Ein minimalistisches, klassisches Design zeichnet die Ricoh GR aus.
Warum bezahlen Fotografen für eine kleine Kompaktkamera wie die Ricoh GR mehr als sie für eine komplette DSLR-Ausrüstung ausgeben müssten? Weil sie anders ist! Seit dem 1996 vorgestellten ersten Modell einer damals noch analogen GR verfolgt Ricoh mit dieser Kultkamera ein eigenes, Konzept, das auf ein minimalistisches, klares Kameradesign setz hinter dessen klassischer Fassade alles an Fototechnik steckt, was sich anspruchsvolle Fotografen hinsichtlich perfekter Bildqualität bei größtmöglicher Gestaltungsfreiheit wünschen.
Die hohe Kunst der GR-Ingenieure besteht im Verzicht und in der Konzentration auf die für die anspruchsvolle, kreative Fotografie notwendigen Elemente. Das sind nun zunächst einmal Sensor, Prozessor und Objektiv. Darin steckt auch der größte Fortschritt bei dem aktuellen Generationswechsel. Das nicht erst seit den siebzehn Jahren des Bestehens der GR-Linie bewährte Bedienungskonzept mit eindeutig belegten und gekennzeichneten Schaltern, Tasten, Hebeln Schaltwippen und Wahlrädern huldigt in vieler Hinsicht dem alten Bauhaus Prinzip, nach dem die Form der Funktion folgen sollte. Auch die Menüführung bei den Einstellungen über das Display ist weitgehend selbst erklärend und leicht zu erfassen.
Die hohe Auflösung und das geringe Rauschen der Kamera macht auch starke Ausschnitte detailreicher Bilder möglich.
Beginnen wir aber bei unserer Praxisprüfung der Ricoh GR mit dem, was die Kamera nicht hat und für wen sie nicht gedacht ist. Sie verzichtet auf eine WiFi-Schnittstelle und GPS. Wer diese Funktionen benötigt, sei auf die Kompatibilität mit den Eye-Fi-SD-Speicherkarten hingewiesen, mit denen sich die Kamera für diese Funktionen aufrüsten lässt. Die Kamera verzichtet auf ein Zoom und ist mit einem f2,8 lichtstarken Weitwinkelobjektiv mit 28 mm Brennweite ausgestattet. Dqs begrenzt die gestalterischen Möglichkeiten. Auch die Makrofunktion des neuen Objektivs ist mit einem maxi8malen Abbildungsmaßstab von 1:5 bei einer Mindestdistanz von 10 Zentimetern nicht unbedingt hervorzuheben.
Die herausragende Stärke dieser Kamera liegt in der APS-C Bildqualität bei Maßen von nur 117 x 61 x 34,7 mm, mit denen sie in jede Jacken- oder Hosentasche passt sowie dem geringen Gewicht von nur 215 Gramm. Dabei lässt sie sich gut halten und bedienen. Der gummierte Griff sorgt für sicheren Halt und alle Bedienelemente sind leicht erreichbar. Die gewünschten Funktion schnell und direkt einzusteuern, was sich nochmals beschleunigen lässt, wenn der Fotograf eine der drei frei belegbaren (My1,My2 oderMy3) Positionen des Betriebsartenwählrades Funktion mit seinen bevorzugten Grundeinstellungen für bestimmte Motivarten belegt, so dass sie sich blitzschnell aufrufen lassen.
Natürlich wirkende, satte Farben bei hoher Detailzeichnung kennzeichnen die Bilder der Ricoh GR.
Schnelligkeit ist eine weitere, hervorzuhebende Eigenschaft der Ricoh GR. Wie in der Reportage und Street-Photography erforderlich beträgt die Auslöseverzögerung nur 0,3 Sekunden, die Einschaltverzögerung liegt bei etwa einer Sekunde, das ist sicher nicht die schnellste aber auch noch akzeptabel. Trotz der hohen Auflösung und den daraus resultierenden großen Bilddateien schafft die Kamera im Serienbildmodus vier Bilder pro Sekunde. Das ist zwar auch nicht Bestleistung in dieser Klasse aber ausreichend.
Professionelle Features bietet die Ricoh GR bei der Belichtungsmessung. Wo der Fotograf zwischen Spot-, Mehrfeld- und mittenbetonter Belichtungsmessung wählen kann. Wir haben alle Methoden ausprobiert und uns auf die sehr ausgewogene Belichtungssteuerung auf Basis der Mehrfeldmessung verlassen. Nur bei sehr kontrastreichen Motiven, wo es darum ging bestimmte Motivpartien vor dem Zulaufen (Tiefen) oder Ausfressen (Lichtern) sicher zu schützen, war die punktgenaue Spotmessung nötig.
Der hohe Dynamikumfang sorgt für gute Detailzeichnung in Tiefen und Lichtern.
