aller Strenge in der Bildästhetik lassen seine Motive immer wieder die Anteilnahme des Fotografen erkennen. Mit Humor und Sensibilität setzte er sein Lebenswerk in eine menschliche Perspektive. Entschieden lotete Schneiders die Potentiale der Fotografie aus, pointierte Tonabstufungen vom höchsten Spitzenlicht bis zum tiefsten Kernschatten, entschlossene Nachbearbeitung in der Dunkelkammer und kontrastreiche Abzüge zählten zu seinem Repertoire. Im Gegensatz aber zu manch anderem Vertreter der »subjektiven fotografie« lehnte Schneiders für sich aufwendige Arrangements oder Inszenierungen, surreale Verfremdungen, Dunkelkammer-Experimente und abstrakte Fotografik ab.
Toni Schneiders (1920-2006), Weiß auf Schwarz, Bleder See / Jugoslawien, 1965
Sammlung Stiftung F.C. Gundlach
Courtesy: Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg, © Nachlass Toni Schneiders, Stiftung F.C. Gundlach
Seit den 1950er- Jahren entwarf Toni Schneiders nicht nur mit seinen Einzelaufnahmen, sondern auch mit seinen Fotostrecken für Fotobildbände ein neues Bild vom Bodenseeraum und Alpenvorland. Der aufkommende Tourismus und der Aufschwung des Verlags- und Zeitschriftenmarktes eröffneten dem Autorenfotografen reiche Möglichkeiten.
Toni Schneiders' Weggefährte Peter Keetman, mit dem ihn eine jahrzehntelange Freundschaft und ein steter Austausch zu allen Fragen der Fotografie verband, beschrieb 1999 Schneiders' Haltung wie folgt: »Toni Schneiders' herzerfrischende Art mit Menschen umzugehen, stand und steht seiner zurückhaltenden Bescheidenheit gegenüber. Soweit es sein eigenes Werk betrifft, und wenn er etwas ergreift und beginnt, so entsteht daraus – schlicht gesagt – photographische Kammermusik«.
Kunstmuseum Singen, Ekkehardstraße 10, Singen
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Johanna Maria Fritz aus der Serie Im Garten ein Grab
In ihren Bildern erfassen die Fotografiinnen Fragmente dieses unglaublichen Angriffs: Sie zeigen individuelle Schicksale von Betroffenen und geben Einblicke in deren aktuelle Lebenswelt. Dabei liegt ihr Fokus darauf, die ganz persönlichen Erlebnisse und die Einzelschicksale der Portraitierten sowie Momentaufnahmen der letzten Wochen und Monate zu zeigen - exemplarisch für so viele tragische Leidensgeschichten und Facetten dieses Krieges.
Johanna Maria Fritz aus der Serie Im Garten ein Grab
Die OSTKREUZ Fotografin Johanna-Maria Fritz war für ihre Serie „Im Garten ein Grab“ ungefiltert und nah bei den Menschen. Sie war dabei, als die Kriegsverbrechen von Butscha sichtbar wurden, sie sah und dokumentierte die Zerstörung in Kyiv und Irpin, sah das Grauen auf den Straßen, die Zerstörung des Krieges. Ihre Bilder sind bewegende Zeugnisse der aktuellen Tragödie. Über die Entstehung der Fotografien sagt sie: „Wir waren einen Tag nach der Befreiung fast die ersten Journalisten in Butscha, die den Ort besuchten. Die Menschen waren froh über das Ende der Besatzung, doch die Wunden des Krieges waren noch überall präsent. Erst nach der Befreiung begriffen die Bewohner:innen von Butscha das wirkliche Ausmaß des Terrors.“
Helena Lea Manhartsberger und Laila Sieber aus der Serie Wo man die Stille hören kann
Die Serie „Wo man die Stille hören kann“ von Helena Lea Manhartsberger und Laila Sieber ist ein einfühlsames Porträt der ersten Tage des Krieges abseits der Frontlinie.
Helena Lea Manhartsberger und Laila Sieber aus der Serie Wo man die Stille hören kann
Die beiden Fotografinnen traten ihre Reise in die Westukraine gemeinsam an. Sie begegneten dort Menschen, die mit der neuen Realität ganz unterschiedlich umgingen. Manche bereiteten sich darauf vor aus dem Land zu fliehen, andere darauf, ihre Heimat zu verteidigen und zu bleiben. In der Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen wird die Komplexität des Krieges sichtbar. Über ihre Serie sagen sie: „Die Stille, die man hören kann, wird manchmal leiser, wenn in Gesprächen laut gelacht wird. Dann schreit sie wieder, wenn die Sorge um Verwandte, die noch auf der Flucht sind, einem die Sprache verschlägt. Aber sie ist in diesem Krieg eine ständige Begleiterin.“ Die beiden Fotografinnen begleiten den Weg der Flüchtenden bis heute - Videobotschaften erzählen die Geschichten in der Ausstellung weiter.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Andy Heller und Mirja Linnekugel.
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V., Stresemannstr. 28, Berlin
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Sven Simon, Die "Dirndlgruppe" bei der Eröffnungsfeier
am 26. August 1972 im Münchner Olympia-Stadion, Fotografie, 1972
© IMAGO/Sven Simon
Am 26. April 1966 entschied das Olympische Komitee, die Spiele der XX. Olympiade 1972 nach München zu vergeben. Für die Landeshauptstadt war dies eine tiefgreifende Zäsur. Die damit verbundenen Ereignisse und Entwicklungen haben vielfältige Spuren in der Stadt hinterlassen. Das Münchner Stadtmuseum macht diese im Jubiläumsjahr im Stadtraum selbst sichtbar und lädt zu einer Olympischen Spurensuche ein. Erstmals begibt sich das Museum direkt an die historischen Orte des Geschehens. An etwa 20 ausgewählten, im Stadtraum verteilten Stationen werden Besonderheiten und Ereignisse hervorgehoben, die mit den Spielen in Zusammenhang stehen.
Unbekannt, Peter Trump (rechts) in Aktion beim Hockeyfinale BRD
gegen Pakistan am 10. September 1972, Fotografie, 1972
© IMAGO/Horstmüller
Sven Simon, Gold für die Bundesrepublik Deutschland (v.l.n.r.):
Annegret Richter, Ingrid Mickler-Becker, Heide Rosendahl und Christiane Krause
gewinnen die 4-mal-400 Meter-Staffel, Fotografie, 1972
© IMAGO/Sven Simon
Olympia '72 steht für weit mehr als die sportlichen Spitzenleistungen, die zwischen dem 26. August und dem 11. September 1972 erbracht wurden. Visionäre Zukunftsideen und Gesellschaftsentwürfe, politischer Gestaltungswille und nüchterner Pragmatismus sowie Begeisterung und Tragödie verdichten sich bei den Olympischen Spielen in München zu einem vielschichtigen Bild, das bei einer Tour durch die Stadt entdeckt werden möchte. An bekannten, aber auch längst in Vergessenheit geratenen und teils unerwarteten Orten wird vermittelt, welche Auswirkungen die Ausrichtung für die Stadt hatte: Sie hat sie nicht nur baulich und infrastrukturell entscheidend verändert, sondern auch in ideeller und gesellschaftlicher Hinsicht Zeichen gesetzt.
Herbert Michalke, Baumaßnahmen am Marienplatz zur Errichtung
der unterirdischen Stammstrecke für die S-Bahn, Fotografie, 1968
© Aldiami/Herbert Michalke/Timeline Images/Süddeutsche Zeitung Photo
Im Olympiapark entwarfen die Architekten die zentralen Sportstätten nicht als massive oder gar monumentale Einzelbauten, sondern als „Fortsetzung der Landschaft mit anderen Mitteln“. Stadion, Sport- und Schwimmhalle betteten sie in Mulden ein und überspannten sie mit einem transparenten Dach. In Abgrenzung zu den Olympischen Spielen in Berlin 1936 versinnbildlichte ihre Gestaltung konsequent demokratische Werte und machte sie in Form einer Landschaftsplastik erleb- und erfahrbar. Naheliegend ist daher eine Ausstellungsstation direkt auf dem Olympiaberg. Analoge und digitale Module der Station vermitteln die zukunftsweisende Olympia-Architektur und die gebaute Landschaft im Olympiapark – direkt an dem Ort, von dem aus das gesamte Ensemble zu sehen und seine Intention spürbar ist.
Unbekannt, Hans-Jochen Vogel (links) und Willi Daume (rechts) testen Telefonzellen
bei der Eröffnung des Pressezentrums auf dem Olympiagelände, Fotografie, 1972
© IMAGO/ZUMA Wire
Eine weitere Stele der Olympischen Spurensuche befindet sich am Nördlichen Schloßrondell. Mit dem Nymphenburger Schlosspark wurde eines der größten und bedeutendsten Gartenkunstwerke Deutschlands gezielt als Austragungsort für das Dressurreiten ausgewählt – aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Das reiche kulturelle Erbe Münchens sollte damit zum Erlebnis für das Publikum und die Olympionik*innen gleichermaßen werden. Historische Aufnahmen auf der Stele illustrieren die aufwendigen, temporären Aufbauten wie den 20 mal 60 Meter großen Wettkampfplatz und die zwei Zuschauertribünen. In unmittelbarer Nähe zum Originalschauplatz können Besucher*innen so Geschichte und Gegenwart direkt miteinander verknüpfen.
Otl Aicher/Elena Winschermann (Entwurf),
Olympia-Maskottchen "Waldi", 1972, Münchner Stadtmuseum © IOC
An 17 weiteren Standorten werden unter anderem Themen wie Nachhaltigkeit, das grafische Erscheinungsbild und dessen Vorbildfunktion für modernes Corporate Design, Migration, die Modernisierung sowie der Ausbau der Infrastruktur und das die Spiele prägende Attentat behandelt. Die Ausstellung ist bewusst direkt an die Orte des Geschehens verlegt und rund um die Uhr erlebbar. Die Stelen sind markant dort platziert, wo sie auch von Passant*innen oder Tourist*innen zufällig wahrgenommen werden können. Das Design der Stelen dient nicht nur als Trägermaterial für die Informationen, sondern bietet zudem Sitzmöglichkeiten an und lädt so die Besucher*innen zum Verweilen ein. Kurze Texte auf deutsch und englisch bieten Basisinformationen und Bildmaterial zum jeweiligen Thema. Ein QR-Code führt zu einer Vertiefungsebene: Die hinterlegte Website bietet weiterführende Informationen, Abbildungen und Filme, darunter auch Interviews mit Zeitzeug*innen. An neun ausgewählten Stationen sind die Besucher*innen selbst gefordert: Bei der #WaldiChallenge können sie sowohl ihr Wissen zu Olympia als auch ihr sportliches Können unter Beweis stellen.
Unbekannt, Protestplakat mit Fritz Teufel,
zeitweise Mitglied des Anti-Olympischen-Komitees,
Farboffsetdruck, um 1969 (Nachdruck 2012), Münchner Stadtmuseum
Stelen der Ausstellung befinden sich hier:
1 Ein Besuch mit Folgen | Marienplatz
2 »München plant und baut«: die Ringstraßen | Isartor
3 »München wird moderner« | Ungererstraße
4 »Im Windschatten der Olympiade« – die Fußgängerzone | Stachus
5 München ist Einwanderungsstadt | Hauptbahnhof
6 Nicht gradlinig, rechtwinklig, ernst – der Olympiapark | Olympiaberg
7 Münchens erster Olympiasieger | Olympiaberg
8 Die Stadt in der Stadt | Connollystraße
9 Die Abteilung XI. des Organisationskomitees | Saarstraße
10 Die »Edition Olympia« | Nymphenburger Straße
11 Münzen und Medaillen für Olympia | Pfisterstraße
12 »Fernseh-Olympia« | Connollystraße
13 »Es empfiehlt sich, ab jetzt nur noch zu lächeln« – die Eröffnung | Olympiaberg
14 Höfische Noblesse und Olympische Spiele | Nördliches Schloßrondell
15 Bogenschießen im Englischen Garten | Werneckwiese
16 »Bayern – Kunst und Kultur« | Münchner Stadtmuseum
17 »Weltkulturen und moderne Kunst« | Haus der Kunst
18 »Quartiere für die Jugend der Welt« | Kapuzinerhölzl
19 Heitere Spiele auf Kosten der Sicherheit? | Ettstraße
20 »Die heiteren Spiele sind zu Ende« – das Attentat | Connollystraße
21 Das Experiment »Spielstraße« | Olympiaberg
22 »Olympischer Sommer« | Odeonsplatz
23 »Internationales Folklorefestival« | Circus Krone
24 Vergessene Olympiaorte | Theresienhöhe
Kuratiert wird die Ausstellung von Henning Rader und Antonia Voit.
Begleitend zu dieser Ausstellung erscheint eine Publikation, die ab Anfang Juli kostenfrei im Münchner Stadtmuseum erhältlich ist.
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Karl Lagerfeld (1933-2019)
A Portrait of Dorian Gray, 2004, 8 Fotografien (Acryldruck)
je 70 x 50 cm
© The Estate of Karl Lagerfeld, Courtesy Steidl
Vielleicht ist ja alles ein Irrtum: Der körperliche Verfall, der geistige Abbau, das Alter, der Tod? Schließlich bietet die menschliche Vorstellungskraft eine Fülle von Auswegen, der körperlichen Vergänglichkeit zu entkommen. Schneewittchen bewahrt durch jahrelangen Schlaf seine Schönheit, Dorian Gray lässt ein Porträt altern statt seiner selbst, Ikarus überwindet mit Flügelprothesen die Grenzen seines Skeletts.
Installationsansicht 1
(Alex Van Gelder: „Louise Bourgeois at home in 2009“, Stefan Panhans:
„UP! UP!! UP!!!“, Juergen Teller: „Helen Mirren, London 2010“)
Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber
Der Wunsch des Menschen, seinem biologischen Körper zu entweichen, ist uralt. Und seine Erfüllung scheint durch Fortschritte in Gentechnologie und künstlicher Intelligenz greifbarer denn je. Die Entdeckung des „Unsterblichkeits-Gens“ FoxO3, potenzielle Steigerungsmöglichkeiten der Telomerase-Aktivitäten zur Verlangsamung des Alterns und neue Erkenntnisse der Epigenetik lassen auf eine deutliche Verlängerung der eigenen Lebensspanne und sogar der unserer Nachkommen hoffen. Unterstützt wird dieses Versprechen durch tragbare Gesundheitselektronik wie Smartwatches für bessere Kondition, Fitness-Ringe, die selbst den richtigen Empfängniszeitpunkt vorhersagen oder Schuheinlagen, die das Gleichgewicht dokumentieren. Dem quantifizierten Ego scheint die Zukunft zu gehören.