Für eine Reportage-Kamera unverzichtbar sind kurze Verschlusszeiten unverzichtbar. Auch wenn die Verwacklungsgefahr bei einem Weitwinkelobjektiv eher gering ist, droht beim Fotografieren aus dem Geschehen heraus doch immer wieder Bewegungsunschärfe. Da ist eine kürzeste Verschlusszeit von 1/4000 Sekunde sehr willkommen. Die automatischen Verschlusszeiten reichen laut Hersteller von 1/4000s bis 300s, Zusätzlich stehen eine Bulb und eine Time Funktion zur Verfügung. Bei der Einstellung auf Bulb bleibt der Verschluss solange geöffnet, wie der Auslöser gedrückt wird. Bei Time wird der Verschluss beim Druck auf den Auslöser geöffnet und nach erneutem Druck wieder geschlossen.
Auf sogenannte Motivprogramme haben die Entwickler der Ricoh GR verzichtet. Dafür haben Sie dem Fotografen größte Flexibilität bei den manuellen Steuermöglichkeiten gegeben. Dennoch verfügt die Kamera über die klassischen Belichtungsprogramme wie Zeit-, Blenden und Programmautomatik. Neu in dieser Kamera ist eine Iso-Automatik mit der Bezeichnung TAv. Das Kürzel steht für Time und Aperture Value, das heißt der Fotograf wählt Zeit- und Blende fest vor und die Kamera wählt dann automatisch den für eine korrekte Belichtung passenden ISO-Wert aus.
Für die Umwandlung in monochrome Bilder gibt es verschiedene digitale Effektfilter. Hier kamen der normale SW-Filter (Bild Mitte) und der Hochkontrastfilter (Bild rechts) zum Einsatz. Das Bild links zeigt die normale Farbaufnahme.
Gerade für die Weitwinkelfotografie sind Einstellhilfen wie die zuschaltbare Gitternetzlinien oder die Multilevel Ausrichthilfe, die sowohl die waagerechte als auch vertikale Ausrichtung der Kamera anzeigt, wichtig, um etwa stürzende Linien und ähnliche Verzerrungen, die durch eine falsche Kameraausrichtung drohen, zu vermeiden. Bei der Ricoph GR kann der Fotograf zwischen drei Gittermustern, die im LiveView Modus zugeschaltet werden, wählen. Die Histogrammanzeige erleichtert die Beurteilung der Belichtung und die Anzeige des Fokusfeldes mit Bestätigung der erfolgten Scharfstellung gehört inzwischen zum Standard. Erwähnenswert dagegen sind die Möglichkeit, das Fokusfeld frei zu verschieden sowie die Kontrolltaste für die Schärfentiefe.
Die Ricoh GR spricht mit ihrer Festbrennweite von 28 mm Puristen unter den Fotografen an. Ein kleines Zugeständnis hinsichtlich gestalterischer Flexibilität haben die Väter der Kamera dennoch gemacht. Und das ist auch gut so! Sie haben sie mit einer Cropfunktion versehen, die den Bildausschnitt entsprechend einer Brennweite von 35 mm reduziert. Diese gemäßigte Weitwinkelbrennweite wird von vielen Fotografen anstelle des Normalobjektivs mit 50 mm verwendet. Es erlaubt relativ verzeichnungsfrei einen großen Bildausschnitt aus kurzem Abstand ohne etwa bei Porträtaufnahmen die Person sichtbar zu verzerren.
Die Ricoh GR mit optionalen Filteradapter, Weitwinkelvorsatz und Streulichblende.
Als optionales Zubehör gibt es einen Filteradapter mit dem sich optische Filter mit 49 mm Gewinde, wie beispielsweise Pol- oder zusätzliche Dichtefilter verwenden lassen. An ihm lässt sich auch der ebenfalls als Zubehör erhältliche Weitwinkelvorsatz anbringen, der den Bildwinkel des Objektivs auf 21 mm entsprechend dem Vollformat verkürzt. Somit stehen dem Fotografen mit der kleinen Ricoh GR die meistgenutzten Weitwinkelbrennweiten von 21mm, 28mm und 35 mm zur Verfügung. Wichtiger noch ist vermutlich der optischer Aufstecksucher für 22 mm und 28 mm erhältlich, der auf dem Blitzschuh der Kamera geschoben wird. Anstelle des integrierten Blitzgerätes lässt sich auch der externe Systemblitz der Ricoh GR nutzen. Auch er fällt unter die Rubrik optionales Zubehör. Hier zeigt sich, wie stark doch die kleine, auf den ersten Blick Manchem vielleicht unscheinbar anmutende Kamer noch ausgebaut werden kann.
Der Schieber für die Blitzaktivierung und die Abblendtaste, miot der sich auch die Effektfilter aktivieren lassen.