On and On and On, 2022
ABBA-Fotoalbum
Mixed-Media-Installation
Courtesy the artists, Privatsammlung
Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber
Tracker und Apps helfen dabei, den Körper tiefer und genauer zu vermessen, Makel rechtzeitig zu erkennen und eine gesunde Lebensführung angemessen zu belohnen – Datenmissbrauch eingepreist. Coaching-Angebote zur Selbstoptimierung sowie Schönheitsoperationen boomen. Lässt die Körperkraft nach, stehen modernste Prothesen und hilfreiche Entwicklungen aus der Robotik zur Verfügung. Exoskelette erweitern Wirbelsäule, Arme und Beine und ermöglichen körperliche Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter.
eres/colliders
On and On and On, 2022
Mixed-Media-Installation
4 Objekte, Digitaldruck hinter Acryl,
je 10 x 10 x 2 cm
Courtesy the artists
Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber
Techno-Utopisten aus dem Silicon Valley begreifen das Alter ohnehin als überwindbare Krankheit und sehen den biologischen Körper in seiner derzeitigen Form als fehleranfällig und von zu mühsamer Instandhaltungsrout ine gezeichnet an. So soll beispielsweise Googles biotechnologische Abteilung „Calico“ den Alterungsprozess lösen helfen. Noch einen Schritt weiter gehen die Fantasien der Transhumanisten. Sie sehen die Menschheit vor der nächsten Evolutionsstufe und glauben, dass mittels KI das menschliche Bewusstsein künftig in der Cloud hochgeladen werden kann und sich durch Robotik, künstliche Intelligenz und virtuelle Realität Parallelkörper entwickeln lassen. Bis es so weit ist, bietet sich die Kryonik, das Einfrieren von Kopf oder gesamtem Körper in „Cephalon- Boxen“ oder mit Flüssig-Stickstoff gefüllten Aluminiumkapseln, als Übergangslösung an. Entwarnung also? Versprechen uns Medizin und Technologie schon bald nicht mehr nur eine steigende Lebenserwartung, sondern sogar Unsterblichkeit? Schön wär’s – oder nicht?
Marina Abramovi? (*1946)
The Abramovi? Method, 2021
Video, Schwarz-Weiß/Farbe, Ton,
13:30 Min.
© Marina Abramovi? / MAI
Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber
Die Ausstellung „Alter + Ego“ beleuchtet mit künstlerischen Positionen die Verheißungen des „Human Enhancement“ in verschiedenen Facetten und geht der Frage nach, wie wir als Ego mit dem Alter und der Vergängl ichkeit zurechtkommen. Denn hat nicht ein winziges Virus in der Corona-Pandemie die modernen Jungbrunnen-Fantasien auf den harten Boden der Realität zurückgeholt und gezeigt: Mit Alter und Tod verknüpfte Erfahrungen wie Fürsorge, Abschied und Trauer bleiben elementare, zutiefst menschlicheEmpfindungen, die unsere Spezies ausmachen.
Das Projekt
Wie ABBA als animiertes Hologramm die Zuschauer begeistert und die Bandmitglieder als digitale Avatare bis über den Tod hinaus Konzerte geben könnten, wie ein alter Mann in der Arbeit von Superflux die gutgemeinten Alltagshilfsmittel seiner Kinder boykottiert und Thomas Silberhorn einen wildgewordenen Treppenlift durch den Ausstellungsraum fegen lässt macht Mut und Laune, sich dem Thema zu stellen – egal in welchem Alter.
Fasst die Kunstgeschichte die dem Projekt zugrundeliegenden Überlegungen prägnant im Motiv des memento mori – in der Ausstellung repräsentiert durch das barocke Gemälde von Daniel Preisler, um 1650) – fächern zeitgenössische künstlerische Positionen die vielfältigen Aspekte des Themas auf. Basieren etwa Jeremy Shaws fluoreszierende UVPrints auf 3D-Bildgebungsverfahren, die in der Diagnostik angewendet werden, um degenerative Veränderungen des Gehirns im Alter sichtbar zu machen, nimmt uns Sybille Fendt in ihrer sehr intimen Fotoserie mit auf die letzte Reise eines Ehepaares nach einer Demenz- Diagnose.
Installationsansicht 2
(Sibylle Fendt: „Gärtners Reise“, eres/colliders „On and On and On“)
Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber
Die US-Amerikanerin Taryn Simon wagt sich für ihre Fotoarbeit in das umstrittene Cryonics Institute Michigan, wo Gefrier-Dienstleistungen für Menschen und Tiere angeboten werden, um womöglich eines Tages den Tod zu überwinden. Zeichnungen von künstlichen Gliedmaßen des Erfinders Albrecht Ludwig Berbl inger aus dem frühen 19. Jahrhundert treffen auf die altmeisterlich anmutenden Gemälde von Schnürungen und Prothesen der 1984 geborenen Künstlerin Mona Ardeleanu. Karl Lagerfeld visioniert das Altern seiner beiden Models in Anlehnung an Oscar Wildes Dorian Gray in einer verstörend schönen Fotoserie. Die fast hundertjährige Bildhauerin Louise Bourgeois hingegen steht vor der Kamera von Alex van Gelder selbstbewusst zu ihrem Alter,
Schauspielerin Helen Mirren gewährt mit 65 Jahren Jürgen Teller einen Blick auf ihren reifen, ungeschminkten Körper in der Badewanne. Besuchern bietet sich die Gelegenheit, an einem Coaching durch Marina Abramovi? teilzunehmen und sich selbst zu optimieren, im digitalen Schlaflabor der Italienerin Elisa Giardina Papa Techniken zur Perfektionierung des Egos und gedanklich die hintersinnige Kletterwand-Installation „Up! Up!! Up!!!“ von Stefan Panhans zu erklimmen.
Vorträge
Donnerstag, 14. Jul i 2022, 19 Uhr
Können wir das Altern abschaffen?
Prof. Dr. Christoph Englert
Forschungsgruppe Molekulare Genetik am Leibniz-Institut für Alternsforschung, Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI), Jena
Montag, 18. Jul i 2022, 19 Uhr
Schöner neuer Mensch. Ist künftiges Leben nicht mehr an die Biologie des Körpers gebunden?
Prof. Dr. Stefan Lorenz Sorgner
Chair of the Department of History and Humanities, John Cabot University, Rom
Donnerstag, 22. September 2022, 19 Uhr
Schlaue Roboter – Alter und Maschinenintelligenz
Prof. Dr. Sami Haddadin
Direktor des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI), Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz an der TU München
Donnerstag, 13. Oktober 2022, 19 Uhr
Gibt es ein Unsterblichkeits-Gen?
Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Bosch
Zell- und Entwicklungsbiologe, Direktor des Zoologischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Mittwoch, 26. Oktober 2022, 19 Uhr
So können wir unsere Gene steuern: Die Chancen der Epigenetik für ein langes, gesundes Leben (in englischer Sprache)
Prof. Dr. Isabelle Mansuy
Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie, Institut für Neurowissenschaften, ETH Zürich
Eres-Stiftung, Römer Straße 15, München
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Artist and Model Reflected in a Mirror 1, 2007 130 x 104 cm |
Elina Brotherus befasst sich in ihren Bildserien und Videoarbeiten immer wieder mit den vielfältigen Verbindungen zwischen Model, Künstler*in und Betrachter*in, zwischen Mann und Frau, Figur und Ort sowie mit den Genres Porträt und Akt. Mit für sie typischen mal kuriosen, mal anrührenden, mal ironischen Selbstinszenierungen lotet die Fotografin Emotionen und Spannungen aus, beispielsweise Allein- und Zusammensein, Verloren- und Geborgenheit, Liebe, Sehnsucht, Trauer und in ihren jüngeren Werken wieder häufiger Freude.
Disguise Yourself as Another Object (Wallpaper), 2016 80 x 57 cm |
In the Sky Unlike a Bird, 2015 |
Oft zieht sie ihre Inspiration aus der Auseinandersetzung mit Kunstströmungen von Romantik bis Fluxus. Referenzen zum Maler Caspar David Friedrich finden sich beispielsweise in ihrer Werkgruppe Der Wanderer, auf die Multimedia-Künstlerin Yoko Ono verweist die Video-Arbeit The Wish Tree. Außerdem zeigt das FFF die Serie Sebaldiana. Memento Mori, Brotherus’ Beschäftigung mit dem deutschen Literaten W.G. Sebald und dem kurzen Künstlerdasein ihrer Mutter Ulla Brotherus. Eine Buchpublikation der Fotografin zu dieser Serie erscheint im Sommer 2022.
Flux Harpsichord Concert, 2016 90 x 120 cm |
Elina Brotherus, geboren in Helsinki, studierte Fotografie (Abschluss Master) und Chemie (Master of Science) – und ist eine der frühen Protagonist*innen der sogenannten The Helsinki School, einem in den 1990ern experimentell arbeitenden Zusammenschluss junger visueller Künstler*innen u.a. an der heutigen Aalto-University Helsinki. Die in Finnland und Frankreich lebende Fotografin gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotokünstlerinnen Europas. Ihre Arbeiten wurden seit 1997 international ausgestellt, sind zahlreich publiziert, preisgekrönt und in renommierten Museums- und sonstigen Sammlungen zu finden. Das FFF zeigt sie nach 2014 zum zweiten Mal.
Portrait Series (Gelbe Musik with Sunflowers), 2016 After John Baldessari, Portrait Series, 1974 |
Die Schau "Elina Brotherus - In Reference to a Sunny Place" wird von der Feith-Stiftung, der Deutsche Börse Photography Foundation sowie dem Frauenreferat der Stadt Frankfurt gefördert.
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Regina Anzenberger: Peace Bird, 2022
"Berührt von der Ukraine Krise habe ich dieses Bild übermalt", so Regina Anzenberger, " das Motiv
wurde in den Donauauen fotografiert. Technik ist Fotografie- Pigmentdruck auf Hahnemühle PhotoRag Ultra Smooth übermalt mit Acryl, Bleistiftzeichnung, 170 x 130 cm
Heather F. Wetzel: Salvage
Diese Serie von Ferrotypien mit dem Titel Salvage wird aus den Ober- und Unterseiten
von recycelten Dosen hergestellt. Durch die Verwendung eines kreisförmigen Formats mit unterschiedlichen Durchmessern werden diese fotogenen Zeichnungen zu kleinen Welten. Das zur Erstellung der Bilder verwendete Pflanzenmaterial weist auf Wachstum, Biodiversität und potenzielle Regeneration hin.
Stella Bach: Meditations in an emergency
Die Gemälde, Collagen, Fotografien und Skulpturen von Stella Bach erzeugen eine visuelle Semantik,
der eine beeindruckende Lyrik innewohnt. In ihren übermalten Collagen transzendiert sie Gemütszustände, die aus einem introspektiven Prozess hervorgehen, um sich dann in Gesten
und materieller Form zu manifestieren.
Ein Bild mit feinen Nadelstichen
den Körper als Ort, um gemeinschaftliche Bedeutungen zu erforschen. Sie taucht häufig in
ihren eigenen Bildern auf, Nadelperforationen und Fäden durchstechen die Haut der Fotografie
und dehnen Bildobjekte über eine einzige Zeit und einen Raum hinaus aus.
Minyo Szert: Quartzcontact
Seit 1980 arbeitet Minyo Szert als freischaffender bildender Künstler. Seine Werke befinden sich in der Ungarischen Nationalgalerie, im Ungarischen Museum für Fotografie und in der Sammlung der Ersten Ungarischen Visionen sowie in Privatsammlungen in verschiedenen Ländern der Welt. Mitglied des Kollektivs ungarischer bildender Künstler und des Verbandes ungarischer Fotokünstler.
Gabriela Morawetz - Unwägbarkeiten
Geboren in Polen. Absolventin der Akademie der Schönen Künste, Krakau. Von 1975 bis 1983 lebte sie in Caracas, Venezuela. Seit 1983 lebt sie in Paris, Frankreich. Sie hat in zahlreichen Galerien, Museen und Kulturinstitutionen ausgestellt
Teilnehmende KünstlerInnen: Stella Bach, Zachary Burns, Simone Casetta, Alexandra Diaconu, Jessa Fairbrother, Ellen Korth, Gabriela Morawetz, Minyo Szert, Heather F. Wetzel, Yelena Zhavoronkova, Regina Anzenberger, ....
Am Eröffnungsabend gibt es für alle ausgestellten Werke einen Rabatt von 20 % als Geschenk an unsere Kunden
AnzenbergerGallery, Brotfabrik Wien, Absberggasse 27, Wien
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Foto Christopher Thomas
Passion 27, 2010
Pigment Print auf Hahnemühle Papier
Christopher Thomas ließ sich vom biblischen Geschehen faszinieren, einer Geschichte, die, wie er sagt, „alles enthält, was uns Menschen im Innersten bewegt“. In den Fokus seiner Kamera legte er deshalb den Ausdruck zutiefst menschlicher Empfindungen und religiöser Gefühle wie Hoffnung, Leid, Erstaunen, Entsetzen und Freude.
Foto Christopher Thomas
Passion 22, 2010
Pigment Print auf Hahnemühle Papier
Dargestellt werden nicht Spielszenen und wohlbekannte Massenauftritte, sondern einzelne Protagonisten, deren Antlitz und individuelle Gestalt: Sängerinnen aus dem Chor, Händler, Soldaten, einige der Jünger, Maria, Jesus. Durch die Hingabe an einzelne Personen ist das Wesentliche erfasst und festgehalten. Das Hervorheben der menschlichen Gefühlswelt wird zusätzlich betont durch das reduzierte Farbspektrum, das sich in warmen, fein modulierten Grau-, Schwarz- und Brauntönen vor gedämpftem dunklen Hintergrund manifestiert.