Keine Kamera verzichtet heute mehr auf die sogenannten digitalen Effektfilter. Auch die Ricoh GR nicht. Doch zuvor ein wichtiges Feature: Der integrierte ND Filter, der es ermöglicht, auch bei starker Helligkeit, mit offener Blende fotografieren zu können, um den sanften Bokeh-Effekt zu erzielen. Er wird durch die nahezu kreisrunde Blende des Objektivs möglich, die durch die Verwendung von neun speziell geformten Lamellen erreicht wird.
Die digitalen Filtereffekte der Ricoh GR lassen sich schnell und einfach über die Taste an der Seite der Kamera, die auch zur Kontrolle der Schärfentiefe dient, abrufen. Besonders interessant erschienen uns die drei Varianten für die Schwarzweißkonvertierung. Hier kann der Fotograf zwischen SW mit normalem Kontrast, mit Sepia-Tonung oder mit hohem Kontrast à la Film Noir wählen. Weitere Effekte sind Cross Entwicklung, Farbumkehr, Film, Bleach Bypass, Retro und Miniatur sowie High Key. Die einfachste Möglichkeit die Effekte zu testen ist die Serienbildfunktion. Dort kann der Fotograf für 4 Aufnahmen festlegen, welche Effekte auf das erste bis vierte Bild angewendet werden sollen. Wenn RAW- und JPG-Dateien parallel aufgezeichnet werden hat der Fotograf sogar das Bild einmal mit und einmal ohne Filter.
Eine Funktion zum Filmen gehört heute zum Standard einer jeden Kamera. Selbst die kleine Ricoh GR liefert Videoaufnahmen in Full-HD im 16:9 Seitenverhältnis und mit wahlweise 24, 25 oder 30 Bildern pro Sekunde. Wird nur in HD gefilmt sind auch Aufnahmen mit 50 bzw. 60 Bildern in der Sekunde möglich. Der Ton wird durch das integrierte Mikrofon in Stereo aufgezeichnet. In der Wiedergabefunktion lassen sich die Szenen zuschneiden oder auch Einzelbilder speichern. Gespeichert werden die Filme im AVI Motion JPG Format.
Farben von Pflanzen, wie Gemüse und Obst werden sehr neutral wiedergegeben.
Beim Fotografieren hat der Fotograf zahlreiche Optionen für die Bildspeicherung. Im Notfall kann er auf den internen Speicher mit 54 MB zugreifen. Die Kamera ist kompatibel mit SD, SDHC und den SDXC sowie Eye-Fi Speicherkarten. Als Dateiformate stehen für Fotos JPG und RAW zur Verfügung. Sehr Speicherintensiv aber nützlich ist die parallele Speicherung von RAW und JPG, besonders weil dann auch beim Fotografieren mit Filtern zusätzlich ein ungefiltertes Original zur Verfügung steht.
Bei der Rohdatenspeicherung hat sich Ricoh für das von Adobe entwickelte, offene DNG Format entschieden. Für den Anwender hat dies den Vorteil, dass es sich mit den als Referenz für die Bildbearbeitung geltenden Programmen wie Adobe Photoshop und Lightroom problemlos verarbeiten lässt.
Die hohe Auflösung der Ricoh GR lässt genügend Reserven für große Ausschnitte
Einige Bildbearbeitungsfunktionen für Fotos lassen sich bereits in der Kamera ausführen. Dazu gehören auch Korrekturen beim Weißabgleich, Zuschneiden, Größenveränderungen und die Moiré-Entfernung. Auch bestimmte Entzerrungen, hervorgerufen durch falsche Kameraausrichtung lassen sich schon in der Kamera vornehmen. Ebenso können bereits in der Kamera automatisch ablaufende Bilderscheuen erstellt werden.
Fazit
Die Ricoh GR ist keine Kamera für Alle und Alles. Im Gegenteil, sie ist das perfekte Werkzeug für bestimmte Situationen und einen besonderen Stil zu fotografieren. Dazu gehören die Street-Photography, diskrete Reportage-Bilder mitten aus dem Geschehen sowie Landschaften und Innenräume. Dafür liefern Objektiv, Sensor und Prozessor D-SLR-Qualität im populären Weitwinkelbereich von 28 mm entsprechend einer Vollformatkamera. Wenn ein Smartphone einfach zu wenig und eine umfangreiche Ausrüstung zuviel oder unangebracht sind, dann ist diese unauffällige „Immer-Dabei-Kamera“ für Kenner und Könner eine ideale Lösung, die durch ihre hohen ISO- und Dynamikbereiche unter allen Lichtbedingungen professionelle Ergebnisse liefert. Durch die spezielle Konstruktion des 16 Megapixel Sensors ohne Tiefpassfilter liefert sie unter allen Bedingungen stets die maximale Auflösung.