Foto Christopher Thomas
Passion 07, 2010
Pigment Print auf Hahnemühle Papier
Foto Christopher Thomas
Passion 01, 2010
Pigment Print auf Hahnemühle Papier
10117 Berlin
(Zugang über Glaskubus)
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Herbert List: Athen, 1937, Herbert List Estate
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Die Retrospektive Im Hamburger Bucerius Kunst Forum gliedert sich in die sieben Kapitel Anfänge in Hamburg, Fotografie Metafisica, Griechenland, Junge Männer, Italien, Künstlerporträts und Reportage.
Hamburg ist der Ausgangspunkt für Herbert Lists (1903 – 1975) fotografische Karriere. Angeregt durch seinen Freund, den Fotografen Andreas Feininger, der ihn von dem Erwerb einer neuen Rolleiflex überzeugt, beginnt er 1930 intensiver zu fotografieren. Er widmet sich Straßenszenen in Hamburg, wie am Hafen und am Bahnhof, sowie in näherer Umgebung an der Elbe und Ostsee und beschäftigt sich insbesondere mit dem Phänomen der Nacht. Themen, für die er später bekannt wird, deuten sich bereits mit geheimnisvollen, surrealen Motiven sowie Porträts junger Männer an. Auch sein spielerischer Umgang mit Licht und Schatten und starken Hell-Dunkel-Kontrasten ist erkennbar.
Herbert List Pocomania: Von der Trance des Tanzes besessen,
Kingston, Jamaika, 1957,
Herbert List Estate
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Herbert List, 1903 als ältester Sohn eines Kaffeehändlers in Hamburg geboren, geht seinem frühen Interesse für Kunst und Fotografie ab 1930 intensiver nach und entscheidet sich 1936 für eine Fotografen-Laufbahn. Die Bedrohung durch die Nationalsozialisten als homosexueller Mann mit einem jüdischen Großvater veranlasst ihn 1936, Deutschland zunächst zu verlassen und nach Paris zu gehen. 1937 bricht er erstmals für einige Monate nach Griechenland auf, wohin er im Laufe seines Lebens immer wieder zurückkehren wird. Um einer Verhaftung in Griechenland zu entgehen, lässt er sich 1941 in München nieder. Die Stadt wird sein Lebenszentrum und Ausgangspunkt für seine zahlreichen Reisen.
Herbert List Blick auf die Säule des Kaisers Trajan, Rom, 1949,
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Italien bereist List zu unterschiedlichen Zeiten. Während seines Aufenthalts in Rom 1953 wechselt er von der Mittelformatkamera auf eine Leica-Kleinbildkamera. Diese ermöglicht ein schnelles, spontanes und unbeobachtetes Fotografieren und führt dazu, dass List seinen Stil verändert. Waren seine Fotografien zuvor eher statisch, hält nun das Flüchtige in Form von Bewegung und Momentaufnahmen Einzug. Darüber hinaus interagiert List stärker mit den Menschen, was in den Straßenszenen in Rom und noch deutlicher in den Aufnahmen der Bewohner:innen Neapels der Jahre 1959 und 1961 sichtbar wird.
Herbert List: Pablo Picasso mit „Chouette dans un intérieur“ (1946),
Rue des Grands-Augustins, Paris, 1948,
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Ausstellungsansicht in dem Bucerius Kunst Forum
In der Nachkriegszeit wird List zum Porträtfotografen der Künstler:innen und Intellektuellen seiner Zeit. Dabei fotografiert er Maler:innen, Schauspieler:innen, Musiker:innen und Schriftsteller:innen wie Pablo Picasso, Marc Chagall, Georges Braque, Marlene Dietrich und Ingeborg Bachmann. Seine Porträts zeigen die Menschen hinter ihrem Werk und offenbaren ein besonderes Vertrauen zwischen dem Fotografen und Porträtierten. Neben Aufnahmen in Paris und in Italien der 1950er Jahre führt ihn ein Auftrag der 1960er Jahre für die Zeitschrift Du in das geteilte Berlin, wo er u.a. John Heartfield, Günter Grass und Helene Weigel einfängt.
Herbert List: Haus und Statue der Kleopatra, Delos, 1937,
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Herbert List: Unter dem Poseidontempel, Sounion, um 1937,
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Nach dem Zweiten Weltkrieg fotografiert List vermehrt das Zeitgeschehen in Form von Reportagen für Zeitschriften und die Tagespresse. Bilder vom zerstörten München erinnern in der Ästhetik an seine Aufnahmen antiker Ruinen in Griechenland. Zudem kann er einige Buchprojekte realisieren. List arbeitet intensiv mit der Illustrierten Heute zusammen, die über die höchste Auflage im amerikanischen Sektor verfügt. In großem Umfang publiziert auch die schweizerische Kunst- und Kulturzeitschrift Du seine Arbeiten und in der Süddeutschen Zeitung zählt er zu den am häufigsten gezeigten Bildautor:innen. So rezipiert eine Vielzahl interessierter Leser:innen seine Bilder und der Einfluss seiner Werke auf Nachwuchsfotograf:innen wird verstärkt. Als zeitgeschichtliche Dokumente sind die Reportagen von 1945/46 über den spektakulären Fund der NSDAP Mitgliedskartei und den Central Art Collecting Point, an dem von den Nationalsozialisten geraubte Kunstwerke gesammelt wurden, hervorzuheben, die bislang nur selten in einer Ausstellung gezeigt wurden.
Herbert List: Ringende Jungen, Ostsee, 1933,
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List
© Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus
Zur Schau erscheint im Hirmer Verlag ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen von Kathrin Baumstark, Ludger Derenthal, Katrin Dyballa, Nadine Isabelle Henrich, Hans-Michael Koetzle, Bernhard Maaz, Ulrich Pohlmann, Peer-Olaf Richter und Esther Ruelfs (288 Seiten mit Abbildungen der ausgestellten Werke, 35 Euro in der Ausstellung).
Parallel zur Ausstellung Herbert List. Das magische Auge zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe die Ausstellung Präuschers Panoptikum. Ein Bilderbuch von Herbert List vom 20. Mai bis 18. September 2022 mit der Weltpremiere des Fotobuchprojekts sowie Aufnahmen, die als Vorreiter des „Queer Gaze“ gelten.
Zudem präsentiert das Bargheer Museum mit der Ausstellung „Passione e Destino – Aufbruch des Fotografen Herbert List und des Malers Eduard Bargheer in die mediterrane Welt vom 15. Mai bis 18. September 2022 eine Gegenüberstellung der Werke der beiden befreundeten Künstler aus den Zeiträumen der 1930er Jahre und der frühen 1950er Jahre.
Die Zusammenarbeit mit dem Herbert List Estate und dem Münchner Stadtmuseum sowie die gemeinsame Kuration von Kathrin Baumstark, Direktorin des Bucerius Kunst Forums, und Ulrich Pohlmann, Leiter der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum, hat dies ermöglicht.
Bucerius Kunstforum, Alter Wall 12, Hamburg
Hirmer Verlag: Herbert List - Das Magische Auge
Hg. Kathrin Baumstark, Ulrich Pohlmann
Beiträge von Kathrin Baumstark, L. Derenthal, K. Dyballa, H.-M. Koetzle, Bernhard Maaz, Ulrich Pohlmann, E. Ruelfs, P.-O. Richter, N. Henrich
288 Seiten, 318 Abbildungen in Farbe22,5 x 28 cm, gebunden
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Love Matters
Tatjana Patitz & Ollie Ferguson
Nomi Baumgartl: Seelenlandschaften/
Leica Galerie Wetzlar 2022
Nomi Baumgartl (*1950) zählt zu den vielseitigsten Fotografinnen in Deutschland. Sie war auf der halben Welt unterwegs, fotografierte berührende Reportagen, porträtierte prominente Zeitgenossen, war erfolgreiche Mode- und Werbefotografin. Heute konzentriert sich die Leica Fotografin vor allem auf die Beziehung zur Natur. Die Ausstellung in der Leica Galerie Wetzlar gibt Einblicke in die wichtigsten Projekte ihrer langen Karriere.
The Observer
Aiguillle du Dru 2019
aus dem Zyklus „Eagle Wings“
Nomi Baumgartl: Seelenlandschaften/
Leica Galerie Wetzlar 2022
Mit „Eagle Wings – Protecting the Alps“ richtet die Fotografin den Blick auf den gravierend fortschreitenden Klimawandel. Als „einzigartiges Projekt auf drei Ebenen“ bezeichnet sie ihr engagiertes Projekt, in das die Erde, der Luftraum und „das große Auge aus dem Weltall“, so Baumgartl, eingebunden sind. Eine Auswahl ihrer faszinierenden Aufnahmen der Eislandschaften und eines Adlers zeigen Ausschnitte des Projekts, das sich als Gesamtkunstwerk aus Gletscherfotografien, Aufnahmen einer Minikamera auf dem Rücken eines Adlers und hoch aufgelösten Satellitenbildern zusammensetzt.
Immer stellt die Fotografin Bezüge her: zwischen Menschen und Tieren, der Natur, der Erde als schützenswerter Kostbarkeit. Sie bezeichnet ihr Werk daher auch als „Hommage an die Schöpfung“, hat sie doch selbst vor vielen Jahren nach einem Unfall selbst erlebt, wie fragil das Leben sein kann.
Während ihrer eigenen Rekonvaleszenzzeit lernte sie die Organisation Dolphin Aid kennen und fotografierte von 2000 bis 2001 auf den Bahamas das Zusammentreffen von Menschen und Delphinen, bei denen die heute längst ikonischen Aufnahmen mit dem Topmodel Tatjana Patitz und Mickey Eskimo, Robbie Seeger und Francisco Goya, der damaligen Surfer- Weltelite, entstanden.
Wild Connection, Chris Gallucci and Timbo
Shambala Preserve, California 2003
Nomi Baumgartl: Seelenlandschaften/
Leica Galerie Wetzlar 2022
Aus dieser Serie, in der es um die Harmonie von Mensch und Natur geht, entwickelte sich auch die Serie „Yin & Yang“. Hier hat die Fotografin berührende Motive gefunden, um das Prinzip der aus zwei gegensätzlichen Teilen bestehenden Einheit in starke Symbolbilder zu übersetzen. Bei den Shootings auf den Bahamas war auch Chris Gallucci dabei, der als „Elephant Man“ legendär wurde, lebte er doch 30 Jahre in enger Symbiose mit dem mächtigen Elefantenbullen Timbo zusammen. Auch hier fand Nomi Baumgartl 2003 einfühlsame Bil- der; das besondere Verhältnis und die einzigartige Beziehung von Mensch und Tier hielt sie mit ihrer Leica in außergewöhnlichen Schwarzweißbildern fest. In der Folgezeit begleitete sie den international ausgezeichneten Dokumentarfilm „Der Elefantenmann“ als Visual Director; ein gleichnamiger Bildband wurde 2007 veröffentlicht.
The Naturalist‘s Eye
New Milford, Connecticut 1989
Nomi Baumgartl: Seelenlandschaften/
Leica Galerie Wetzlar 2022
Die Fotografin ist eine sensible Beobachterin und große Porträtistin. Dies wird auch in dem Portfolio sichtbar, das Baumgartl anlässlich des 100. Geburtstags des befreundeten Fotografen Andreas Feininger (1906–1999) konzipierte. Die Fotografenlegende hatte sie 1983 in New York kennengelernt. Im Dialog über Fotografie, Wahrnehmung, Weltsicht und die Dinge der Natur entstand in den Folgejahren während vieler Besuche ein Porträt des Fotografenkollegen, gleichzeitig aber auch eine spannende Reflexion über die Verbindung von Mensch und Natur. Und so schließt sich in der Ausstellung ein Kreis von den frühen 1980er-Jahren zu den aktuellen Aufnahmen der Fotografin und ihrem Anliegen, die Welt immer wieder neu zu betrachten.
Nomi Baumgartl, Alpspitz
© Chris Pfanzelt
Nomi Baumgartl wurde 1950 in Donau-Ries geboren und studierte von 1973 bis 1977 an der Gesamthochschule Düsseldorf Design und Visuelle Kommunikation. Als erfolgreiche Bildjournalistin publizierte sie in der Folgezeit in allen wichtigen deutschen und internationalen Magazinen. Neben Auftragsarbeiten im Magazinjournalismus und für die Werbung begann sie früh, sich selbst gewählten Langzeitprojekten zu widmen. Ihr Werk ist in zahlreichen Ausstellungen und Buchveröffentlichen präsent. Im Juni 2016 wurde die Fotografin für ihr Lebenswerk und ihr Engagement als Fotografin mit dem internationalen B.A.U.M. Environmental Special Award 2016 ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Dr. Auma Obama, Schwester des ehemaligen US-Präsidenten, mit der sie eine lebendige Freundschaft verbindet. Nomi Baumgartl, die lange in New York und München lebte, hat heute ihren Lebensmittelpunkt im bayrischen Murnau.
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Herlinde Koelbl: Angela Merkel
2021, Bild 2
© Herlinde Koelbl
In ungewöhnlich ruhigen und intimen Großaufnahmen hat Herlinde Koelbl das Bild einer Politikerin eingefangen, die zunehmend in den Medien präsent ist. Keine Machtsymbole verstellen den Blick oder lenken von der Portraitierten ab. Vorauszusehen war Merkels Aufstieg nicht. In der Bundesrepublik besetzten bis dahin nur Männer die Ämter des Kanzlers, Bundespräsidenten oder Außen- ministers. Auch vor 1949 waren sämtliche staatlichen Führungspositionen in männlicher Hand gewesen. In der deutschen Geschichte war sie die erste Regierungschefin.
Ausstellungsansicht "Herlinde Koelbl. Angela Merkel Portraits 1991 – 2021"
© Deutsches Historisches Museum/Mathias Völzke
Mit der Ausstellung „Herlinde Koelbl. Angela Merkel Portraits 1991-2021” lädt das Deutsche Historische Museum vom 29. April bis zum 4. September 2022 dazuein, die Stationen von Merkels politischer Karriere bis zum Ende ihrer Zeit als erste deutsche Bundeskanzlerin fotografisch nachzuverfolgen. Von keinem anderen Politiker und keiner anderen Politikerin existiert eine ähnlich umfassende Langzeitserie, die einen vergleichbaren internationalen Aufstieg begleitet. Eshandelt sich daher um Nahaufnahmen einer physischen und psychischen Verwandlung und zugleich um das Protokoll einer ungewöhnlichen Begegnung.
Ausstellungsansicht "Herlinde Koelbl. Angela Merkel Portraits 1991 – 2021"
© Deutsches Historisches Museum/Mathias Völzke
Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum: „Als historisches Museum interessiert uns an dieser erstaunlichen Langzeitserie ganz besonders, dass es keine vergleichbare weibliche Führungspersönlichkeit in derdeutschen Geschichte und Politik gegeben hat. Mit Angela Merkel treffen unsere Besucherinnen und Besucher auf eine deutsche Politikerin, deren Weg beispiellosist. Herlinde Koelbl ist es gelungen, dies in ihren Aufnahmen auf einzigartige Weise einzufangen.”
Herlinde Koelbl: Angela Merkel
1991, Bild 1
© Herlinde Koelbl
Herlinde Koelbl, Fotokünstlerin und Kuratorin der Ausstellung: „Angela Merkels Kraft und ihre Eigenwilligkeit fielen mir auf, deshalb habe ich sie 1991 für meine fotografische Langzeitstudie ausgewählt. Ich habe sie immer nach einem klarenKonzept fotografiert: Kopf, sitzend, stehend. Es gab auch keine Anweisungen meinerseits, außer: Schauen Sie mich mit einem offenen Blick an. Diese Begegnungen waren immer etwas Besonderes. Auch bei großem Stress hat sie dieTermine immer gehalten. Vielleicht hat sie als Wissenschaftlerin dieDokumentation ihrer eigenen Veränderung auch als Experiment gesehen.”
Die rund 60 Portraitaufnahmen werden ergänzt um prägnante Zitate Merkels, Audiostationen und eine Videocollage mit Ausschnitten aus Interviews, die Herlinde Koelbl von 1991 bis 1998 mit Angela Merkel geführt hat. Die Antworten auf die jährliche Frage „Was haben Sie gelernt?” zeugen von Merkels Entwicklungsprozess im männlich dominierten Politikbetrieb der neunziger Jahre.
Die rund 60 Portraitaufnahmen werden ergänzt um prägnante Zitate Merkels, Audiostationen und eine Videocollage mit Ausschnitten aus Interviews, dieHerlinde Koelbl von 1991 bis 1998 mit Angela Merkel geführt hat. Die Antworten auf die jährliche Frage „Was haben Sie gelernt?” zeugen von Merkels Entwicklungsprozess im männlich dominierten Politikbetrieb der neunziger Jahre.
Bereits 1999 zeigte das DHM die Fotoausstellung „Spuren der Macht“, für die Herlinde Koelbl von 1991 bis 1998 fünfzehn Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Medien wiederholt portraitiert hatte. Mit Angela Merkel führte Koelbl die Zusammenarbeit fort. Das Ergebnis setzt sich zu einer dreißigjährigen Chronik der „Epoche Angela Merkel” zusammen.
Die Ausstellung bietet einen barrierefreien Zugang. Der gleichnamige Bildband „Herlinde Koelbl. Angela Merkel. Portraits 1991–2021” ist im Taschen Verlagerschienen.
Herlinde Koelbl ist eine der renommiertesten deutschen Fotokünstlerinnen. Ihr umfassendes Werk zeichnet sich vor allem durch fotografische Langzeitprojekte aus, oft ergänzt von tiefergehenden Gesprächen und Videoaufnahmen.
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Ai Weiwei: dropping a han dynasty urn, 1995
Privatsammlung Foto Albertina Wien Lisa Rastl Reiner Riedler
c 2022 Ai Weiwei
Schon die frühesten Werke von Ai Weiwei sind von der Auseinandersetzung mit seinem Heimatland China geprägt, wo er als Kind durch die Verbannung seines Vaters, des großen Dichters Ai Qing, die Auswirkungen der Kulturrevolution miterlebte. Als junger Mann im New Yorker East Village der 1980er-Jahre wurde er Zeuge und Dokumentarist der dortigen Protestbewegung.
Ai Weiwei: Fuck, 2000
Privatsammlung Foto Albertina Wien Lisa Rastl Reiner Riedler
c 2022 Ai Weiwei
Ai Weiwei: Study of Perspective Eiffel Tower, 1999
Albertina Sammlung Essl Foto Mischa Nawrata
c 2022 Ai Weiwei
Zurück in Peking waren es die unmittelbaren Nachwehen des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens, auf die er künstlerisch reagierte. Sein ausgestreckter Mittelfinger, den er bekannten Bauwerken als Repräsentationsobjekten der Macht entgegenhielt und damit Missstände anprangerte, wurde schließlich zu seinem Markenzeichen. Immer wieder sind es Machtstrukturen und die Mechanismen der Herrschaftsausübung, die der Künstler thematisiert, sei es die Zerstörung von Kulturgütern als Ausdruck der eigenen Überlegenheit oder die Ausübung von Manipulation, Zensur und Überwachung von staatlicher Seite. Unablässig schaut er stets dort genauer hin, wo er Meinungsfreiheit und Menschenrechte in Gefahr sieht – bei Einschüchterungsmethoden der chinesischen Regierung, der Bedrohung von Journalisten sowie politischen Aktivisten über die Proteste in Hongkong und die massiven Restriktionen in Wuhan beim Ausbruch der Corona-Pandemie bis hin zur eigenen Inhaftierung im Jahr 2011.
Ai Weiwei: sacredi supper, 2013
courtesy Lisson Gallery Foto Courtesy Ai Weiwei Studio and_Lisson Gallery
c 2022 Ai Weiwei
Ai Weiwei: handcuffs, 2012
Privatsammlung Foto Albertina Lisa Rastl Reiner Riedler
c 2022 Ai Weiwei
Ai Weiwei: Odyssey, 2017
courtesy of the artist Foto Courtesy Ai Weiwei Studio
c 2022 Ai Weiwei
Die aktuelle Situation Flüchtender auf der ganzen Welt betrachtet Ai als die vielleicht größte globale humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, als enorme Herausforderung für uns als solidarische Gesellschaft – und sieht bei jedem und jeder einzelnen von uns die Verantwortung, zu handeln. Mit Ai Weiweis kulturellen Readymades, seinen Wandarbeiten, Skulpturen, Installationen, Fotografien und zahlreichen Filmen bietet die Ausstellung einen beeindruckenden Überblick über die mehr als vier Jahrzehnte währende Karriere des Künstlers und beinhaltet Schlüsselwerke aus allen Schaffensphasen.
Albertina Modern, Karlsplatz 5, Wien
Ai Weiwei, marble sofa 2011
Privatsammlung Foto Albertina Lisa Rastl Reiner Riedler
c 2022 Ai Weiwei
Zu der Ausstellung ist ein Katalogbuch erschienen:
Ai Wei Wei
Herausgeber: Dieter Buchhart, Elsy Lahner, Klaus Albrecht Schröder
Erscheinungsjahr: 2022
Sprache: Deutsch
Seiten: 336
Maße: 30 x 24 cm, Hardcover
Gewicht: 2,5 kg
ISBN: 9783777439648
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Nieblum, Januar 2020, aus der Serie Inseljugend Föhr 2019/20
© Courtesy of the artist
Andreas Jorns (* 1966) stellte sich als Artist in Residence des MKdW genau diese Fragen. Im Winter 2019/20 begab er sich auf Spurensuche. Sieben Wochen lang begleitete er weit mehr als 100 junge Menschen auf Föhr. Er besuchte sie in der Schule und in der Freizeit, sprach mit ihnen in den Klassenräumen und zu Hause.
Nieblum, November 2020, aus der Serie Inseljugend Föhr 2019/20
© Courtesy of the artist
Hedehusum, November 2020, aus der Serie Inseljugend Föhr 2019/20
© Courtesy of the artist
Die Jugendlichen ließen es zu und zeigten ihm ihre Lebenswelten. Jorns war beim Musizieren und bei Chorproben dabei, traf sie am Strand, beim Sport, bei Vereinsaktivitäten und an ihren privaten Rückzugsorten, feierte, tanzte und diskutierte mit ihnen. Im November 2020 kehrte Andreas Jorns zu einem zweiten Aufenthalt auf die Insel zurück, um erneut mit den Jugendlichen zu arbeiten. Welche Auswirkungen auf ihre Lebenspläne zeigt die Corona- Pandemie womöglich?
© Courtesy of the artist
Nieblum, Januar 2020, aus der Serie Inseljugend Föhr 2019/20 ©
Courtesy of the artist
Das Ergebnis dieser in der Geschichte der Insel einmaligen fotografischen Recherche ist in der Ausstellung Inseljugend zu sehen. Die Schau gehört zur Ausstellungsreihe Made on Föhr, die in unregelmäßigen Ab- ständen Ergebnisse aus dem Artist-in-Residence- Programm des MKdW zeigt. Es ist die erste museale Ausstellung des Fotografen.
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"Mutter und Vater Aydin mit Bayram und Mustafa", Essen-Altendorf, 2. Juli 1977
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Die Ausstellung mit Fotografien von Henning Christoph , geboren 1944 in Grimme bei Leipzig, mehrfacher World Press Photo-Preisträger, zeigt die Zeit von Ende der 1970er bis Ende der 1980er Jahre, also die Phase, in der sich viele der ehemaligen türkischen „Gastarbeiter*innen“ entschieden, in Deutschland zu bleiben, ihre Familienangehörigen nachzuholen oder eine Familie zu gründen und hier eine neue Heimat zu finden.
„Abfahrt in die Heimat am Röntgenplatz“ Essen-Altendorf, um 1978
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Ölringen: Begrüßungsritual, Hannover, Juni 1982
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, das am 30. Oktober 1961 geschlossen wurde, war ein einschneidendes Ereignis in der wirtschaftlichen, vor allem aber in der gesellschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland. Es war nicht das erste Abkommen, ihm gingen ähnliche voraus und ihm folgten weitere. Aber das Anwerbeabkommen mit der Türkei war sicherlich das wichtigste, denn dadurch gelangten mit Abstand die meisten Menschen in die Bundesrepublik und die türkeistämmige ist heute noch die größte Migrationsgruppe in Deutschland.
Fatma und Seyfi beim Ernten von Mais auf einem unbebauten Nachbargrundstück,
Essen-Frohnhausen, um 1978
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Trocknen von Schafwolle auf einem Hinterhof, Essen-Altendorf, um 1978
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Zugang zu den sozialen Aktivitäten der ersten Generation türkeistämmiger Arbeitsmigrant*innen in Essen und Umgebung erhielt Henning Christoph durch die Freundschaft mit den in seiner Nachbarschaft lebenden Familien Sakin und Aydin. „Ich war vielleicht der Erste, der wirklich in das türkische Leben eingetaucht ist. [...] Ich bin in dieses Thema reingestolpert [...] und habe gespürt, das ist ein gutes Thema. Und wenn ich ein Thema gefunden habe, das mich wirklich interessiert, bleibe ich jahrelang dran“, erläutert der Fotograf Henning Christoph.
Filiz und Mehmet Süer in ihrer gemeinsamen Wohnung, Lüdenscheid, Februar 1983
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Eine Auswahl der besten Bilder erschien 1979 in der dreizehn Doppelseiten langen Reportage „Die deutschen Türken“ mit einem Text seiner damaligen Ehefrau, der Journalistin Shawn Christoph, in der Zeitschrift GEO. „Die deutschen Türken“ war die erste und umfangreichste Fotoreportage, die sich mit der türkei-stämmigen Arbeitsmigration auseinandersetzte. Aufgrund des gut recherchierten Textes von Shawn Christoph und den tiefe Einblicke gewährenden Fotografien Henning Christophs ist die Reportage, für die eineinhalb Jahre Recherche- und Produktionszeit zur Verfügung stand, bis heute eine sozial- und fotogeschichtlich einmalige und bedeutsame Quelle. Diese legendäre Reportage wird vollständig mit rund 150 Fotografien in Farbe und Schwarzweiß in der Ausstellung gezeigt.
Schaufenster eines deutschen Fotografen,
der sich auf seine überwiegend türkische Kundschaft eingestellt hat Berlin, September 1980
Copyright: Fotoarchiv Ruhr Museum; Foto: Henning Christoph
Viele der türkeistämmigen Arbeiter*innen waren aufgrund besserer Verdienstchancen nach Deutschland gekommen. Die meisten planten eine Rückkehr mit dem in Deutschland angesparten Geld, um sich in der Türkei ihren Traum zu erfüllen, so wie der 1962 nach Deutschland gekommene Mustafa Aydin (1926 – 1997). Ursprünglich plante er in die USA zu gehen, lernte deshalb Englisch, wurde dann aber nach einigen Umwegen in der Türkei von dem Bauunternehmen Heitkamp aus Herne angeworben und eingestellt. In Deutschland wollte Mustafa nur solange bleiben, bis er ausreichend Geld verdient hatte, um sich in der Türkei ein Sägewerk zu kaufen. Diesen Traum hegte er lange; er manifestierte sich in dem Modell eines Sägewerks, das Aydin in seiner Freizeit baute.
„Mustafas Traum“ hat sich jedoch nicht erfüllt. Er steht aber zugleich für die Hoffnungen, Träume, Wünsche und Sehnsüchte zahlreicher anderer Menschen, die sie bewogen hatten, ihre Heimat zu verlassen und ein neues Leben zu beginnen. Viele sind geblieben und haben bereits Kinder und Enkelkinder, die in Deutschland geboren sind. Oft pendeln sie zwischen den Ländern.
Der studierte Ethnologe und Journalist Henning Christoph zog 1967 für sein Studium bei Professor Otto Steinert an der Folkwangschule für Gestaltung von Washington D.C. nach Essen, wo er bis heute lebt. Er arbeitete frei für internationa-le Agenturen, Zeitschriften und Zeitungen, gründete eine eigene Fotoagentur und widmet sich seit fünfzig Jahren, davon mehr als dreißig Jahren intensiv, der Doku-mentation unterschiedlicher Kulturen in Afrika und des Voodoo. Er hat zahlreiche Bücher mit seinen Fotografien herausgegeben; zum Thema „Migration“ ist bislang jedoch noch keine Monografie mit Henning Christophs Arbeiten veröffentlicht worden.
Ruhr Museum in der Kohlenwäsche 21-Meter-Ebene UNESCO-Welterbe Zollverein Gelsenkirchener Str. 181 Essen